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„Mission Vorwärts“

12. Februar 2024

Im Interview mit DIMENSIONS sprechen die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und der Rüstungsdirektor des Österreichischen Bundesheers, Generalmajor Harald Vodosek (links im Bild), über geschützte Mobilität und die Modernisierung der österreichischen Streitkräfte.

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Made in Austria

In seinem Werk in Wien-Liesing produziert Rheinmetall MAN Military Vehicles Fahrzeuge unterschiedlichster Art und für viele Kunden – wie die Bundeswehr (im Bild), das Bundesheer oder die Australian Defence Force.

Frau Ministerin, auch die Republik Österreich hat – wie das deutsche Nachbarland – die Budgetmittel für das Österreichische Bundesheer erhöht. Die Ausstattung des Bundesheers wird derzeit stark modernisiert. Was sind die sicherheitspolitischen Hintergründe hierfür?

Der andauernde Krieg in der Ukraine sowie der Kampf gegen die Terrororganisation Hamas durch Israel ergeben stark veränderte Herausforderungen in der internationalen und europäischen Sicherheitspolitik. Diese historischen Ereignisse haben dazu geführt, dass wir unser Bundesheer völlig neu denken und die Weichen neu stellen mussten. Aber auch sicherheitspolitische Entwicklungen in der Westbalkanregion, in Westafrika und der Sahel-Zone, die durch Klimawandel oder wachsende Kriminalität wie Menschenhandel oder Drogenschmuggel auch einen negativen Effekt auf Europa haben, müssen wir in diesem Spektrum berücksichtigen. Denn jede negative sicherheitspolitische Veränderung hat auch Auswirkungen auf Europa und Österreich. Daher ist es wichtig, vorbereitet zu sein.

Dazu bedarf es auch einer aktiven Mitwirkung Österreichs an der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) und einer leistungsfähigen und widerstandfähigen militärischen bzw. umfassenden Landesverteidigung.

Herr General, welche verschiedenen Aufgaben werden die Rheinmetall MAN Military Vehicles-LKW im Bundesheer übernehmen?

Die Rheinmetall MAN Military Vehicles LKW werden als geschützte und ungeschützte Fahrzeuge mit unterschiedlichsten Aufbauten vorwiegend Transporte von Gütern aller Art, wie beispielsweise Munition, Betriebsmittel, Ausrüstung etc. übernehmen. Oder aber es werden mit diesen neuen Fahrzeugen Berge- und Abschubaufgaben durch die Truppe durchgeführt.

Zusätzlich werden auch mit dem im ÖBH eingeführten „System Wechselaufbau“ Führungs- und Funktionsfahrzeuge abgebildet. Eine Teilmenge der Fahrzeuge wird so beschafft, dass diese beispielsweise mit Hakensystem ausgestattet werden und dadurch möglichst multifunktional für Container- und Flattransporte verwendbar sind. Einige der Fahrzeuge werden als Tankfahrzeuge zum Transport großer Mengen Treibstoff konzipiert. Wieder andere sind als Schwerlastsysteme zum Transport schwerer Fahrzeuge mit bis zu 80 Tonnen Gesamtlast vorgesehen.

Frau Ministerin, welchen Stellenwert haben im aktuellen Finanzansatz die logistischen Fähigkeiten der Armee?

Die Mobilität auf dem Boden soll durch geschützte Fahrzeuge und Transportfähigkeiten hochbewegliche Fahrzeuge für Spezialeinsatzkräfte und die Infanterie sowie durch geschützte Pionier- und Sanitätsfahrzeuge erreicht werden. Hier sprechen wir unter anderem von Transportfahrzeuge Mobilität, etwa weitere Mannschaftstransportpanzer in unterschiedlicher Ausführung.

Die Einsätze des Österreichischen Bundesheeres erstrecken sich österreichweit. Die Einsätze finden und unter anderem überwiegend im urbanen, aber auch alpinen Umfeld statt oder auch im Bereich vom Schutz der kritischen Infrastruktur sowie Assistenzeinsätze. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind aber auch im Rahmen von Naturkatastrophen immer wieder gefordert. Sie sehen, die Bandbreite ist sehr groß und Bedarf auch einer hohen Beweglichkeit unserer Truppen. Wir sprechen daher von großen Entfernungen. Und diese eingesetzten Kräfte müssen stets auch versorgt werden.

Durch eine funktionierende Versorgung, insbesondere auch Sanitätsversorgung, können sich die Soldaten voll auf ihre Einsätze konzentrieren. Und gleichzeitig wird dadurch die Durchhalte- und Leistungsfähigkeit des gesamten Österreichischen Bundesheer erhöht. Und weil die Mobilität und Logistik beim Bundesheer einen wesentlichen Faktor darstellen, ist es enorm wichtig, dass wir in diese Bereiche investieren und im Zuge unseres Aufbauplans 2032+ modernisieren. In diesem Bereich werden wir rund 5,6 Milliarden bis 2032 investiert werden.

Herr General, welche Kriterien sind für Sie besonders wichtig, die moderne LKW für den militärischen Gebrauch erfüllen müssen?

Moderne Lastkraftwagen sollen ein breites Spektrum an Ansprüchen des militärischen Gebrauches erfüllen. Die Fahrzeugsysteme sollten je nach Verwendung über eine mittlere, hohe oder extrem hohe Mobilität verfügen und abhängig vom Einsatz sollten sie mit geschützten Kabinen (Fahrerhäuser) ausstattbar sein. Für die militärischen Zwecke ist die Tarnfähigkeit (spezielle Lackierung, IR-Tarnbeleuchtung etc.) obligatorisch. Die Fahrzeuge müssen robust, langlebig, zuverlässig und sie müssen auch in unterschiedlichen Klimazonen leicht handhabbar sein. Das Angebot sollte die vollständige Palette (Logistische Gleichheit) der geschützten und ungeschützten Transport-, Führungs- und Funktionsfahrzeuge zur Standardisierung der ÖBH-Flotte erfüllen. Ganz wesentlich ist hierbei die Versorgbarkeit mit Ersatzteilen und Betriebsmittel, Werkzeugen und für die Nutzung sollte eine möglichst einfache Infrastruktur von Nöten sein. Alle diese Eigenschaften zusammen sollten naturgemäß wirtschaftlich, kostengünstig und umweltfreundlich sein.

Frau Ministerin, die Rheinmetall MAN Military Vehicles-LKWs bewähren sich bei zahlreichen Streitkräften im Einsatz. Gab dies auch einen Ausschlag für die Beschaffung?

Rheimetall MAN ist ein langjähriger Partner des Österreichischen Bundesheeres. Nicht nur, dass sich diese Fahrzeuge bereits bei zahlreichen Einsätzen unserer Streitkräfte bewährt haben, ist die Produktion, die sich ja auch unter anderem in Wien Simmering befindet, ein wesentlicher Bestandteil für Österreichs Wirtschaft.

Herr General, welche Stellen des Bundesheeres sind in den Beschaffungsprozess eingebunden und an welchen Schnittstellen erfolgt die Kooperation mit Rheinmetall? Wie stellt sich die Kooperation in der Praxis dar?

Die Bereitstellung von Gütern für das Österreichische Bundesheer (ÖBH) ist grundsätzlich eine Aufgabe meiner Direktion 5, Beschaffung. In die Beschaffungsprozesse sind jedoch eine Vielzahl von anderen Fachbereichen des Bundesministeriums für Landesverteidigung eingebunden, um ein Rüstungsgut der Truppe verwendungsreif zur Verfügung stellen zu können. Beispielhaft können die Bereiche Strukturplanung, Organisationsplanung, das Amt für Rüstung und Wehrtechnik, der Infrastrukturbereich, die interne Revision oder auch der Ausbildungsbereich angeführt werden.
Bei Fahrzeugen der Firma RMMV ist die zuständige Systemabteilung die Abteilung Fahrzeuge, Gerät und persönliche Ausrüstung (FGP), in welcher die Abwicklung derartiger komplexer Rüstungsvorhaben federführend stattfindet.

Die Kooperation mit RMMV und dem ÖBH gestaltet sich, in aller Kürze, auf Basis der bestehenden Rahmenverträge der Bundesbeschaffungsgesellschaft, in der Praxis wie folgt: Durch die verantwortliche Systemabteilung Fahrzeuge, Geräte und Persönliche Ausrüstung (Abteilung FGP) wird der Bedarf des Österreichischen Bundesheeres im Bereich des jeweiligen Fahrzeuges an RMMV kommuniziert. Gemeinsam wird das Anforderungsprofil erarbeitet und als Ergebnis wird ein entsprechendes Angebot an die Systemabteilung FGP übermittelt. Nach intensiven Verhandlungen und gegebenenfalls erfolgtem Auftrag an die Firma RMMV wird das betreffende Projekt bis zur Auslieferung an das ÖBH durch die Systemabteilung begleitet. Hierbei erfolgt ein wesentlicher Beitrag durch die begleitende Bauaufsicht und die abschließende Güteprüfung des fertigen Fahrzeugs durch das Fachpersonal des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik.

Frau Ministerin, Sie haben neulich das Werk in Wien-Liesing besucht. Welchen Eindruck hatten Sie?

Ich konnte mir im Rahmen meines Besuches ein äußerst positives Bild von diesem, aus meiner Sicht in Österreich, einzigartigen Kompetenzzentrum für die Herstellung von geschützten und ungeschützten logistischen Militärfahrzeugen, machen. Die von mir wahrgenommene Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen war für mich spürbar. Mit dieser Motivation ist auch gemeinsam unser Slogan ‚Mission vorwärts‘ durch konkrete Umsetzungsmaßnahmen erfüllbar.

Herr General, wie schätzen Sie die Bedeutung des Werks Liesing für die sicherheits- und Verteidigungsindustrie Österreichs ein?

In Hinsicht auf die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist die Bedeutung des RMMV Werks in Wien Liesing eine signifikante Größe. Für das Österreichische Bundesheer ist es von besonderer Bedeutung, sich auf derartige Rüstungsindustrieansiedlungen abstützen zu können. In bin allerdings der Meinung, dass dieses Werk in Liesing weit über unsere Staatsgrenzen „militärische Wirkung“ entfaltet, da ja auch eine Vielzahl von anderen Armeen mit signifikanten Stückzahlen von Fahrzeugen, welche in Wien produziert wurden, beliefert werden.

Die Entwicklungen in sicherheits- und verteidigungspolitischer Hinsicht in den letzten Monaten aber auch Jahren zeigten zunehmend die Notwendigkeit einer möglichst autarken heimischen Streitkraft, abgestützt auf potente Partner in der Wirtschaft, um auf die Herausforderungen die auf Europa in den nächsten Jahren zukommen, passende Antworten zu haben.

Das Interview führte Dr. Jan-Phillipp Weisswange

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