Mehr Personality, bitte!
14. Oktober 2024
Über mehr als 100 Jahre war der Begriff Thermomanagement ein Synonym für Technologien, die ihren Einsatz in klassischen Verbrennungsmotoren fanden. Wer jetzt denkt, in der Elektromobilität hätten sie nichts mehr zu suchen, ist auf dem Holzweg. Eine Transformation der besonderen Art.
Gut aufgestellt für die Transformation
„Unser Ziel sind 25 Prozent Umsatzanteil des Industriesektors in 2030“, sagt Frank Kemmerling, Leiter Thermomanagement Division Power Systems. Das Portfolio des von ihm verantworteten Bereichs verfolgt unter anderem mit Thermomodulen (l.) sowie Hochvoltpumpen (r.) einen breiten Technologieansatz.
Der technische Wandel in der Automobiltechnik führt auch bei Zulieferern naturgemäß zu einem Umdenkungsprozess. Aber die Auffassung, Entwickler von Hybrid- und Elektroantrieben müssten von vorne bis hinten Neuland betreten, ist – zumindest in Teilen – absolut falsch. Die Wahrheit ist, dass gerade im Bereich Thermomanagement auf vorhandene Entwicklungserfahrung sogar zwingend zurückgegriffen werden muss, denn es geht bei vielen Systemen auch hier darum, die richtige Betriebstemperatur von Antrieb, Leistungselektronik, Getriebe oder Batterie sicherzustellen. Von der Klimatisierung des Innenraums ganz zu schweigen. Hinzu kommen bisher nicht bekannte oder eingesetzte Komponenten, die in ihrer Entstehung aber ihrerseits von der Erfahrung ihrer Entwickler profitieren.
Last man standing
In der aktuellen Marktsituation spielt aber auch der ständige Wandel des Kaufverhaltens eine wichtige Rolle, wie Frank Kemmerling erläutert, der in der Division Power Systems von Rheinmetall den Bereich Thermomanagement verantwortet: „Wir haben uns vor Jahren im Rahmen unserer ‚Last man standing‘-Strategie gegenüber den weltweiten Automobilherstellern comittet, weiter Komponenten für Verbrennungsmotoren anzubieten und zu liefern, solange diese nachgefragt werden. Das hat uns von vielen anderen Zulieferern unterschieden, die diese verbrennerbasierten klassischen Systeme für sich schon mehr oder weniger abgeschrieben hatten. Aber wir stellen jetzt auf einmal fest, dass OEMs (Original Equipment Manufacturer, hier: Automobilhersteller) ihre Kapazitäten bei Verbrennungsmotoren und Hybridfahrzeugen wieder hochfahren.“ Für Kemmerlings Bereich im Nachhinein eine weise Entscheidung, denn in Hybridsystemen steckt natürlich immer auch ein Verbrennungsmotor, der klassische Komponenten aus dem Portfolio der Neusser benötigt.
In der Tat erfahren Hybridsysteme zurzeit eine Renaissance und es gibt sogar einen deutschen Hersteller, der mittlerweile kurz davor steht, eine zweite Generation von Hybridantrieben auf den Markt zu bringen, und zudem seine Entwicklungskapazitäten für klassische Antriebe erneut verstärkt. Aber auch andere internationale OEMs bauen derzeit wieder ihre Ressourcen für Verbrennungsmotoren aus.
Kapriolen des Marktes
Hintergrund dürfte sein, dass das angekündigte „Aus“ für Verbrenner in Europa im Jahre 2035 in den Augen vieler womöglich doch noch nicht endgültig ist. Kemmerling weiter: „Wir wurden schon von Kunden angesprochen, dass wir uns darauf vorbereiten sollten, künftig wieder mehr Komponenten für Verbrenner zu liefern.“ War man früher davon ausgegangen, dass Hybridfahrzeuge lediglich eine Übergangslösung hin zu reinen batterieelektrischen Antrieben darstellen, sieht er aktuell selbst trotz beendeter Förderung den entgegengesetzten Trend. Eine Kapriole der Automobilgeschichte, die den Neussern jetzt zugutekommt: Wo sich die reine Elektromobilität zurzeit etwas schwertut, erfolgt eine Kompensation durch zunehmende Hybrid-Applikationen. Und da in einem Hybridfahrzeug immer auch ein Verbrenner steckt, gehen bei Kemmerling die Stückzahlen hoch.
Das ist gleich in doppelter Hinsicht erfreulich. Für ihn verlängert sich zum einen die Laufzeit seiner traditionellen Produkte und damit auch deren Rentabilität. Zum anderen erhält er auf diese Weise Zeit und finanzielle Ressourcen, um auf Basis des vorhandenen Know-hows und seines Produktportfolios Entwicklungen für künftige vollelektrische Antriebe voranzutreiben. Dass diese Transformation – wenn auch mit etwas Verzögerung – in absehbarer Zeit kommen wird, daran zweifelt der Manager indes nicht.
Dennoch gehe man hier auch mit besonderer Vorsicht voran und will in der Verbrenner- und Hybridtechnik weitestgehend auf bestehende Produktfamilien zurückgreifen, um den Entwicklungsaufwand möglichst gering zu halten. Das, so Kemmerling, passe aber auch zum Vorgehen der OEMs, die in der Regel keine komplett neuen Motoren entwickeln, sondern sich mit einem Facelift begnügen, gleichzeitig aber ihre Kapazitäten für Verbrennungsmotoren hochfahren.
Aber auch für Thermomodule in automobilen Anwendungen tut sich ein enormer Zukunftsmarkt auf. In Neuss setzt man auf ein mit Propan betriebenes Kältemittelsystem mit hoher Effizienz. Kemmerling ist sich sicher, die Performance- und Effizienzvorteile der Propanlösung gegenüber CO2 oder chemischen Kältemitteln bringen den OEMs Kostenvorteile im Gesamtsystem. Jede Effizienzsteigerung ist zudem ein weiterer Beitrag in der globalen Energiewende und es ist nicht zu vergessen, dass ein Großteil der Hauptkühlleistung moderner batteriebetriebener Elektrofahrzeuge in erster Linie für die Phasen des Hochvoltladens benötigt wird, in denen sich die Akkuzellen extrem aufheizen.
Dreisprung der Transformation
Nach heutigem Stand wird in der Division Power Systems das derzeitige Geschäft mit mechanischen Komponenten für Verbrennungsmotoren bis zum Jahr 2030 in gleichem Umsatzumfang durch elektrische Komponenten für die E-Mobilität sowie für Industrieanwendungen ersetzt werden. Darüber hinaus wird der Bereich in einer vergleichbaren Größenordnung Wachstum über Module und Systeme für das Thermomanagement oder in der Wasserstofftechnologie generieren.
Transformation geht weiter
Auch angesichts dieser positiven Anzeichen lässt der Bereich dennoch die zukünftige Entwicklung der Mobilität nicht außer Acht und das Ziel einer angestrebten Transformation des Portfolios hin zu neuen Antriebsformen hat nach wie vor höchste Priorität. Und mehr sogar: Kemmerling versteht unter einer „Transformation“ nicht nur die bloße Umstellung vom Verbrenner auf den Elektroantrieb. Seine klare Fokussierung zielt außerdem darauf, die Abhängigkeit von der Automobiltechnik mittelfristig weiter zu reduzieren, und dabei spielt auch das Thermomanagement eine gewichtige Rolle.
Zu den angepeilten und bereits durch Aufträge unterlegten neuen Geschäftsfeldern gehört unter anderem die stationäre Wärmepumpentechnik. Ein riesiger und für ihn dementsprechend wichtiger Markt. Als großer Vorteil der Neusser erweist sich hier, dass Module aus der Automobiltechnik mit nur geringfügigen Modifizierungen auch im industriellen Bereich Anwendung finden können.
Hinzu kommt als wachsender Sektor für Nachhaltigkeit und CO2-Reduzierung auch die Einführung der Wasserstofftechnologie. Beauftragt wurde er im Bereich Thermomanagement zudem bereits mit einem Wasserstoffrezirkulationsgebläse sowie einer Hochvoltkühlmittelpumpe für Brennstoffzellenstacks. Insgesamt konzentriert man sich im gesamten Unternehmen unter dem Schlagwort „Balance of Plant“ um die Ausstattung der gesamten Peripherie von Brennstoffzellen. Dazu zählen neben den genannten Modulen auch Produkte aus anderen Unternehmensbereichen, wie beispielsweise Kathoden- und Anodenklappen oder Ventile. Die Wasserstofftechnologie ist mittlerweile derart wichtig geworden, dass dafür sogar ein eigenes Geschäftsfeld geschaffen wurde.
Aber auch für Thermomodule in automobilen Anwendungen tut sich ein enormer Zukunftsmarkt auf. In Neuss setzt man auf ein mit Propan betriebenes Kältemittelsystem mit hoher Effizienz. Kemmerling ist sich sicher, die Performance- und Effizienzvorteile der Propanlösung gegenüber CO2 oder chemischen Kältemitteln bringen den OEMs Kostenvorteile im Gesamtsystem. Jede Effizienzsteigerung ist zudem ein weiterer Beitrag in der globalen Energiewende und es ist nicht zu vergessen, dass ein Großteil der Hauptkühlleistung moderner batteriebetriebener Elektrofahrzeuge in erster Linie für die Phasen des Hochvoltladens benötigt wird, in denen sich die Akkuzellen extrem aufheizen.
Verschiedene Systeme
Kemmerling konzentriert sich derweil sogar auf zwei Varianten von Thermomodulen, die er seit Neuestem anbietet. Auf der einen Seite steht ein durch Wasser gekühltes System. Hier wird Wasser aus einem Vorratsbehälter mittels verschiedener Ventile geregelt und durch elektrische Pumpen unterschiedlicher Leistungsklassen zu den entsprechenden „Einsätzen“ im Fahrzeug befördert. Alle dazu notwendigen Produkte sind im Haus bereits vorhanden und können deshalb sehr schnell integriert werden. Auf der anderen Seite steht das Kältemodul mit einem Klimakompressor sowie einem Expansionsventil und einem Wärmetauscher als Peripherie.
Seit einiger Zeit verzeichnen die Neusser den Trend der OEMs, beide Module in einem System zusammenzuführen. Eine umfangreiche Komponente, die zudem von nur einem Lieferanten bezogen werden soll, der dann auch die Auslegung des Gesamtsystems übernimmt. Ein weiterer Schritt in der Übertragung von Entwicklungsleistungen der Hersteller an ihre Zulieferer.
Aus diesem Grund ist es für Kemmerling besonders wichtig, die lange Tradition der Systemkompetenz seines Unternehmens noch stärker als bisher weiterzuführen: „Wir sind tief in der Entwicklung von Thermomodulen zur wasserbasierten Kühlung und hoffen, hierfür in diesem Jahr das erste Geschäft zu buchen. Darüber hinaus starten wir zurzeit mit der Integration eines Gesamtsystems in ein Demofahrzeug, in dem alle unsere Komponenten, also auch das Kältemittelmodul, enthalten sind.“
Elektrik kompensiert Mechanik
Ein ähnlich breiter Ansatz zeigt sich beim Thema Pumpen. Kemmerling bietet im Sinne seiner Strategie die vorhandenen rein mechanischen Öl-, Vakuum- und Kühlmittelpumpen auch weiterhin so lange an, wie diese nachgefragt werden. Aber er wird mechanische Technologien nicht weiterentwickeln. Sie werden sukzessive kompensiert durch elektrische Varianten, die aber ihrerseits auch bereits vor einem Wandel von 12-Volt-Applikationen für konventionelle Verbrenner hin zu Hochvoltkomponenten für Fahrzeugarchitekturen mit 400 oder gar 800 Volt stehen.
Der Bereich konnte hier mit einer Hochvoltpumpe mit 2.000 Watt eine Weltmarktposition erlangen, was naturgemäß zu entsprechenden Geschäftserfolgen geführt hat. So gewann Kemmerling in den vergangenen 18 Monaten acht bis zehn neue Kunden für dieses Produkt und weitere namhafte Ordervolumina zeichnen sich bereits ab. Während die Variante mit 2.000 Watt ihren Einsatz in Nutzfahrzeugen findet, wird man künftig skalierbare Modelle mit Leistungen zwischen 1.000 und 3.000 Watt als modulares System anbieten. Die derzeitige Marktführerschaft in diesem Produktsektor soll auf diese Weise behauptet und weiter ausgebaut werden. Dies auch durch den Einsatz neuer, gewichtssparender Konstruktionsmaterialien oder die Anpassung seiner Pumpen an weitere zu fördernde Medien, wie zum Beispiel synthetisches Kühlgemisch. Es zeigt sich: Transformation braucht innovative Ideen, sicher auch Geduld, aber vor allem Erfahrung.
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