Vom Kopf in die Maschine
11. Oktober 2024
15. Februar 2024
Sie bestücken Maschinen, verpacken oder unterstützen in der Qualitätskontrolle: Mit ihren selbst entwickelten kollaborativen Robotersystemen sorgt die Rheinmetall-Tochter Pierburg an ihrem Neusser Produktionsstandort für mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit. Nun sollen auch andere Werke des Technologiekonzerns von den smarten Helfern profitieren.
Qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, wird weltweit zu einem immer drängenderen Problem der Wirtschaft. In Europa ist die deutsche Industrie am stärksten davon betroffen. Laut aktuellem DIHK-Report klagt mittlerweile mehr als jedes zweite Fertigungsunternehmen hierzulande über Personalengpässe. Eines von ihnen ist die zum Rheinmetall-Konzern gehörende Pierburg GmbH. Insbesondere in der Produktion fehle es an Fachkräften, wie Karsten Sonnenschein berichtet. Der promovierte Ingenieur leitet beim renommierten Automobilzulieferer Pierburg den Bereich Electrification and Digitalization. „Der anhaltende Personalmangel und die hohen Lohnkosten in Deutschland machen eine manuelle Montage mittlerweile höchst unwirtschaftlich“, erläutert Sonnenschein. Um die Wettbewerbsfähigkeit seiner Standorte zu verbessern, setze Pierburg deshalb schon länger auf eine automatisierte Produktion – sowohl in Deutschland als auch international. Allein im Jahr 2021 hat das Unternehmen weltweit 50 neue Industrieroboter in seinen Werken installiert.
Hohe Flexibilität gefragt
„Vollautomatische Montagelinien und Roboterzellen sind teuer“, weiß Sonnenschein. Bis sich das Investment amortisiert, dauere es vergleichsweise lang, führt der Manager weiter aus. Gleichzeitig verursache jede produktspezifische Änderung hohe Rüstkosten und Ausfallzeiten. Und die treten laut des Bereichsleiters immer häufiger auf: „Insbesondere bei neueren Komponenten sind kürzere Produktlebenszyklen Alltag.“ Er und sein Team haben deshalb für das Werk Niederrhein in Neuss nach flexibleren Alternativen gesucht und sind schnell auf kollaborative Roboter gestoßen. „Die am Markt verfügbaren Greifer- und Visionsysteme für -Cobots haben uns nicht überzeugt“, erinnert sich der am Projekt beteiligte Engineering Manager Lukas -Romanowski – „zu aufwändig in der Programmierung, zu wenig standardisiert, zu störungsanfällig.“
Innovationsgeist made by Rheinmetall
Die Ingenieure von Pierburg haben deshalb kurzerhand ihren eigenen Cobot mit Soft Gripper entwickelt. Zugute kamen ihnen dabei die weitreichenden Erfahrungen, die Pierburg und die Rheinmetall-Gruppe im Rahmen ihrer hochautomatisierten Standorte sammelten. Gleichzeitig floss jede Menge unternehmenseigenes Know-how auf dem Gebiet der Pneumatik, Elastomere und Steuerungsgeräte in den kollaborativen Roboter ein.
Die Entwicklung dauerte nur knapp über ein Jahr. Bereits 2022 waren die ersten Prototypen im Werk an der Neusser Hafenmole im Einsatz. „Dank ihres pneumatischen Elastomergreifers sind die smarten Cobots – wie ein Mensch – in der Lage, mit größtem Fingerspitzengefühl empfindliche Werkstücke zu greifen“, freut sich Romanowski. Sie können sowohl Schalter und Tasten drücken als auch mit Kleinladungsträgern (KLT) hantieren und Signale beachten. Die integrierte 3D-Kamera der Cobots und fortschrittlichste Bildverarbeitung auf Basis von künstlicher Intelligenz machen es möglich. Für das Visionsystem hat Pierburg mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Rheinmetall Division Electronic Solutions zusammengearbeitet, wie Sonnenschein und Romanowski berichten.
Kollege Roboter
Dank ihrer Vielseitigkeit lassen sich die autarken mobilen Cobots flexibel in verschiedenste Arbeitsprozesse integrieren – sei es bei der Bestückung von Maschinen, in der Nachbearbeitung von Gussteilen, in Prüfständen oder beim Verpacken von Produktkomponenten. Auch die Inbetriebnahme und Programmierung sind denkbar einfach. Das Besondere der Cobots ist ihr Multisoftgreifer. Er minimiert Verletzungsrisiken und eröffnet damit eine gefahrlose, -CE-konforme Kooperation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Produktion. „Nach anfänglicher Skepsis freuen sich die Teams in unserem Neusser Werk über ihre neuen Roboterkollegen“, berichtet Sonnenschein. „Die Cobots entlasten sie bei monotonen Aufgaben. Dadurch können sie sich anspruchsvolleren und weniger körperlich belastenden Tätigkeiten widmen.“
Das „Smartphone“ unter den Cobots
Der Bereichsleiter sieht in dem Robotereinsatz und den damit verbundenen Effizienzgewinnen große Vorteile für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts und Hochlohnlands Deutschland. Aktuell versuchen Karsten Sonnenschein und sein Team, andere Pierburg-Werke für die Cobots zu begeistern. Auch mit der Rheinmetall-Unit Waffe Munition laufen Gespräche. Mittelfristig will das Unternehmen die kollaborativen Roboter auch extern vertreiben. „Das Marktpotenzial ist immens“, sagt Dr. Sonnenschein. Insbesondere in der Lebensmittelindustrie und in mittelständischen Industrie- und Handwerksbetrieben rechnet er mit guten Absatzchancen. „Unsere Soft Robotics-Lösungen sind gewissermaßen das ‚Smartphone‘ unter den Cobots“, so sein Resümee. „Sie sind nicht nur kostengünstiger als die aktuell am Markt verfügbaren Systeme, sondern auch besser standardisiert und damit vielfältiger einsetzbar.“
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