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Öffentlicher Härtetest

15. Februar 2024 - von Folke Heyer

Immer mehr Mobilfunkanbieter zeigen Interesse an der Technik des teleoperierten Fahrens. Ihre Beweggründe gehen dabei sogar noch über die Bandbreite an Möglichkeiten hinaus, die ein ferngesteuertes Fahrzeug ohne Fahrer künftig für Fuhrparkbetreiber oder Logistiker eröffnen wird.

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(Foto: MIRA GmbH)

Drei Fragen an Mira-Geschäftsführer Klaus Kappen

Weshalb Ihre Partnerschaften mit Mobilfunkanbietern?
Hintergrund ist, dass wir eine sehr hohe Menge an Daten vor allem vom Fahrzeug über das Netz senden. Dabei ist eine möglichst geringe Latenz – also Verzögerung – schon allein aus Gründen der Sicherheit absolut geboten. Zudem testen wir mit der Deutschen Telekom auch neue Netzfeatures, die besonders auf das teleoperierte Fahren zugeschnitten sind.

Wie groß sind die Erfolgsaussichten der Technologie?
Zum einen bin ich persönlich überzeugt von der Idee. Aber wir werden in gleichem Maße durch unsere verschiedenen Kundenkontakte, also das Feedback des Marktes, bestätigt.
Darüber hinaus sind wir nicht allein und andere Marktbegleiter sind für mich ein gutes Indiz dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere Vorteile der neuen Technik?
Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Technik auch eine Verbesserung der Effizienz und der Nachhaltigkeit des Verkehrs insgesamt erreichen werden, was angesichts der ständig wachsenden Belastung vor allem unserer Städte immer wichtiger wird. Auf diese Weise wird das teleoperierte Fahren ergänzend zu seinen vielen weiteren Vorteilen zumindest auch einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

Ein Player auf dem noch jungen Markt für das teleoperierte Fahren ist die MIRA GmbH. Das in Düsseldorf ansässige Unternehmen ist 2022 als Start-up aus dem Rheinmetall Technology Center hervorgegangen, in dem die Basisentwicklung der Technik in den vergangenen Jahren erfolgt ist. Dabei wurden auch weitere Spezialunternehmen des in der Automobil- und Wehrtechnik forschenden Düsseldorfer Konzerns in die Entwicklung einbezogen. Sie liefern heute beispielsweise Komponenten für die notwendige Sonderausrüstung teleoperierter Fahrzeuge sowie für die ebenfalls benötigten Steuereinrichtungen oder Leitstände.

Ins wahre Leben

Die besondere Strategie von MIRA ist es dabei, im Rahmen seiner Entwicklungsaktivitäten möglichst frühzeitig „auf die Straße“ zu gehen, um so authentische Testbedingungen für das Fahren per Teleoperation zu erhalten. Dazu Andreas Korwes, zuständig für die Markenkommunikation bei MIRA: „Wir wollten unsere Technik von Anfang an unter den Realbedingungen des öffentlichen Straßenverkehrs weiterentwickeln und uns nicht auf abgeschirmte Bereiche, wie etwa einen abgeschlossenen Betriebshof, beschränken.“

Dies machte allerdings zunächst umfangreiche Genehmigungsverfahren durch die Bezirksregierung Düsseldorf sowie den TÜV Rheinland notwendig. Dabei erwies sich der Düsseldorfer Mobilfunkspezialist Vodafone schon früh als geeigneter Partner für das sich abzeichnende „Reallabor“ im Industriehafen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. In diesem definierten Bereich erhielt MIRA bereits 2022 die Genehmigung, den Einsatz seiner Technologie unter Realbedingungen im öffentlichen Straßenverkehr zu testen.

Mit Erfolg

Gesagt, getan. MIRA konnte so in seinem ersten Reallabor umfangreiche Erfahrungen sammeln, die zu zahlreichen Verbesserungen aller System-Komponenten, vom Fahrzeug bis zur Control Station, führten. Letztere steht im MIRA-Gebäude in Derendorf. Von hier aus steuert der „Fahrer“ die teleoperierten Fahrzeuge, die sich irgendwo auf der Welt befinden könnten, vorausgesetzt sie bewegen sich in einem 5G-Netz. Auch der Düsseldorfer Mobilfunkbetreiber erhielt so eine klare Rückmeldung über die spezifischen Anforderungen des Netzes im Hinblick auf die kommende automatisierte Mobilität.

Der Erfolg ihres ersten teleoperierten Fahrzeuges, eines VW Golf, war für die Spezialisten Anlass, ihre Flotte zu erweitern. Heute sind drei MIRA-Fahrzeuge, darunter zwei Kleintransporter, im Stadtbild zu erkennen – und das mittlerweile nicht nur in Düsseldorf.

Schon bald ein vertrauter Anblick: MIRA-Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.
(Fotos: Ralf Grothe, zeit-licht.de)

Neue Netze

Als weiterer interessierter Player vonseiten der Mobilfunkanbieter erwies sich nämlich schnell auch die Deutsche Telekom. Das im Hinblick auf innovative Ideen sehr aufgeschlossene Unternehmen ging bereits 2022 ebenfalls eine Partnerschaft mit MIRA ein. Wie auch bereits Vodafone ermitteln die Bonner Techniker deshalb zurzeit, wie ihr 5G Netz an die speziellen Anforderungen von MIRA angepasst werden kann. Ziel bleibt es, eine optimale Mobilfunktechnologie anzubieten, die selbst minimalste Verzögerungen ausschließt und so eine optimale Verfügbarkeit für den Realbetrieb dieser Technik sicherstellt. Im Frühjahr 2023 wurde zudem in der früheren Bundeshauptstadt Bonn ein weiterer Betriebsbereich im öffentlichen Straßenverkehr genehmigt. Die Freigabe einer weiteren Strecke steht derzeit an. Das Ziel der Partner für die nahe Zukunft ist ein (fahrerloser) Shuttle zwischen Standorten der Deutschen Telekom. Zugleich bindet sich das Unternehmen so noch stärker an den öffentlichen Nahverkehr an und entspricht außerdem dem gestiegenen Mobilitätsbedarf – ein klarer Beitrag zur Entlastung der Stadt Bonn.

In naher Zukunft wird ein (fahrerloser) Shuttle den rechtsrheinischen Bonner Standort der Telekom mit dem U-Bahnhof Ramersdorf verbinden. Eine weitere Strecke ist im Stadtteil Gronau in Planung.

Aber welche besonderen Anforderungen stellt denn gerade das teleoperierten Fahren an die Mobilfunknetze? Antwort weiß Heinrich Dismon, der gemeinsam mit Klaus Kappen bei der Rheinmetall AG die Geschäftsführung der MIRA GmbH verantwortet: „Im Gegensatz zu zeitlich begrenzten Events, zu denen auch schon ‚normale‘ Verbraucher die Leistung ihrer Mobilfunkanbindung voll auszunutzen, arbeiten wir beim teleoperierten Fahren nahezu permanent mit extrem hohen Datenraten.“ Hinzu kommt, so Dismon weiter, „dass für eine Teleoperation von Fahrzeugen ein hoher Datentransfer nahezu in Echtzeit unabdingbar ist.“

Geschwindigkeit zählt

Somit stellt Teleoperation extrem hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit selbst der modernen Mobilfunktechnik. Ein Einsatzzweck, den in diesem Ausmaß nur die wenigsten Verwender nutzen, sieht man einmal von der besonders zuverlässigen und schnellen Up- und Downloadmöglichkeit dieser Netze ab.

Also ein klarer Lackmustest für die Provider. So können sie erfahren, wie ihre Netze auf diese besonderen Anforderungen hin optimiert werden müssen. Anhand dieser zukunftsorientierten Anwendung wird außerdem auch die Notwendigkeit der neuen Netztechnik erst richtig nachvollziehbar.

Auch Telekom-CEO Tim Höttges (5.v.l.) informierte sich detailliert über den aktuellen Stand der Technik in der Teleoperation. (Foto: Ralf Grothe, zeit-licht.de)

Kein Wunder, dass die Deutsche Telekom der versammelten Fachwelt die MIRA-Technologie auch auf ihren zahlreichen Veranstaltungen präsentiert. Das Interesse geht dabei sogar hoch bis zu Telekom-Vorstandschef Tim Höttges, der sich vom MIRA-Team eingehend über die Technologie und das Potenzial des teleoperierten Fahrens informieren ließ. So waren die Düsseldorfer 2023 bereits zum zweiten Mal auf der Kölner Digital X-Messe, die die Telekom alljährlich veranstaltet, und auch bei der Bonner „Nacht der Technik“ waren jüngst Mitarbeiter von MIRA an Bord.

Sicherheitsfahrer muss weg

Und wie geht es weiter mit dem teleoperierten Fahren? Klare Aussage der Spezialisten: Der nächste wichtige und entscheidende Schritt wird die derzeit betriebene Freigabe der funktionalen Sicherheit des Systems. Ist dies erst einmal erreicht, könnte dann die Freigabe für den Entfall des noch immer vorgeschriebenen Sicherheitsfahrers im teleoperierten Fahrzeug selbst folgen und nach Aufhebung der bisher nur begrenzten Streckenfreigaben wäre der Weg für einen weitreichenden Einsatz der Technologie frei. Das Interesse der Kunden, beispielsweise aus dem Logistikbereich, ist indes groß, wie die Rückmeldung an die MIRA-Mitarbeiter auf entsprechenden Messen und Kongressen zeigt.

Und auch viele Fahrzeughersteller wollen wissen, welche Erweiterungen notwendig sind, um künftig mit der neuen Technologie Schritt zu halten. Die denkbaren Einsatzzwecke sind jedenfalls breit gestreut. Man denke nur an ein autonomes Fahrzeug, das beispielsweise aufgrund einer für seine Steuerung unlösbaren Fahrsituation – z.B. eine durchgezogene Fahrbahnmarkierung, die überfahren werden müsste – von seiner autonomen Steuerung gestoppt wird. Durch einen Teleoperator könnte das Fahrzeug schnell über die fahrerische „Barriere“ gebracht werden. Die Technologie der Teleoperation bietet damit nicht nur eine Erleichterung für weite Lebensbereiche und viele Industrien, sondern ist sicher auch einer der Wegbereiter für das zukünftige vollautonome Fahren.

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