Vom Kopf in die Maschine
11. Oktober 2024
29. November 2022
Autonom betriebene Fahrzeuge für den zivilen Einsatz sind zurzeit in aller Munde. Aber während viele Hersteller und Dienstleister sich im Hinblick auf den künftigen Einsatz im Straßenverkehr noch die Zähne ausbeißen, hat Rheinmetalls Lösung für Geländeanwendungen schon mehrfach ihre Stärken unter Beweis gestellt.
Die Rede ist vom Mission Master, einem landgebundenen Unterstützungsfahrzeug für vielfältige Einsatzzwecke. Der knapp drei Meter lange und 1100 Kilogramm schwere Vierachser wird durch zwei separate Elektromotoren angetrieben. Dadurch ist der Mission Master mit seinen acht geländegängigen Reifen extrem wendig und kann sogar auf der Stelle drehen. Seine elektrische Ladekapazität auf Basis von Lithium-Ionen-Akkus ermöglicht ihm eine Einsatzzeit von acht Stunden, in denen er bis zu 30 km/h schnell unterwegs sein kann. Dabei bewältigt er sogar Steigungen von 40 Prozent und „klettert“ selbst Treppen hinauf. Und auch vor stehenden Gewässern schreckt der mobile Helfer nicht zurück. Dank seiner Kapselung und seines besonderen Reifenprofils durchquert er Wasserhindernisse mit bis zu 5 km/h. Und auch auf dem Untergrund Schnee kommt er, unterstützt durch eine Überwurfkette, voran.
Preisgekrönter „Muli“
Das alles macht er unbemannt und eignet sich so mit einer Zuladung von 600 Kilogramm für die unterschiedlichsten Aufgaben. Sein großes Plus ist sein geräuschloses Auftreten, denn er ist wie jedes Elektrofahrzeug flüsterleise unterwegs und entlastet dabei den Menschen nicht nur durch seine Transportstärke. Schon 2018 gewann er im belgischen Lens den ersten Preis in der Kategorie „Transport/Muli“ beim European Land Robot Trial (ELROB), einem alle zwei Jahre stattfindenden Wettbewerb für unbemannte Landfahrzeuge.
Durch seine autonome Architektur mit Namen PATH verfügt das Fahrzeug über mehrere Betriebsmodi. Es kann per Tablet, durch eine Einhandsteuerung oder sogar mittels einer Smartwatch dirigiert werden. Natürlich erlaubt es auch die Integration in digitale Einsatzsysteme. Ebenso ist eine bildschirmgestützte Fernsteuerung des Fahrzeugs möglich.
Dem Mission Master kann der Auftrag erteilt werden, einem Fahrzeug oder einem Menschen in einem vorgegebenen Abstand zu folgen. Der Bediener, der übrigens eine ständige Eingreifmöglichkeit hat, könnte aber auch einen Punkt auf einer Karte auswählen, zu der sich das Fahrzeug bewegen soll. Alternativ wird eine vorgegebene Route an den Mission Master gesendet, die er abfahren soll. Beispielsweise auf Waldwegen kann ihm aber auch der Auftrag erteilt werden, einen bestimmten Punkt auf kürzester Distanz über ein vorher eingespeichertes Wegenetz zu erreichen.
Und damit nicht genug: Der Mission Master kann feste Routen zwischen Fixpunkten abspeichern, denen er anschließend immer wieder folgt und so beispielsweise Versorgungsstellen anfährt, um Nachschub an Material zu besorgen. Diese Funktionen gelten bisher nur für den Einsatz im Gelände und nicht für den Straßenverkehr. Aber gerade dort herrschen besondere Bedingungen, wie Dr. Marc Lemmermann erläutert, der die regionale Geschäftsfeldentwicklung des Mission Masters in Europa betreut: „Im Gelände gilt ein anderes Grundverständnis für das autonome Fahren. Daher benötigt ein Fahrzeug dort eine andere Sensorik als auf der Straße, beispielsweise für Gräben oder Hindernisse, die es im öffentlichen Verkehr nicht gibt.“
Je nach Einsatzzweck verfügt der Mission Master dank PATH auch über Fähigkeiten im Bereich künstlicher Intelligenz. Das betrifft unter anderem die Objekterkennung und -klassifizierung durch das eigene Kamerasystem. Erweiterte Wahrnehmungsalgorithmen ermöglichen zudem ein planvolles und sicheres Umrunden von Hindernissen. Mit einem anderen Feature setzt er zum Beispiel auf Basis seiner Sensorendaten eine Karte und auch ein 3D-Modell der Geländeoberfläche zusammen, die ihm nicht nur helfen, gefährliche Passagen sicher zu umrunden, sondern auch dann weiterzufahren, wenn kein GPS-Signal vorliegt.
Verantwortlich für die Entwicklung des Systems ist Rheinmetall Canada. Das Unternehmen wird in diesem Jahr auch eine Konfiguration vorstellen, in der mehrere Fahrzeuge als Team operieren und dabei von nur einer Person gesteuert werden. Dr. Lemmermann dazu: „Wir sind technologisch mit dem Mission Master im Wettbewerb weit vorn und müssen jetzt aber diesen Entwicklungs-Speed beibehalten. Vor allem aber gilt: Elektro ist unschlagbar!“
Was das autonome Fahren angeht, werden Teile der in Kanada entwickelten Technologie auch künftig im Bereich Automotive genutzt werden. Dazu bestehen bereits Konzepte, in die auch noch weitere Entwicklungseinheiten von Rheinmetall einbezogen sind. Das solchermaßen genutzte umfassende Know-how des Konzerns führt damit wiederum zu neuen Lösungen und Dienstleistungen.
Beim autonomen Fahren im Gelände ist der Mission Master auf „Level 4“ unterwegs, weil er unter den meisten Einsatzbedingungen keinen menschlichen Eingriff mehr benötigt. Dennoch ist Letzterer natürlich immer gegeben und der Mensch hat auch hier „das letzte Wort“.
Für das Unterstützungsfahrzeug sind je nach Einsatzzweck unterschiedliche Pakete erhältlich. Diese erstrecken sich von der reinen Transportfunktion über eine Ausstattung als Rettungsfahrzeug für Verwundete sowie als Überwachungs- oder Kommunikationsstelle bis hin zur bewaffneten Unterstützung, beispielsweise in für Soldaten besonders gefährlichen Situationen.
Gedacht war der Mission Master ursprünglich als Technologieträger, um den mittlerweile erreichten Entwicklungsstand beim autonomen Fahren demonstrieren zu können. Außerdem ist geplant, die dort verwendete Technologie auch in anderen Fahrzeugen, zum Beispiel in militärischen Lkws, einzusetzen. Dass er spontan als Unterstützungsfahrzeug angenommen wurde und mittlerweile von mehreren internationalen Streitkräften im Einsatz getestet wird, stimmt hoffnungsvoll. Vielleicht eignet er sich ja mittelfristig ebenso für zivile Einsätze, an denen es, beispielsweise in der Landwirtschaft, im Baugewerbe oder im Bergbau, nicht mangeln dürfte. Der Mission Master macht jedenfalls vieles „possible“.
(Artikel ursprünglich vom 19. März 2021)
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