Transportflugzeuge versorgen Streitkräfte auch an den entferntesten Einsatzorten. Eine wichtige Aufgabe, bei der es wesentlich darauf ankommt, wie gut die Fachkräfte – vom Piloten bis zum Mechaniker – mit dem jeweiligen Flugzeugtyp vertraut sind. Simulationstechnologie von Rheinmetall ist ein Garant für die beste Ausbildung der Profis.
Ob Bündnisverteidigung an den äußeren NATO-Flanken, ob Krisenreaktionseinsätze auf fernen Kontinenten: Streitkräfte müssen weltweit versorgt werden können. Hierzu dienen unter anderem der taktische und strategische Lufttransport. Die europäischen NATO-Partner stützen sich hierfür auf verschiedene Transportflugzeuge. Hierzu zählt die A400M, welche derzeit Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Spanien und die Türkei sowie Malaysia betreiben. Deutschland und Frankreich bauen zudem ein gemeinsames C-130J-Geschwader auf. Portugal, Ungarn und die Niederlande setzen überdies auf die KC-390.
Um die Profis, die diese Maschinen fliegen, mit ihnen arbeiten oder sie warten, ausbilden und in Übung halten zu können, kommt bewährte Simulationstechnologie von Rheinmetall zum Einsatz. „Realitätsnahe Trainingssysteme ermöglichen eine umfassende Ausbildung unabhängig von der Verfügbarkeit des Originalgeräts“, so erläutert Doris Lilkendey, die Produktbereichsleiterin Flugsimulation bei Rheinmetall Electronics, den Zweck moderner Simulatoren. „Selbst komplexe Szenarien und Notfallsituationen können gefahrlos trainiert werden. Somit können die Soldatinnen und Soldaten gut vorbereitet und qualifiziert in ihre Einsätze gehen.“
Das Spektrum der Simulationstechnologie reicht von einfachen Lernprogrammen, die auch mit modernen Mixed Reality-Technologien unterstützt werden, über maßstabsgetreue Nachbauten bis hin zur komplexen Pilotenausbildung in Full-Mission-Flugsimulatoren als „Königsklasse“. „Wir sind der kompetente Trainingspartner für den taktischen und strategischen Lufttransport“, unterstreicht Doris Lilkendey.
Partner der Flugzeughersteller
Als enger Partner des A400M-Herstellers Airbus trägt Rheinmetall wesentlich zur Ausbildung der Besatzungen des europäischen Transportflugzeugs bei. Gleiches gilt für die von Lockheed Martin produzierte C-130J: Als dessen Unterauftragnehmer ist Rheinmetall gemeinsam mit Thales Frankreich mit der Zertifizierung und dem operativen Betrieb des zukünftigen Trainingszentrums für die deutsch-französische C-130J-Transportflugzeugflotte beauftragt worden. Die Zertifizierung des in Evreux ansässigen Trainingszentrums als Approved Training Organisation (ATO/MTO) umfasst das Aufsetzen der Trainingsorganisation und dann die Durchführung des Trainingsbetriebes ab Ende 2023 mit entsprechend qualifiziertem Ausbildungspersonal.
Der traditionsreiche brasilianische Hersteller Embraer wiederum hat Rheinmetall exklusiv mit der Entwicklung und Lieferung der gesamten Trainingsmittel für das brandneue Transportflugzeug KC-390 beauftragt. Dieses umfasst die gesamte Breite der Besatzungsausbildung, von Cargo Handling Station-Trainern über Cockpit Procedure-Trainern bis hin zum Full-Mission-Flugsimulator, der originalgetreu alle Funktionalitäten des Luftfahrzeugs nachbildet und das komplette Spektrum an Trainingsmöglichkeiten bietet. „Mit unseren Full-Mission-Flugsimulatoren für die KC-390 haben wir unsere Kompetenzen auch auf die Pilotenausbildung für komplexe Transportflieger massiv erweitert“, so Lilkendey.
Ausbildung in originalgetreuer Umgebung
Für die praktische Ausbildung der technischen Ladungsmeister und des Luftumschlagpersonals von Transportflugzeugen eignen sich Geräte in Originalgröße – so wie die unterschiedlichen Frachtladeraumsimulatoren, die Rheinmetall unter anderem im Rahmen des A400M-Projektes an fast alle oben genannten Nutzernationen bereits ausgeliefert hat. Das Unternehmen ist mit über 40 Jahren Expertise in Simulationstechnologie Weltmarktführer im Bau von Load Master Work Station-Trainern und Cargo Hold-Trainern (CHT) für das Transportflugzeug A400M.
Die Systeme eignen sich sowohl zur Erst- als auch zur Fortgeschrittenen- sowie Wiederholungs- und Einsatzausbildung. Ebenso lassen sich gefahrlos schwierige Manöver wie beispielsweise das „Air-Drop“-Verfahren üben. „Der wesentliche Zweck des CHT-E(nhanced) – die höchste Ausbaustufe – ist es, der Laderaumbesatzung und dem Bodenpersonal eine realistische Ausbildung zu ermöglichen, ohne jedoch wertvolle Flugzeugbetriebsstunden in Anspruch nehmen zu müssen“, so Doris Lilkendey. „Hierzu zählen missionsspezifischer Umbau des Laderaumes, Vorbereitung der Ladung, das Be- und Entladen sowie Standardtätigkeiten während des Fluges und am Boden sowie die Zusammenarbeit mehrerer Crews.“
Erst Ende September 2022 erhielt die deutsche Luftlande- und Lufttransportschule im ober- bayerischen Altenstadt einen A400M-Frachtladeraumsimulator Cargo Hold Part Task-Trainer (CPTT). Ein zweiter wird zeitnah beim Lufttransportgeschwader 62 in Betrieb genommen. Die CPTTs sind auf die spezifischen Aufträge der jeweiligen Ausbildungseinrichtung zugeschnitten. Darüber hinaus lassen sich Prozeduren und Konfigurationen für neue Ladungstypen evaluieren, testen und qualifizieren.
In der Königsklasse gibt es ebenfalls Erfolge. Die Werksabnahme des ersten KC-390 Full Mission-Simulators wurde im August 2022 erfolgreich bei Rheinmetall in Bremen durchgeführt. „Die Testpiloten aus Brasilien sind begeistert“, so Lilkendey. „Und auch portugiesische und niederländische Piloten haben die KC-390 bei uns im Simulator bereits geflogen und sind richtig beeindruckt – sowohl vom Flugzeug, als auch von unseren Simulatoren.“ Vom Handling des Luftfahrzeugs und Üben von Notverfahren über das Training von komplexen Missionsszenarien bis hin zur Luftbetankung können KC-390-Piloten im Full Mission-Simulator (FMS) realistisch trainieren. Die Entwicklung des FMS erfolgte entsprechend den internationalen Ausbildungsstandards der EASA und FAA und lässt eine Zertifizierung nach höchstem Standard, dem sogenannten Level D zu. Nach dem Erstkunden Brasilien hat auch Portugal bereits einen FMS bestellt.
Simulations-Technologie von Rheinmetall
Für Transportflugzeuge:
• Embraer KC-390
• Airbus A400M
• Lockheed Martin C-130J
Für Hubschrauber:
• NHIndustries NH90
Es mutet an wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film: Ein normales Auto rollt durch die Straßen und bremst ganz selbstverständlich für Passanten, die die Straße überqueren wollen, aber es sitzt kein Fahrer darin!
Scheinbar von Geisterhand gesteuerte Fahrzeuge sind heute jedoch keine Zukunftsvision mehr, sondern dürften schon bald zum alltäglichen Stadtbild gehören. So befindet sich im Düsseldorfer Industriehafen bereits ein von der Bezirksregierung, der Landeshauptstadt und dem TÜV Rheinland als Pilotregion und Reallabor freigegebener Betriebsbereich.
Möglich wird dies durch die Technologie des teleoperierten Fahrens. Dabei ist das betreffende Auto über ein sogenanntes Drive by Wire-System fernsteuerbar und ist zudem mit umfassenden Kameras, Telekommunikationseinrichtungen und Cybersicherheitssystemen ausgerüstet. Der „Fahrer“ sitzt indes fernab in einer Kontrollstation mit allen Funktionen und Bedieneinheiten eines „normalen“ Fahrerstands. Der Blick aus dem Fahrzeug wie auch die Ansichten von Seiten- und Rückspiegeln werden über große Monitore übertragen. Ein entscheidender Sicherheitsfaktor: Die Kamerabilder wie auch alle Bedienschritte des Fahrers werden dank moderner 5G-Mobilfunktechnik nahezu in Echtzeit mit nur minimalsten Latenzzeiten umgesetzt. So erhält der Tele-Driver jederzeit ein genaues Abbild der Verkehrssituation.
Diese und weitere Zukunftstechnologien entwickelt Dr. Peter Seggewiß mit den Mitarbeitern des Rheinmetall Technology Center (RTC GmbH). Ziel der divisionsübergreifenden Vorentwickler ist es, technologische Trends frühzeitig zu erkennen, sie aufzugreifen und die daraus resultierenden Innovationen so weit zu konzipieren, dass sie schließlich an eine Rheinmetall-Division über- geben oder in eine mögliche neue operative Einheit ausgegründet werden können. Dort erfolgt die Weiterführung sowie die Industrialisierung der Projekte. Geleitet wird das RTC als Teil der Zentralfunktion „Research Technology and Innovation“ von Rheinmetall durch die Technologie-Chefs (CTOs) der zivilen und militärischen Divisionen des Rheinmetall-Konzerns, Heinrich Dismon und Klaus Kappen.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Gute Marktchancen für die neue Technologie rechnen sich die Geschäftsführer bereits im zivilen Sektor aus, denn die möglichen Nutzer sind vielfältig. Sie beinhalten Autoverleiher, Shuttle- dienste, Logistik oder Transport, den ÖPNV so- wie Nutz- und Spezialfahrzeuge. Nicht zuletzt ist der Einsatz auf Flughäfen, auf Hafengeländen, in Kraftwerken oder im Bergbau denkbar. Gleiches gilt für den privaten Bereich, wenn der Fahrer einmal nicht selbst am Steuer sitzen will oder auch nur sein Fahrzeug teleoperiert abstellen lässt.
„Aber insbesondere im militärischen Bereich“, ergänzt Kappen, „wird Teleoperation der Enabler für die Automatisierung von Fahrzeugen sein, beispielsweise bei logistischen oder auch bei taktischen Fahrzeugen in besonders kritischen Bereichen.“
Damit erstreckt sich das avisierte Geschäftsfeld auf zivile und militärische Ebenen. Bei den konzerneigenen technischen Einrichtungen zur Umsetzung der Teleoperation unterscheidet man zudem das reine Tele-Driving vom sogenannten Tele-Assist. Beim Tele-Driving werden nicht automatisierte Fahrzeuge bis zum SAE Level 3 per Teleoperation gesteuert. Tele-Assist ermöglicht es hingegen, Fahrzeuge nach SAE Level 4 und 5 im Falle nicht lösbarer Fahraufgaben kurzzeitig an eine technische Aufsicht zu übergeben. Dort über nimmt ein Teleoperator und assistiert so lange, bis das Fahrzeug wieder in den automatisierten Betrieb zurückgegeben werden kann. „Dank Tele-Assist rückt das autonome Fahren nach Level 4 oder 5 schneller in realisierbare Nähe, da nur hiermit die sogenannten Edge Cases schon heute zuverlässig beherrscht werden können“, so das Fazit von Dismon.
Indes soll und kann diese zukunftsorientierte Technologie nicht vom Unternehmen Rheinmetall allein zur Marktreife gebracht werden. Aus diesem Grund wurde 2022 die Mira GmbH gegründet, die eine Fülle von Produkten und Dienstleistungen rund um das teleoperierte Fahren für den zivilen Bereich anbietet. Eine Voraussetzung, um auch externe Partner ins Boot holen zu können.
Viele Projekte im Köcher
Aber auch in anderen zivilen und wehrtechnischen Projekten ist das RTC aktiv. Ein toolgestütztes Technologiemanagement und Regelmeetings mit den entsprechenden Technologen und Entwicklern vor Ort sorgen zudem dafür, dass man keine Forschung im Elfenbeinturm veranstaltet. So unterstreicht Kappen: „Der absehbare Nutzen der Entwicklungen des RTC wird in den Führungsgremien des Konzerns fortlaufend auf den Prüfstand gestellt.“ Hinzu kommt, dass substantielle Teilentwicklungen, beispielsweise für das teleoperierte Fahren, bereits heute in operativen Divisionen des Rheinmetall-Konzerns erfolgen. So beim Sichtsystem (Electronics Solutions) oder bei der Hardware und Betriebssoftware der Fahrzeugsteuerung (Vehicle Systems).
Weitere Aktivitäten des RTC mit seinen aktuell 35 Mitarbeitern erstrecken sich beispielsweise auf die Unterstützung der Division Weapon and Ammunition bei der Entwicklung neuer Schutzsysteme für die Marine, die Verbesserung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im innerstädtischen Bereich oder das kamera- und radarbasierte Monitoring bei Fahrzeugen. Letzteres steht in Europa wie in den Vereinigten Staaten kurz vor der Einführung einer gesetzlichen Pflicht und soll unter anderem auch verhindern, dass Kinder oder Haustiere in bestimmten Situationen, wie extremen Außentemperaturen oder starker Sonneneinstrahlung, im Auto unbeabsichtigt zurückgelassen werden. Für die Automobilhersteller ein wichtiges Feature, das außerdem Punkte beim EURO-NCAP bringt. Auch hier kommt künstliche Intelligenz zum Einsatz, sei es bei der Beobachtung des Fahrers im Hinblick auf seine Fähigkeit, das Fahrzeug zu bewegen, oder zukünftig bei der einfachen Erkennung von Personen im Fahrzeug bis hin zur Zugangsautorisierung. Diese in der Entwicklung fortgeschrittene Technologie befindet sich zurzeit in der Phase der Übergabe an die Division Sensors and Actuators, die zunächst noch mit Unterstützung des RTC, dann aber selbstständig die Weiterentwicklung und schließlich die Vermarktung übernehmen wird.
Hier besteht zudem eine Vielzahl weiterer Einsatzmöglichkeiten im zivilen wie im militärischen Sektor. Dazu zählen neben der erwähnten Zugangskontrolle der Status der Passagiere (angeschnallt?, wohlauf?) oder die Einbrucherkennung, um nur einige zu nennen. Vor diesem Hintergrund wurde 2022 ein Joint Venture mit der DERMALOG Identification Systems GmbH gegründet, Deutschlands größtem Biometrieunternehmen. Die neue Rheinmetall Dermalog SensorTec GmbH eröffnet damit Lösungen, die mit Hilfe kamera- und radarbasierter Systeme weit über die Bereiche der bloßen Zustandsbeobachtung des Fahrers und der Innenraumüberwachung hinausgehen.
Pilotprojekte für Ladeinfrastruktur
Wo ist die nächste Ladesäule, ist sie frei und wie groß ist meine Reichweite? Jeder, der einmal ein Elektroauto gefahren hat, kennt diese Überlegungen, zumal die aktuelle Zahl der Lademöglichkeiten in unseren Innenstädten zwar kontinuierlich wächst, aber längst noch nicht ein Level erreicht hat, das uns die Sorge um die nächste Strombetankung nimmt. Hier will das RTC mit einer Entwicklung das innerstädtische Bestandsproblem lösen, denn vielfach besteht aus Platzgründen gar nicht die Möglichkeit, eine ausreichende Zahl konventioneller Ladesäulen zu errichten.
Bordstein schafft Abhilfe
Mit einer in den Bordstein integrierten Ladeeinrichtung könnte man dagegen Abhilfe schaffen. So würden ganze Straßenzüge schnell und mit geringerem Aufwand zum Stromspender mit bis zu 22 kW Ladeleistung. Erste interne Tests haben ein sehr positives Feedback ergeben. Zusätzliches Interesse an einer derartigen Pilot-Ladeeinrichtung besteht auch bereits bei einigen Städten. Die E-Mobilisten werden’s danken.
WAS MIRA ANBIETEN WIRD
• Fälschungssichere Echtzeit- Sichtsysteme für Fahrzeuge
• Funktionale und Systemsicherheit der Steuereinheiten
• Leitstände mit technischer Aufsicht für autonom betriebene Fahrzeuge (L4/L5)
• Steuerstände (Control Stations) für teleoperiertes Fahren
• Cyber-Unit (Cyber-Box) zur Sicherheit der Video-, Steuer- und Personendaten
• Komplettinstallation und Integration
• Inbetriebnahme bzw. Bereitstellung der benötigten Services
• Homologation und Zertifizierung fahrerloser Fahrzeuge
• Personalschulung
Er ist geländegängig, bestens geschützt und äußerst effizient in brenzligen Situationen. Kein Wunder, dass der Survivor R bei Bereitschaftspolizeien präsent ist und bald auch den Fuhrpark der Bundespolizei verstärkt. Im RTL-Dauerbrenner „Alarm für Cobra 11“ durfte sich das Sonderfahrzeug jetzt auch als „Filmstar“ beweisen.
Motoren dröhnen, Tore bersten, Blaulichter flackern, Blendgranaten fliegen. Mit quietschenden Reifen fährt ein dunkelblauer Panzerwagen vor, aus dem Bewaffnete springen und heranstürmen: „Polizei! Keine Bewegung!“ Die eindrucksvolle Szene, in der das geschützte Sonderfahrzeug Survivor R von Rheinmetall sein Können zeigt, spielt sich jedoch nicht im echten Leben ab. Vielmehr ist sie ein Ausschnitt aus dem Film „Unversöhnlich“ der RTL-Erfolgsserie „Alarm für Cobra 11“ mit Erdogan Atalay in der Hauptrolle als Hauptkommissar Semir Gerkhan.
Fiktion und Fakten
Nun haben Fernsehkrimis zumeist wenig mit der Realität des Polizeialltags zu tun. Für den Survivor R hingegen gilt doch: Er kommt immer dann zum Einsatz, wenn die Lage besonders brenzlig werden könnte. Also wenn es zum Beispiel darum geht, besonders „gewalttätige polizeiliche Gegenüber“ – so heißen Ganoven im Amtsdeutsch – festzunehmen oder Menschen aus gefährlichen Umgebungen zu retten.
Traditionell verfügen die deutschen Polizeibehörden des Bundes und der Länder hierzu über besonders geschützte Fahrzeuge – die „Sonderwagen“ oder kurz „SW“. Derzeit befindet sich meist noch der Sonderwagen 4 in den Fuhrparks. Das Ende der 1980er Jahre entwickelte und bewährte Vehikel ist aber unterdessen in die Jahre gekommen. Daher suchten die deutsche Bundespolizei und die Bereitschaftspolizeien der Länder nach einer Ablösung. In einem europaweiten Ausschreibungsverfahren machte der Survivor R um den Jahreswechsel 2021/22 schließlich das Rennen. Das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern orderte 55 Exemplare des geländegängigen und geschützten Mehrzweckfahrzeugs in unterschiedlichen Varianten für die Bundespolizei sowie für die Bereitschaftspolizeien der Länder. Zudem besteht die Option für den Kauf weiterer Exemplare. Im ersten Schritt liefern Rheinmetall und sein Kooperationspartner Achleitner zwei Musterfahrzeuge, mit denen umfangreiche Erprobungen einschließlich einer vollständigen Schutzzertifizierung durchgeführt werden. Zwischen 2023 und 2026 sollen dann voraussichtlich die Serienfahr- zeuge zulaufen. Die Endmontage und Übergabe der Serienfahrzeuge erfolgt bei der Rheinmetall Landsysteme GmbH in Kassel.
Bestens bewährt in mehreren Bundesländern
Während die Beschaffung auf Bundesebene vorangeht, nutzen die Landespolizeien in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und einem weiteren Bundesland sowie in Österreich bereits eigene Varianten des Survivor R für ihre Spezialkräfte. Das 4×4-MAN-Fahrgestell, der 340 PS starke Motor und das hohe Drehmoment sorgen für hohe Beweglichkeit auch in schwerem Gelände. Die Monocoque-Panzerstahlzelle, die optionale Schutzbelüftungsanlage und weitere Features bieten hohen Schutz vor Beschuss, Ansprengungen oder giftigen Gasen. Der äußerst vielseitige Survivor R konnte sich daher bereits in zahlreichen Einsätzen bewähren. In einem Fall schützte er sogar erfolgreich Leib und Leben der Einsatzkräfte, als ein Tatverdächtiger auf sie feuerte.
Im Spätsommer 2022 veranstaltete Rheinmetall erstmals einen Survivor R-Nutzertag. Dieses Forum dient dazu, sich über die unterschiedlichen Einsatzerfahrungen auszutauschen und diese in die Weiterentwicklung einfließen zu lassen. So berichteten die Anwender über ihre Erfahrungen mit dem Survivor R aus dem Polizeialltag oder trugen zu den jeweiligen Ausstattungskonfigurationen vor. Ebenso standen Testfahrten mit unterschiedlich konfigurierten Survivor R-Varianten auf dem Programm. Dabei lobten die Teilnehmer vor allem die Weiterentwicklungen am Fahrzeugsystem, wie zum Beispiel das neue Automatikgetriebe und andere neue Ausstattungsmerkmale. Außerdem hatten sie die Möglichkeit, Fragen und technische Aspekte mit den Rheinmetallern aus Vertrieb, Projekt, Entwicklung, Kundenbetreuung und Service zu erörtern.
FILM AB!
Solche exklusiven Einblicke in den Survivor R wie im Rahmen des Nutzertages bleiben naturgemäß den Anwendern vorbehalten. Den Fernsehauftritt des Survivor R kann hingegen jeder mitverfolgen.
„ALARM FÜR COBRA 11 – UNVERSÖHNLICH“ – DIE HANDLUNG
Semir Gerkhan (Erdogan Atalay) und Vicky Reisinger (Pia Stutzenstein) bekommen es mit einer Verbrecherorganisation aus Belgien zu tun, die Menschen entführt und in Lkw-Containergefängnissen foltert. Die Autobahnkommissare von „Alarm für Cobra 11“ müssen mit der belgischen Polizei zusammenarbeiten, um die Gefängnisse ausfindig zu machen. Als der Kopf der Verbrecherorganisation zum Gegenschlag ausholt, geraten Semir und Vicky in einen seit Jahren geführten Krieg zwischen der organisierten Kriminalität und der Polizei in Belgien. Die Erstausstrahlung von „Unversöhnlich“ erfolgte am 20. Oktober 2022 bei RTL+.
TECHNISCHE DATEN SURVIVOR R (BASISVERSION)
Besatzung: bis zu 11 Personen
Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
Leistung: 250 kW (340 PS)
Drehmoment: 1.250 Nm bei 1.200 – 1.800 U/min
Emissionsklasse: EURO 6
Antriebsformel: Permanenter Allradantrieb
Differentialsperren: 3 x 100 %
Fahrgestell: MAN TGM 18.340
Zulässige Gesamtmasse: 17.000 kg
Freie Nutzlast: 1.500 kg
Länge: ca. 6.860 mm
Breite: ca. 2.510 mm
Höhe: ca. 3.250 mm
Mögliche Ausstattung: Räumschild, Leiter, Mehrzweck-Dachaufbau, Waffenstation, CBRN-Schutzbelüftungsanlage
Impressionen Survivor R
Neuorientierung bei der NATO: Das westliche Verteidigungsbündnis überdenkt seine Russland-Politik. Im Mittelpunkt der neuen Strategie stehen Verteidigung, Krisenprävention und Sicherheit.
Die NATO hat das mit Spannung erwartete neue strategische Konzept verabschiedet und damit auf den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine sowie auf die sich ändernden geopolitischen und strategischen Realitäten reagiert. Bei seinem Gipfeltreffen, das vom 29. bis 30. Juni 2022 in Madrid stattfand, zeigte sich das westliche Verteidigungsbündnis fest entschlossen, das strategische Ziel Russlands, die politische Friedensordnung in Europa mit militärischen Mitteln zu verändern, nicht tatenlos hinzunehmen.
Ausgehend von einer zunehmend fragilen und unvorhersehbaren Lage in der Welt, die immer mehr durch politische Instabilitäten, strategischen Wettbewerb und fortschreitenden Autoritarismus beeinflusst wird, heißt es in dem strategischen Konzept, „dass es die zentrale Aufgabe der NATO ist, unsere kollektive Verteidigung auf der Grundlage eines 360-Grad-Ansatzes zu gewährleisten.“
DREI KERNAUFGABEN
Dies bedeutet im Klartext, dass sich das westliche Bündnis ab sofort auf drei Kernaufgaben konzentrieren wird: Abschreckung und Verteidigung, Krisenprävention und Krisenbewältigung sowie kooperative Sicherheit. Ausdrücklich bekennt sich das westliche Bündnis auch zu Artikel 5 des Nordatlantikvertrages, in dem die gegenseitige Verteidigungsbereitschaft der 30 NATO-Mitgliedstaaten geregelt ist: Ein Angriff auf einen Staat ist ein Angriff auf alle anderen Staaten.
Das strategische Konzept beginnt mit einer klaren Analyse der globalen Bedrohungen für die NATO-Mitgliedstaaten und stellt besorgt fest, dass im euro-atlantischen Raum kein Frieden herrscht. Die Unsicherheit über die politisch-strategische Lage in der Welt ist sehr groß. Wörtlich heißt es in dem Konzept: „Wir können die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Unversehrtheit von Verbündeten nicht ausschließen.“ Anders als bisher wird die russische Föderation nicht mehr als Partner beurteilt, sondern als „größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten“.
Auch der internationale Terrorismus sowie die Konflikte und Instabilitäten in Afrika und im Nahen Osten werden als Bedrohung und Herausforderung eingeschätzt. Das Gleiche gilt für China, das aus Sicht der NATO zu seiner Strategie, seinen Absichten und dem militärischen Kräfteaufwuchs bewusst im Vagen bleibt.
Die NATO, kurz für North Atlantic Treaty Organization, wurde 1949 gegründet. Das Hauptquartier ist seit 1967 in Brüssel. Aktuell sind 30 Staaten im Nordatlantikpakt vertreten, Finnland und Schweden sind Beitrittskandidaten.
Im Mittelpunkt des neuen strategischen Konzepts stehen drei klassische Kernaufgaben. Sie sollen das westliche Bündnis insgesamt stärken und fit für die Zukunft machen:
Abschreckung und Verteidigung. Grundlage der Abschreckung und Verteidigung der NATO ist eine Mischung aus nuklearen, konventionellen und Raketenabwehrfähigkeiten, ergänzt durch Weltraum- und Cyberfähigkeiten. Dieses Dispositiv soll deutlich verstärkt werden, um jedem potenziellen Gegner die Möglichkeit zur Aggression zu verwehren. Auch der maritimen Sicherheit sowie der Digitalisierung und Nutzung des Weltraums und des Cyberraums wird eine hohe Bedeutung zugemessen.
Krisenprävention und Krisenbewältigung. Die 30 Staats- und Regierungschefs der Atlantischen Allianz haben außerdem beschlossen, ihre bisherigen Anstrengungen zu erhöhen, um Krisen, Kriege und Konflikte besser vorhersagen und ihnen vorbeugen zu können. Krisenprävention wird als wesentlicher Beitrag zur Erreichung von Stabilität und Sicherheit gesehen. Krisenbewältigung soll durch eine engere Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der Afrikanischen Union etc. ausgebaut werden.
Kooperative Sicherheit. Als Konsequenz dieser dritten Kernaufgabe bekräftigt das strategische Konzept eine „Politik der offenen Tür“ für alle demokratischen Staaten in Europa, die die Werte des westlichen Bündnisses teilen. Die EU wird als „einzigartiger und unentbehrlicher Partner“ für die NATO betrachtet. EU und NATO spielen bei der Förderung von Frieden und Sicherheit eine einander ergänzende und sich gegenseitig verstärkende Rolle.
DER KURS STEHT FEST
Insgesamt gesehen kann das neue strategische Konzept als ein richtungsweisendes sicherheits- und verteidigungspolitisches Grundlagendokument bewertet werden, mit dem die NATO ihren Kurs gegenüber zukünftigen Bedrohungen festgelegt hat. Da die politische Führung in Moskau durch die Invasion in der Ukraine welt- weit massiv an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren hat, wird es unvermeidbar sein, dass NATO und EU ihre bisherige Russland-Politik komplett überdenken und eine Neuorientierung vornehmen müssen. Eine zuverlässige Prognose, zu welchen politischen Veränderungen und militärischen Kräfteverhältnissen dies langfristig in Europa führen wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine – eine Zeitenwende, auch für die Verteidigungsindustrie. Armin Papperger steht seit 2013 an der Spitze der Rheinmetall AG. Im Interview spricht er über den Imagewandel, Wehrhaftigkeit und Nachhaltigkeit – und wie man dies alles im Konzern vereinen kann.
Herr Papperger, der Bundeskanzler hat am 27. Februar, einem Sonntag, im Deutschen Bundestag die Zeitenwende verkündet. Wie haben Sie den Tag erlebt?
Ich war zuhause, und zwar vor dem Fernseher. Ich war sehr gespannt, was kommt, aber mir war im Kern bekannt, was er sagen würde. Und daher haben wir uns bei Rheinmetall auch schon rechtzeitig vorbereitet und konnten kurz danach die sogenannte Potenzialliste vorlegen. Sie zeigt auf, was wir kurzfristig liefern können – für die Bundeswehr wie auch zur Unterstützung der Ukraine.
Waren Sie überrascht von der russischen Invasion in die Ukraine?
Eigentlich nicht. Man konnte sich vorstellen, wenn jemand über 150.000 Soldaten an die Grenze schiebt, dann hat er ein Ziel. Und als der Aufmarsch abgeschlossen war, gab es im Grunde kein Zurück für Putin. Für mich war es daher eigentlich klar, dass der Angriff erfolgen würde. Dass dies aus mehreren Richtungen gleichzeitig erfolgen würde, habe ich aber auch nicht vorhergesehen.
Der Ukraine-Krieg ist nicht nur ein regionaler Konflikt. Erleben wir letztlich auch einen russischen Angriff auf die westliche Werteordnung?
Ja, den Eindruck habe ich. Wir sehen, dass Russland die regelbasierte Weltordnung nicht mitträgt. Und das ist auf längere Sicht auch das größte Problem: Auch wenn Putin eines Tages weg ist, wird wohl nicht damit zu rechnen sein, dass in Russland eine andere Regierungsform folgt, mit der wir wieder partnerschaftlich agieren könnten.
Kommen wir zu Rheinmetall und der Verteidigungsbranche. Was denken Sie, erlebt die Branche einen Imagewandel nach der Zeitenwende?
Ja, ich glaube, dass ein Imagewandel stattfindet, aber ich weiß nicht, wie nachhaltig er ist. In Deutschland gibt es traditionell einen stark ausgeprägten Pazifismus. Es gibt jetzt schon klare Anzeichen von „Kriegsmüdigkeit“ in Deutschland, obwohl wir ja nur indirekt betroffen sind. Ich fürchte daher, dass die Anteilnahme und die Solidarität mit der Ukraine rasch nachlassen werden, und damit womöglich auch das Streben nach eigener Sicherheitsvorsorge. Das wäre fatal.
Wie steht es mit der angestrebten Wehrhaftigkeit Deutschlands? Dazu sind ja bei der Bundeswehr viele Lücken zu schließen, strukturell wie materiell …
Ich glaube, dass die Politik die Ertüchtigung der Bundeswehr will. Dies wird ein Prozess sein, der sich über mindestens fünf oder sechs Jahre erstrecken wird. Das 100-Milliarden-Euro-Paket ist eine große Chance für die Bundeswehr, es darf aber kein Strohfeuer bleiben. Noch wichtiger ist es, dass wir auch langfristig das 2-Prozent Ziel der NATO einhalten …
… wonach die Mitgliedsstaaten mindestens zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufwenden wollen …
Ja. Denn wenn wir diese Vorgabe nicht erfüllen, dann bestellt man jetzt Gerät für die Streitkräfte, das später mangels Geld wahrscheinlich noch nicht mal gewartet werden kann.
Was ist die Verantwortung von Rheinmetall in diesen Zeiten?
Wir sind das größte Sicherheitsunternehmen in Deutschland, mit einem Produktportfolio von rund 1.600 Produkten. Wir sind ein essentieller Teil der Sicherheits-architektur der Bundesrepublik – und das gilt für die gesamte wehrtechnische Industrie. Ohne diese Industrie würde Deutschland auch politischen Einfluss verlieren, in Europa und darüber hinaus.
Nochmal zur Politik. Denken Sie, dass Deutschland genug dafür tut, die Ukraine zu unterstützen?
Die Ukraine braucht sehr viel Unterstützung – auf allen Ebenen, auch später beim Wiederaufbau. Ob wir mittlerweile an der Grenze dessen sind, was leistbar ist, kann ich nicht beurteilen. Das muss die Politik entscheiden, und dafür braucht es einen breiten Konsens, auch gesellschaftlich.
Unsere europäischen Nachbarn erwarten von Deutschland eine Führungsrolle. Was denken Sie – sieht man Deutschland als zuverlässigen Partner, insbesondere in Ost- und Mitteleuropa?
Einige der Staatschefs dort kenne ich ganz gut, denn wir sind in den Märkten sehr präsent. Man schaut auf Deutschland und will uns durchaus in der Rolle einer Führungsnation sehen. Das verlangt aber, dass wir schnell und effizient Entscheidungen treffen. Vielleicht haben wir in Deutschland hier noch ein bisschen Nachholbedarf.
Welche taktisch-technologischen Lehren ziehen Sie aus dem Krieg in der Ukraine? Die Russen haben ja zahlloses Gerät verloren, auch eine vierstellige Anzahl von Panzern. Hat der Kampfpanzer eine Zukunft?
Ja, ganz sicher. Sonst hätten wir nicht vor kurzem unseren neuen Kampfpanzer Panther KF51 präsentiert, der übrigens weit über Fachkreise hinaus enorme Aufmerksamkeit ausgelöst und viel Anerkennung bekommen hat. Der Panther hat alles, was es heute braucht, bis hin zur stärkeren Waffe. Die russischen Kampfpanzer wie der T72 sind quasi wehrlos gegen Panzerabwehrlenkwaffen. Hierzu braucht es einen Aktivschutz, wie ihn Rheinmetall entwickelt hat. Der Panther hat auch einen Schutz gegen Drohnen, das Top-Attack-Protection-System. Mit einem solchen Schutzpaket hat der Kampfpanzer eine Zukunft – und dass man ihn aus militärtaktischer Sicht braucht, sehen wir in der Ukraine sehr deutlich.
Für die Medien, Herr Papperger, sind Sie jetzt Deutschlands führender Militärausrüster. Sie bekommen auch verstärkt politische Aufmerksamkeit. Wie gehen Sie mit dieser neuen Rolle um?
Ich hätte lieber Frieden und würde persönlich auf diese Rolle gerne verzichten. Für Rheinmetall ist es so, dass wir diese gesellschaftliche Verantwortung jetzt zu übernehmen haben. Unsere Kernaufgabe ist es, die Bundeswehr und die NATO-Partnerländer angemessen auszurüsten. Diese Rolle nehmen wir gerne an und tun alles dafür, sie auch vernünftig ausführen zu können.
Mittlerweile entfallen über 90 Prozent des Gesamtanteils Ihrer Auslieferungen auf NATO-Staaten und befreundete Nationen. Doch über einige Abnehmerländer gibt es immer wieder Diskussionen. Wie blicken Sie auf Bestrebungen in der Regierungskoalition, die Regularien für Rüstungsexporte aus Deutschland heraus zu verschärfen?
Unsere Partnerstaaten werden wir sicher auch künftig problemlos beliefern können, also vor allem innerhalb der NATO und der EU. Darüber hinaus wäre es hilfreich, eine Positiv-Liste derjenigen Länder zu haben, die für uns ebenfalls erreichbar sind – dann hätten wir eine klare Handlungsgrundlage. Ich sehe aber ein grundsätzliches Problem: Wenn jedes Land seine eigenen Regeln macht, werden wir dadurch in Europa nicht zusammenwachsen und wir erschweren die industrielle Kooperation erheblich. Daher plädiere ich für einheitliche europäische Bestimmungen für Rüstungsexporte. So wie es heute ist, entstehen der deutschen Industrie große Nachteile. Unsere ausländischen Wettbewerber stellen es heute teils schon als positives Attribut heraus, wenn Kooperationsprodukte „German free“ sind – also dank fehlender deutscher Beteiligung international problemlos zu vermarkten. Das darf so nicht bleiben.
Sollte man aus Deutschland heraus nur noch an Demokratien liefern?
Das ist eine politische Entscheidung. Militärische Kooperationen sind außenpolitische Instrumente, Rüstungsprojekte gehören dazu. In den arabischen Ländern sagt Deutschland nun: „Bitte gebt uns ganz viel von Eurem Gas.“ Die Antwort lautet dann: „Andere Staaten waren schon vor Euch da. Die helfen uns aber im Gegensatz zu Euch in vielen anderen Bereichen auch, zum Beispiel im Bereich der Sicherheit. Also müsst Ihr Euch hinten anstellen.“ Auch das gilt es zu bedenken.
Ein Land, das Sie im militärischen Bereich nicht beliefern dürfen, ist China. Aber Ihr ziviler Bereich, mit dem Sie Kunden vor allem in der Automobilindustrie beliefern, ist in China mit zehn Standorten präsent. Welches Potenzial oder welche Risiken sehen Sie dort für Rheinmetall?
Ich sehe durchaus gewisse Risiken für unseren zivilen Bereich, nämlich wenn die chinesische Regierung noch mehr die nationale Karte spielt. Denn in den meisten unserer Firmen – es sind 50/50-Joint-Ventures – haben wir den chinesischen Staat an Bord. Im Vorstand schauen wir uns die Sachlage genau an und treffen dann unsere Entscheidungen.
Kommen wir nochmal zum Begriff der Zeitenwende. Das ist ja zunächst ein politischer Begriff, doch auch Ihr Unternehmen muss sich an einen dramatisch geänderten Kontext anpassen. Ist Rheinmetall jetzt auch einer Zeitenwende ausgesetzt?
Ja, denn wir befinden uns auf einem Kurs, der uns erhebliches Wachstum beschert – uns aber auch massiv fordert. Es gilt, den Bedarf unserer Kunden zu decken. Dazu müssen wir die Kapazitäten deutlich erhöhen. Wir fahren die Werke hoch, führen Zwei- und Drei-Schicht-Arbeit ein. Und wir steigern die Investitionen weiter – wobei wir bislang schon viel investiert haben. So haben wir beispielsweise die Werke in Ungarn, in Australien und in Großbritannien neu hinzubekommen. Wir denken auch darüber nach, uns durch Akquisitionen weitere Kapazitäten zu erschließen.
Gibt es schon erste Aufträge nach der Verkündung der sogenannten Zeitenwende?
Ja. Der erste größere Abschluss war ein Auftrag von fast 300 Millionen Euro im Bereich persönlicher Schutz der Infanteristen. Nun steht das zweite Los des Schützenpanzers Puma für die Bundeswehr bevor, inclusive Nachrüstmaßnahmen an bestehenden Fahrzeugen. Es wird auch Entscheidungen über ein neues 6×6-Fahrzeug sowie ein Luftlandefahrzeug geben. Zudem gibt es Entscheidungen über Munition, wo wir die ersten Aufträge auch schon bekommen haben. Und auch im Bereich der Digitalisierung versprechen wir uns einen signifikanten Anteil. Eine Reihe von Entscheidungen im Wert von einigen Milliarden Euro steht also bevor.
Von der Bestellung eines Panzers bis zur Auslieferung vergehen zwei Jahre. Warum geht es nicht schneller?
Das größte Problem ist derzeit die Materialzulieferung. Wenn Sie heute Panzerstahl bestellen, zum Beispiel für Panzerrohre, dann dauert es teilweise acht bis zwölf Monate. Dann braucht es die Kette, die Kanone und die Elektronik. Bei elektronischen Bauteilen haben wir manchmal 24 Monate Lieferzeit. Bis der Panzer fertig ist und dann qualifiziert ist, sind eineinhalb bis zwei Jahre rum. Die Montage des Panzers hingegen geht relativ schnell.
Ihr wehrtechnisches Geschäft wird einen immer größeren Anteil am Konzernumsatz haben. Mit welcher strategischen Aufstellung begegnen Sie diesem Trend?
Unser Hauptgeschäft wird in den nächsten Jahren sicherlich im militärischen Bereich liegen, weil dieser Markt extrem wächst. Ich gehe heute davon aus, dass im Jahr 2025 rund 80 Prozent unseres Geschäfts militärisch sein werden.
Aber was für mich dabei ganz wichtig ist: Rheinmetall ist ein Technologie-Haus und soll es auch in Zukunft bleiben. Wir wollen kein reines Defence-Haus sein. Wir haben tolle neue Technologien, auch über Defence hinaus – zum Beispiel die Wasserstofftechnologie. Es gibt vielversprechende Ansätze im Bereich „Warm Home“, also für Heizsysteme. Wir haben neue Sensortechnologien, auch für den zivilen Bereich, und wir konzipieren einen Elektromotor für neue militärische Hybridfahrzeuge. Mein Ziel ist es, dass unsere fünf Divisionen so interagieren, dass es fast gar nicht mehr zu spüren ist, ob es ein ziviles oder ein militärisches Geschäft ist. Und insofern denken wir auch darüber nach, ob wir zivile Fertigungsanlagen künftig teilweise auch für die Herstellung von militärischen Komponenten nutzen können. Das ist aber nicht trivial, weil es im militärischen Zusammenhang meist besonders strenge Sicherheitsanforderungen gibt.
Den Wandel zum Technologie-Haus haben Sie ja bereits vor über zwei Jahren eingeläutet. Welche konkreten Erfolge sind heute aus der engen Zusammenarbeit der Bereiche zu sehen, die früher als Automotive und Defence getrennte Entwicklung betrieben haben?
Wir sind schon sehr weit, es gibt eine Vielzahl von Beispielen. Wir haben Lösungen im Bereich des autonomen Fahrens und für teleoperiertes Fahren. Wir haben Leistungselektroniken, die wir zivil im Silicon Valley in den USA entwickeln und die militärisch angewendet werden können. Wie gesagt entwickeln wir im zivilen Bereich sehr leistungsstarke Elektromotoren für militärische Anwendungen. Mit unterschiedlichen Kooperationspartnern entwickeln wir zudem Sensoren, die den Zustand des Menschen erfassen, also seine Fitness zum Beispiel am Steuer eines Fahrzeugs – zivil wie militärisch. Diese Art von Cross-Linking verfolgen wir auch bei Klimakompressoren oder bei mobilen Brennstoffzellensystemen, in der Digitalisierung oder bei der Abwehr von Cyber-Bedrohungen im Internet.
In Ungarn werden wir ein Werk für Leistungskondensatoren bauen, die technologisch einzigartig sind. Diese Komponenten braucht man überall, wo sich zwischen einer Batterie und einem Motor ein Energiespeicher befinden muss. Wir haben das Patent für Europa und werden diese High-Tech-Komponenten gemeinsam mit unserem amerikanischen Partner flächendeckend in Europa einführen, perspektivisch sogar auch in Asien. Auch dies ist ein Beispiel, wo wir Technologie-Führerschaft anstreben – für militärische wie zivile Anwendungen.
Die Wasserstofftechnologie ist eines der Zukunftsthemen schlechthin. Wie sieht Rheinmetalls Strategie in diesem Bereich aus?
Ich bin überzeugt davon, dass ein Megatrend in Richtung Wasserstoff als klimaneutraler Energieträger geht. Wir haben vor vier Jahren begonnen, konkret im Bereich Wasserstoff zu forschen. Ich glaube, dass Wasserstoff-basierte Antriebe für Mobilität eine Rolle spielen werden, hier vor allem bei LKW. Wir haben verstanden, dass für die Etablierung einer weltweiten Wasserstoffwirtschaft die Verfügbarkeit von großen Mengen möglichst günstig hergestelltem, grünem Wasserstoff die größte Herausforderung ist. Diese muss zuerst gelöst werden. Exakt darauf zielt unser Projekt E²NGEL ab, in dem wir Elektroden für die alkalische Elektrolyse entwickeln, die edelmetallfrei und besonders leistungsfähig sind und so die Herstellungskosten von grünem Wasserstoff senken.
Ob mit Solarkollektoren, per Wind- oder Wasserkraft: Mit regenerativen Energien werden wir in der Lage sein, grünen Wasserstoff zu produzieren. In Südafrika haben wir jetzt eine schlüsselfertige und mobile Modullösung vorgestellt, die zur Erzeugung, Speicherung und zum Transport von CO-frei erzeugtem Wasserstoff dient. Wir stellen also vier Container auf und können 30 bis 40 Haushalte dauerhaft mit Strom versorgen – klimaneutral und prinzipiell an jedem Ort. Das kann natürlich auch bei militärischen Einsätzen von hohem Wert sein.
Sie bieten also bereits die komplette Systemlösung an?
Ja. Aber wir sind mit unserer Technologie auch bei den diversen Komponenten präsent. Im geförderten Projekt LORICA zum Beispiel arbeiten wir an einem neuartigen Drucktanksystem für Wasserstoff, welches für die Speicherung von Wasserstoff in Schiffen, LKWs, Bussen, Zügen und PKWs verwendet werden kann. Auch für den Wasserstofftransport und -umschlag wird es einen entscheidenden Technologiebeitrag leisten.
Im Bereich der Brennstoffzellensysteme kooperieren wir mit namhaften Partnern, zum Beispiel Ballard und Cellcentric, um durch Komponenten wie unserem Wasserstoffrezirkulationsgebläse Brennstoffzellensysteme leistungsfähiger, preiswerter und langlebiger machen zu können.
Als einer der größten Pumpenhersteller sind wir prädestiniert, im Wasserstoffbereich eine große Rolle zu spielen: Unsere elektrischen Kühlmittelpumpen können schon heute in Brennstoffzellensystemen verwendet werden. Wir sind zudem einer der größten Ventilhersteller – das hilft, Produkte anbieten zu können, die für den sicheren Betrieb von Brennstoffzellensystemen absolut erforderlich sind.
Und beim Thermomanagement, wie es die Brennstoffzelle benötigt, sind wir ebenfalls Spezialisten. Sie sehen, wir sind hier mit viel Engagement dabei – und aussichtsreich positioniert. Ich verspreche mir wirklich sehr viel davon.
Die zivile Nutzung von Technologie spielt also weiterhin eine Rolle für Sie?
Absolut. Ich mag Technologie, und ich mag unsere Leute. Ich möchte, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vernünftige Jobs haben, die so sicher wie möglich sind. Also muss man sich mit den Megatrends beschäftigen. Für mich ist letztlich nicht entscheidend, ob es ein militärisches oder ein ziviles Geschäft ist. Dass wir momentan so einen Boom bei der Verteidigung haben, hilft uns allen – sei es auf der zivilen oder der militärischen Seite.
Sie rechnen im Militär-Geschäft mit einem jährlichen Wachstum von deutlich über zehn Prozent. Wie wollen Sie dieses Wachstum und die dadurch steigende Produktion mit den Nachhaltigkeitszielen Rheinmetalls verbinden? Sie wollen ja bis 2035 CO2-neutral werden …
Dafür tun wir schon eine ganze Menge. Wir investieren jetzt jedes Jahr zweistellige Millionenträge für den Bereich der Nachhaltigkeit. Priorität eins innerhalb der Rheinmetall-Gruppe ist ganz klar die CO2-Reduktion. Wir werden nicht komplett CO2-frei sein können, aber wir werden dann entsprechend kompensieren können. Also wie machen wir das? In Südafrika bauen wir ein großes Solarfeld, wo wir grünen Strom erzeugen und ihn auch für andere Abnehmer zur Verfügung stellen wollen.
Der Strom in dem Land wird heute überwiegend aus Kohle gewonnen …
Ja, da besteht in der Tat dringender Handlungsbedarf. Aber dort lässt sich auch viel bewirken. Zudem setzen wir in Südafrika auf die Wasserstofftechnologie. Mit überschüssigem Strom wollen wir dann grünen Wasserstoff produzieren, sodass unsere fünf Werke in Südafrika quasi CO2-frei sein werden. Wir satteln also vom Energieträger Kohle um auf Wasserstoff und Solarstrom. Und Südafrika ist nur ein Beispiel, das stellvertretend für viele Maßnahmen steht.
Schauen wir nach Deutschland: Am Standort in Unterlüß in der Südheide ist aktuell eine große Baugrube ausgehoben … Dort bauen Sie auch für eine CO2-freie Zukunft?
Ja, dort entsteht unser Holzhackschnitzel-Kraftwerk. Unterlüß ist unser größter Standort in Deutschland, mit über 2.000 Beschäftigten. Wir besitzen dort ein 54 km2 großes Areal, das überwiegend aus Wald besteht. Das Wipfelholz und Astholz, das normalerweise verrotten würde, arbeiten wir künftig zu Holzhackchips um. Mit der in dem Kraftwerk erzeugten Wärmeenergie wollen wir das gesamte Werk versorgen, auch die Produktion von Panzern, Waffen und Munition.
Haben Sie gesamthaft einen Überblick über den CO2-Fußabdruck Rheinmetalls?
Ja, natürlich. Wir erfassen aus allen Bereichen zentral, was wir monatlich für CO2-Emissionen haben und aus welchen Energieträgern sie kommen. Und daraus werden Maßnahmen abgeleitet, zum Energiesparen und zum Umstieg auf erneuerbare Energien. Mir reicht es aber mittelfristig nicht, nur grünen Strom zuzukaufen – denn damit bleiben wir ja immer Stromverbraucher. Ich strebe für uns mittelfristig die Rolle des Energieerzeugers an – das ist nämlich ein echter Beitrag zu Nachhaltigkeit. Um das zu erreichen, suchen wir nach Möglichkeiten, einen eigenen Windpark aufzustellen. Derzeit schauen wir nach geeigneten Flächen. Um den Stromverbrauch Rheinmetalls in Deutschland abzudecken, bräuchte es etwa 16 Windräder mit jeweils 4 Megawatt Leistung. Das wäre eine Investition im dreistelligen Millionenbereich, das muss man natürlich Schritt für Schritt aufbauen. Aber über die Jahre ist es machbar und es ist mir wirklich ein Herzensanliegen. Wir können CO2-frei werden, nicht nur CO2-neutral dank Kompensationen. Das ist fast jede Anstrengung wert.
Sie stehen jetzt seit bald zehn Jahren an der Spitze von Rheinmetall, Herr Papperger. Welche Entscheidung aus dieser Dekade sehen Sie als besonders herausragend für die Entwicklung des Unternehmens an?
Dass ich mir die richtigen Leute gesucht habe! Der Erfolg eines Unternehmens basiert auf Teamarbeit. Wir haben hochmotivierte Menschen, die letztendlich Rheinmetall und damit unserer gemeinsamen Verantwortung dienen. Das ist für mich das Wichtigste.
Mein Dank gilt allen, die sich für Rheinmetall einsetzen. Besonders dankbar bin ich meinem langjährigen Weggefährten Helmut Merch, der sich in zehn Jahren als Finanzvorstand um den Konzern sehr verdient gemacht hat. Er wechselt zum Jahresende in den wohlverdienten Ruhestand, nach insgesamt vierzig Jahren bei Rheinmetall. Eine weitere wichtige Entscheidung war, die Zwischenbereiche Defence und Automotive abzuschaffen.
Es ist uns gelungen, Automotive in einen Unternehmensbereich umzuwandeln, der nun auch seine Chancen in anderen wichtigen Wachstumsbereichen nutzt, zum Beispiel in der Wasserstofftechnologie. Damit sind wir gut aufgestellt für die neue Epoche, die vor uns liegt – die Epoche des starken Wachstums. Wir werden ein Wachstum zwischen 10 und 20 Prozent pro Jahr haben, und dazu braucht es eine sehr stabile und hoch motivierte Mannschaft. Ich bin sehr froh, dass wir diese Mannschaft haben.
Und diese Mannschaft braucht Verstärkung. Alle, die Spaß haben an Herausforderungen, sollen sich bei Rheinmetall melden! Wir haben gut zu tun und suchen gute, zuverlässige, loyale Leute. Erfolg macht sexy, sage ich gerne, und in dem Sinne hat Rheinmetall einiges zu bieten, mit sicheren Jobs und tollen Entwicklungschancen im Inland als auch international.
ARMIN PAPPERGER
Jahrgang 1963, ist seit 1. Januar 2013 Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall AG. Zugleich verantwortet er als Vorsitzender des Bereichsvorstands die Unternehmenssparte Defence. Nach dem Studium begann der diplomierte Ingenieur 1990 seinen beruflichen Werdegang im Qualitätsmanagement der Defence-Sparte des Rheinmetall-Konzerns. Nach einigen weiterführenden Stationen in diesem Bereich war er von 2001 an Geschäftsführer verschiedener Tochtergesellschaften des Unternehmensbereichs Defence. Im Juli 2007 wurde er zum Geschäftsbereichsleiter Waffe und Munition ernannt. Anfang 2010 übernahm Papperger die Verantwortung für die Geschäftsbereiche Fahrzeugsysteme sowie Waffe und Munition im Bereichsvorstand Defence. Seit 1. Januar 2012 ist er Mitglied des Vorstands der Rheinmetall AG.
Russlands Angriff auf die Ukraine fordert Europa und die Welt heraus. Für Deutschland, die EU und die NATO bedeutet der Überfall eine tiefgreifende Zäsur – und damit gravierende Veränderungen in der Sicherheitspolitik.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wird als historisches Datum in die Geschichtsbücher eingehen. Denn der Überfall der russischen Streitkräfte stellt nicht nur eine eklatante Verletzung des internationalen Völkerrechts dar, sondern hat auch einen tiefgreifenden Veränderungsprozess in Europa ausgelöst, dessen politische, wirtschaftliche und militärische Konsequenzen noch gar nicht in vollem Umfang beurteilt werden können.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg übertreibt daher nicht, wenn er mit großer Besorgnis feststellt, dass der Ukraine-Krieg „die größte Sicherheitskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg“ ausgelöst hat.
Allerdings ist der Krieg in der Ukraine nicht die einzige Ursache für diese geopolitischen Transformationen. Es sind vielmehr eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen und teils divergierenden Entwicklungen, die die Zukunft Europas beeinflussen und verändern werden. Ein kurzer Überblick.
USA UND NATO
Enge transatlantische Beziehungen zu den USA und die Mitgliedschaft in der NATO waren und bleiben für Europa und insbesondere für Deutschland auch in den nächsten Jahren eine elementare Lebensversicherung. Allerdings hat Europa nicht mehr oberste Priorität in der US-Außen- und Sicherheitspolitik. Die Wachstumsstaaten in der asiatisch-pazifischen Region (Pacific Rim) und ihre militärstrategische Bedeutung im Indo-Pazifik spielen für Washington schon seit Jahren eine immer wichtigere geopolitische und ökonomische Rolle. Die 2021 erfolgte Gründung des trilateralen Bündnisses AUKUS zwischen Australien, United Kingdom und den USA ist nur ein Beispiel für diesen Trend.
RUSSLAND
Die Regierung in Moskau wird aufgrund ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine im Westen nicht mehr als strategischer Partner geschätzt, sondern als größte Bedrohung beurteilt. Das bisherige politische Credo deutscher Regierungen, man könne Sicherheit nicht gegen, sondern nur gemeinsam mit Russland erreichen, hat sich somit als politische Fehleinschätzung erwiesen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte dazu in seiner Regierungserklärung am 22. Juni 2022: „Eine Partnerschaft mit Russland, wie sie noch das strategische Konzept von 2010 als Ziel ausgegeben hat, ist mit Putins aggressivem, imperialistischem Russland auf absehbare Zeit unvorstellbar.“ Das bedeutet im Klartext, dass Deutschland seine bisherige Russland-Politik überdenken und neu konzipieren muss.
CHINA
Die Volksrepublik China ist schon seit langem kein „schlafender Gigant“ mehr, sondern scheint ihre politischen Ziele mit einer klaren Strategie zu verfolgen. Erst allmählich hat sich im Westen der Eindruck verstärkt, dass China aufgrund der geografischen Distanz zwar keine direkte militärische Bedrohung ist, aber doch ein systemischer Wettbewerber, der einen möglichst geräuschlosen, aber konsequenten Expansionskurs verfolgt. Des- halb hat China für die US-Außen- und Sicherheitspolitik oberste Priorität. US-Präsident Joe Biden spricht sogar von einem globalen Kampf der Demokratien gegen Autokratien. In der Tat: Chinas ambitionierte „Seidenstraße“ ist nicht nur ökonomisch und technologisch motiviert, sondern wird auch und gerade von ideologischen Motiven und machtpolitischen Interessen angetrieben.
TAIWAN
Wie stark Ideologie, Machtinteressen und Historie die Außen- und Sicherheitspolitik Chinas dominieren, zeigt der Konflikt um Taiwan in geradezu exemplarischer Weise. Chinas Position ist klar: Taiwan ist und bleibt eine Provinz, die historisch zur Volksrepublik gehört. Washington setzt dagegen auf eine Politik der strategischen Ambiguität, mit der die USA ganz bewusst offenlassen, wie sie auf einen chinesischen Angriff auf Taiwan reagieren würden. Allerdings hat Präsident Biden erstmals angedeutet, Taiwan bei einem Angriff auch militärisch verteidigen zu wollen. Sollte der von China geschürte Konflikt mit militärischen Droh- und Einschüchterungsversuchen zu einem Krieg eskalieren, würde dies nicht nur die Sicherheit der Staaten im Indo-Pazifik massiv beeinträchtigen. Auch massive Störungen der globalen Lieferketten wären die Folgen, da zum Beispiel die IT-Industrie Taiwans elementare Systeme und Komponenten für Europas Hightech-Industrie produziert.
EUROPA
EU und NATO spielen bei der Bewahrung von Frieden, Sicherheit und Stabilität eine einander ergänzende und sich gegenseitig verstärkende Rolle. Doch um die historisch gewachsenen Abhängigkeiten von den USA zu überwinden und auch gegenüber den USA eigene (Sicherheits-) Interessen durchsetzen zu können, muss Europa mehr für seine strategische Souveränität und damit mehr für seine eigene Verteidigung tun. Dies gilt umso mehr, da auch die künftige politische Entwicklung in den USA mit Unsicherheiten und Risiken für die Kontinuität der US-Außen- und Sicherheitspolitik behaftet ist.
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Europa mehr in die eigene Verteidigung investieren müsse, denn in einer „Welt von Fleischfressern“ würden es Vegetarier schwer haben zu überleben. Und es war kein anderer als Jean-Claude Juncker, langjähriger Präsident der EU-Kommission, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass Europa endlich eine „Weltpolitikfähigkeit“ entwickeln müsse und wegen seines enormen wirtschaftlichen und technologischen Potenzials auch als starker politischer Akteur auf der Weltbühne auftreten sollte. Das Bemühen vieler europäischer Staaten, dem 2014 vereinbarten NATO-Ziel zu folgen und zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben zu wollen, trägt dieser Entwicklung Rechnung.
SCHWEDEN UND FINNLAND IN DIE NATO
Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und aus Sorge um ihre nationale Sicherheit haben Schweden und Finnland im Sommer 2022 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NATO gestellt. Schweden, das mehr als 200 Jahre auf seine politische Neutralität bedacht war, und Finnland, das eine rund 1.300 km lange gemeinsame Grenze mit Russland teilt, werden (vorausgesetzt alle NATO-Staaten ratifizieren die Beitrittsprotokolle) die Anzahl der NATO-Mitglieder von 30 auf 32 erhöhen und damit die Nordflanke der Atlantischen Allianz deutlich stärken.
EUROPA (FAST) OHNE GRENZEN (Interaktive Infografik)
UKRAINE UND MOLDAU IN DIE EU
Die Europäische Union (EU) hat am 23. Juni 2022 der Anerkennung eines Beitrittskandidaten-Status für die Ukraine und Moldau mit 27 Ja-Stimmen zugestimmt. Wenn alle Kriterien erfüllt sind, würde ein Beitritt der beiden Staaten in die Staatengemeinschaft der EU zu einer engeren politischen und wirtschaftlichen Anbindung an Europa führen. Die EU könnte in einigen Jahren 29 statt 27 Mitglieder zählen.
NEUE BÜNDNISSE MIT RUSSLAND
Die geplanten Erweiterungen in der NATO und der EU sind natürlich der politischen Führung in Moskau ein Dorn im Auge. Es ist daher kein Zufall, dass die erste Auslandsreise seit dem Überfall auf die Ukraine Präsident Wladimir Putin im Juni 2022 nach Zentralasien führte. Fünf Staaten (Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan), die aus den ehemaligen Sowjetrepubliken hervorgegangen sind, bezeichnete er als „historisches Russland“. Auch bei einem Gipfeltreffen der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres (Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Turkmenistan, Russland) hat Putin offenbar Chancen für neue Bündnisse mit Moskau ausgelotet. Schwer einzuschätzen sind die politischen Annäherungsversuche Russlands an China, dass sich bislang mit Kritik an dem russischen Angriff auf die Ukraine auffällig zurückgehalten hat.
RUSSISCHE RAKETENSYSTEME IN BELARUS
Bei seinem Besuch in Sankt Petersburg im Juni kündigte Putin an, Russland werde in Belarus in den nächsten Monaten Iskander-M-Raketensysteme stationieren. Von der mobilen Abschussbasis könnten sowohl Kurzstreckensysteme als auch Marschflugkörper abgefeuert werden – und zwar mit konventionellen wie auch mit nuklearen Gefechtsköpfen. Käme es zu dieser Stationierung, würde dies eine neue Bedrohung für Europa bedeuten – insbesondere für die NATO-Partner Polen, Litauen und Lettland, die alle an Belarus grenzen.
NATIONALE SICHERHEITSSTRATEGIE – EIN NOVUM
Die „Zeitenwende“-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022, das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro und die Ertüchtigungsinitiative für die Bundeswehr sind unmittelbare Antworten Deutschlands auf den ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands.
Außerdem wird seit März 2022 unter Federführung des Auswärtigen Amtes an einem sicherheitspolitischen Grundlagendokument für Deutschland gearbeitet, in dem eine nationale Sicherheitsstrategie definiert werden soll. Dies ist ein Novum. Denn Deutschland hat bislang noch nie eine nationale Sicherheitsstrategie gehabt.
Die einschneidenden geopolitischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte, wie die Wiedervereinigung Deutschlands, der Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der sinnlose Krieg in der Ukraine, haben diese Strategie zwingend erforderlich gemacht. Grundlage dafür wird unter anderem eine deutliche Erweiterung des Begriffs „Sicherheit“ sein. Hierzu wird nicht mehr nur die äußere (militärische) Sicherheit gehören, sondern auch die innere Sicherheit, die wirtschaftliche und soziale Sicherheit sowie die Cyber-, Energie-, Ernährungs-, Rohstoff- und Versorgungssicherheit.
Es ist daher nicht überraschend, dass diese vielfältigen Entwicklungen auch Einfluss auf die öffentliche Meinung haben. So findet zurzeit in der deutschen Bevölkerung offenbar ein Stimmungswandel bei den sensitiven Themen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik statt. Das belegen Umfragen von Meinungsforschungsinstituten und TV-Sendern. So begrüßt zum Beispiel eine Mehrheit der Befragten die Erreichung von Sicherheit durch militärische Stärke, die deutsche Mitgliedschaft in der NATO oder auch die umstrittenen Waffenlieferungen an die Ukraine.
ERTÜCHTIGUNGSINITIATIVE FÜR DIE BUNDESWEHR
Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Sondervermögen für die Bundeswehr und einem deutlich wachsenden investiven Anteil am Verteidigungshaushalt könnten die Streitkräfte wieder so ausgestattet werden, dass sie ihren Kernauftrag in vollem Umfang erfüllen können – nämlich Deutschland und seine NATO-Partner im Bündnis zu verteidigen. Jeder aktive Soldat soll bis 2025 eine komplett neue persönliche Kampfbekleidung und Schutzausrüstung bekommen – so die Planung der Bundeswehr. Die Mittel sollen außerdem dafür genutzt werden, die Bundeswehr zu einem „europäischen Kräfteverstärker“ (Force Multiplier) in der NATO und EU zu machen. Mit dem Sondervermögen werden Fähigkeitslücken geschlossen, die durch den Sparkurs der vergangenen Jahre entstanden sind. Der Wirtschaftsplan zum Sondervermögen gibt einen guten Überblick über die geplanten Ausgaben, die in vier Dimensionen aufgeteilt sind:
Dimension Luft: Der größte Teil der Investitionen (33,4 Mrd. Euro) ist für die „Dimension Luft” bei Luftwaffe, Heer und Marine vorgesehen. Zu den Beschaffungsprogrammen gehören unter anderem 35 amerikanische Kampfflugzeuge des Typs F-35, 15 Eurofighter (Electronic Combat Role, ECR) sowie 60 Schwere Transporthubschrauber (STH) des Typs Chinook CH-47F.
Dimension Führungsfähigkeit / Digitalisierung: Der zweitgrößte Teil (20,7 Mrd. Euro) der Investitionen soll die Führungsfähigkeit verbessern und die Digitalisierung vorantreiben. Bei der Beschaffung von modernen Funkgeräten geht es insbesondere darum, dass deutsche Soldaten mit ihren NATO-Kameraden verschlüsselt per Funk kommunizieren können.
Dimension Land: Rund 16,6 Mrd. Euro sind für die „Dimension Land” reserviert. Geplant sind Investitionen unter anderem in nachgerüstete Schützenpanzer Puma und den Nachfolger für das System Marder. Ein Teil der Mittel soll auch in die Entwicklung des neuen deutsch-französischen Kampfpanzers Main Ground Combat System (MGCS) fließen.
Dimension See: Diese Dimension soll rund 8,8 Mrd. Euro erhalten und umfasst zum Beispiel die Korvette K130, die Fregatte F-126 und das in Entwicklung befindliche U-Boot 212 CD.
LANGFRISTIGE ZUKUNFTSSICHERUNG DEUTSCHLANDS
Zurzeit ist noch nicht klar erkennbar, ob sich die Ukraine wirklich dauerhaft gegen Russland verteidigen kann. Es wäre aber wünschenswert und sinnvoll, wenn alle diplomatischen Kanäle offenblieben und die schwierigen Bemühungen fortgesetzt würden, durch Diplomatie und Dialog tragfähige politische Lösungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zu finden. Außerdem zeigen die sich in den Megatrends abzeichnenden Veränderungen, dass sich die Politik in Zukunft wieder stärker auf eine glaubhafte militärische Handlungsfähigkeit stützen muss. Sicherheit ist in der Tat kein selbstverständliches Gut und ohne eigene Verteidigungsanstrengungen nicht zu haben.
Aus diesen Gründen sind die geplanten Ausgaben für die Verteidigung als strategische Investitionen in die Sicherheit zu verstehen. Sie bilden einen signifikanten Beitrag zur langfristigen Zukunftssicherung Deutschlands. Dies ist unbedingt erforderlich. Denn der Umbruch der Sicherheitsarchitektur in Europa ist bereits in vollem Gang.
Die Menschheit steht vor gewaltigen Herausforderungen. Diese meistern wir nur, wenn wir alle – Staaten, Unternehmen, Bürger – an einem Strang ziehen. Was vor nicht allzu langer Zeit noch als „nice to have“ galt, entscheidet heute über den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.
Nachhaltige Kleidung, nachhaltige Lebensmittel, nachhaltiges Reisen – selten hat ein Begriff so schnell Karriere gemacht. Zu Recht, denn der Blick in die Nachrichten zeigt: Es gibt nicht eine Krise, es gibt mehrere und sie fordern uns gleichzeitig. Daraus ergeben sich gigantische Aufgaben. „Robert Swan, der berühmte Polarforscher und Umweltaktivist, hat es ganz treffend auf den Punkt gebracht: ‚Die größte Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube daran, dass jemand anderes ihn rettet.‘ Wir alle sind in der Pflicht“, sagt Ursula Pohen. Sie verantwortet den Zentralbereich Corporate Social Responsibility bei Rheinmetall, in dem alle Fäden in Sachen Nachhaltigkeit zusammenlaufen. „Nachhaltigkeit ist keine Folklore und kein Thema nur für Weltverbesserer: Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil unseres Geschäfts.“
MIT LEIDENSCHAFT TEIL DER LÖSUNG
Kunden, Kapitalgeber, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Öffentlichkeit interessieren sich längst nicht mehr nur für die harten Finanzkennzahlen. Sie wollen sich ein umfassendes Bild von Unternehmen, ihren weltweiten Geschäftstätigkeiten und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur machen. ESG – Environmental, Social, Governance: An diesen drei Schlagwörtern müssen sich Unternehmen künftig messen lassen.
„Unsere Stakeholder erwarten von uns, dass wir als Unternehmen Verantwortung tragen. Dem stellen wir uns seit mehr als 130 Jahren. Verantwortung heißt für uns, unseren Teil dazu beizutragen, die drängenden Probleme unserer Zeit zu lösen, allen voran die Folgen des Klimawandels abzumildern“, sagt Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG. „Das tun wir nicht nur, weil wir müssen, sondern auch, weil wir wollen! Passion for technology, passion for sustainability – wir stehen für beides.“
AMBITIONIERTE ZIELE FÜR EINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
Aus dem Bekenntnis zu Nachhaltigkeit erwächst der Auftrag, eine Nachhaltigkeitsstrategie auszuarbeiten und sich auf Ziele festzulegen. Das gilt für alle drei ESG-Handlungsfelder gleichermaßen: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Drei Kategorien, ein Ziel – Nachhaltigkeit ganzheitlich in allen Dimensionen zu erfassen. Der Begriff Nachhaltigkeit bzw. seine englische Entsprechung Sustainability ist spätestens seit 2015 in aller Munde. Damals beschloss die Weltgemeinschaft mit ihrer Agenda 2030 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Im Pariser Klimaabkommen wurde zudem vereinbart, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius (°C) zu begrenzen. Für Unternehmen ergeben sich daraus enorme Anstrengungen.
DER WEG ZUR CO2-NEUTRALITÄT
Gute Fortschritte macht das Unternehmen im Bereich Environment. Rheinmetall hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 CO₂-neutral zu wirtschaften. Damit aus der Vorgabe auch Fortschritte werden, hat sich das Unternehmen eine Roadmap gegeben. „Bei der Verbesserung unserer Energie- und Klimabilanz halten wir uns an klare und wissenschaftlich fundierte Standards“, erläutert Dr. Alexander Vogt, Abteilungsleiter des Bereichs Energiemanagement.
Der Fachbereich ist gerade dabei, die Teilnahme an der „Science Based Targets“ Initiative, kurz SBTi, vorzubereiten. In diesem internationalen Netzwerk sind inzwischen mehr als 3.000 Unternehmen vertreten. Deren auf wissenschaftlicher Basis definierte Ziele tragen dazu bei, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. „Für Rheinmetall bedeutet das, alle direkten und indirekten Emissionen aus unseren Aktivitäten pro Jahr um 4,2 Prozent zu senken“, sagt Dr. Vogt. „Darüber hinaus geht es darum, klare Reduktionsziele für die Treibhausgas-Emissionen entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette zu formulieren.“
Aktuell laufen einige Pilotprojekte, zum Beispiel zur Energieversorgung am Standort von Rheinmetall Defence in Unterlüß. Das dortige neue Heizwerk soll 2023 in Betrieb gehen und auch mit Holzhackschnitzeln aus firmeneigener Forstwirtschaft betrieben werden. Pro Jahr werden auf diese Weise 5.200 Tonnen CO₂ eingespart. Weitere Heizzentralen sind in Unterlüß geplant, um die emittierten Treibhausgase zu reduzieren und die Produktion unabhängiger von fossilen Energieträgern und deren aktueller Verfügbarkeit zu machen.
KLIMASCHUTZ GLOBAL DENKEN
„Im Grunde fahren wir dreigleisig: Wir sparen Energie ein, stellen uns unabhängiger auf und beziehen mehr Strom aus regenerativen Quellen“, fasst Dr. Vogt zusammen. Beispiel Südafrika: Standort von Rheinmetall Denel Munition. Das Land bezieht traditionell einen Großteil seiner Energie aus Kohle. „Dort bauen wir eine Photovoltaikanlage, um uns aus regenerativer Energie zu versorgen.“ Zudem werden aktuell zwanzig größere Projekte über alle Divisionen des Konzerns hinweg untersucht, dreißig weitere sind in der Ausarbeitung. Weil Rheinmetall Klimaschutz global denkt, prüft das Unternehmen beispielsweise auch den Bezug von Grünstrom für alle Standorte weltweit.
NACHHALTIGKEIT IST KEIN SELBSTZWECK
Durch den bisherigen, starken Fokus auf Klima- und Umweltthemen stand das Handlungsfeld Soziales geraume Zeit etwas im Schatten. „Das wird sich nun ändern – nicht zuletzt getrieben von zunehmenden regulatorischen Anforderungen, national wie international. Ein großes Thema sind menschenrechtliche Sorgfaltspflichten, im Unternehmen selbst wie auch in der Lieferkette“, erklärt Ursula Pohen. Die dritte Säule von ESG umfasst unter anderem Unternehmensführung, Compliance, Risikomanagement und interne Kontrollsysteme. „Wenn Sie so wollen, stellt G wie Governance die Einhaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen und Regelwerke sicher.“
Der „grüne“ Wandel eines weltweit tätigen Unternehmens wie Rheinmetall bringt Veränderungen mit sich und betrifft administrative, operative und strategische Prozesse. So viel steht fest: Nachhaltigkeit ist kein Selbstzweck, sondern die Fähigkeit eines Unternehmens, auch künftig Wert zu schaffen. Und diese Aufgabe ist nie erledigt.
Wissenstransfer, Austausch und Beratung – all das finden Rheinmetall-Mitarbeiterinnen im Netzwerk Women@Rheinmetall. Die Verbindungen, die in diesem Forum geknüpft werden, können das ganze Berufsleben prägen.
„Diese Branche ist einfach faszinierend“, sagt Monica Wertheim, „es geht um Mobilität und die Sicherheit der Menschen – zwei Themen, mit denen ich mich absolut identifizieren kann.“ Die Leiterin des Zentralbereichs Global Talent Acquisition and Employer Branding bei Rheinmetall soll Fach- und Führungskräfte gewinnen und den Frauenanteil dabei so hoch wie möglich halten. Denn nur ein geringer Anteil von Schulabsolventinnen entscheidet sich für eine Ausbildung oder ein Studium in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und gerade die Tätigkeitsfelder des Rheinmetall-Konzerns gelten als traditionelle Männerdomäne.
Die Quotenvorgaben des Gesetzgebers spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Es gilt: Je höher der Frauenanteil, desto besser ist es für das Unternehmen. Studien belegen, dass wirtschaftliche Erfolge auch mit dem Anteil an Frauen in Führungspositionen zusammenhängen. Und Monica Wertheim möchte die Faszination, die sie persönlich für die Branche empfindet, teilen – nicht nur mit potenziellen Bewerberinnen, sondern auch mit den Kolleginnen, die bereits im Konzern angedockt sind. Denn Recruiting bedeutet für Monica Wertheim nicht nur anzuwerben, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Mitarbeitenden im Unternehmen bleiben.
EIN NETZWERK FÜR FRAUEN
Als die gebürtige Uruguayerin 2017 zu Rheinmetall kam, erkannte sie sofort, was die Mitarbeiterinnen bei Rheinmetall brauchen: ein Sounding Board – die Geburtsstunde von Women@ Rheinmetall. Hier finden Frauen ein Forum für Wissenstransfer, können sich austauschen und beraten. Am Anfang waren es knapp ein Dutzend Frauen, die sich in diesem Netzwerk zusammenfanden. Inzwischen machen über 600 mit, darauf ist Monica Wertheim stolz: „Sie kommen aus allen Standorten, allen Hierarchien und allen Altersgruppen. So bilden sie die ganze Vielfalt von Rheinmetall ab.“ Die Verbindungen, die hier geknüpft werden, ebenso wie die weiblichen Vorbilder im Unternehmen, können das ganze Berufsleben prägen.
WOMEN@RHEINMETALL
Monica Wertheim gründete das Netzwerk kurz nach ihrem Eintritt bei Rheinmetall. Inzwischen sind fast 600 Mitarbeiterinnen aus 19 Ländern mit dabei. Ziel von Women@Rheinmetall ist es, die berufliche Entwicklung von Frauen auf allen Hierarchie-Ebenen von Rheinmetall zu fördern und zu unterstützen.
Gezielte Frauenförderung außerhalb des Netzwerks Women@Rheinmetall gibt es in Deutschland mit der Rheinmetall Academy. Sie bietet gezielt Management-Entwicklungsprogramme und -Trainings für Frauen an.
VIELE KLEINE SCHRITTE
Alle Bemühungen, Networks und Fördermaßnahmen nützen allerdings nichts, wenn die Unternehmenskultur nicht hält, was sie verspricht. Mitarbeitende sollen bei Rheinmetall den Arbeitsplatz sehen, an dem sie sich sicher fühlen, an dem ihre Talente gefördert werden und mit dem sie sich identifizieren können. Das gelte im Übrigen für die ganze Belegschaft, so Wertheim, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Hautfarbe. Denn als spezielle Frauenbeauftragte will sich die Managerin dann doch nicht sehen: „Rheinmetall ist einfach ein sehr guter Arbeitgeber, nicht nur für Frauen!“ Auch die Quote sieht sie kritisch: „Ich persönlich halte sie für nicht zielführend.“ Viel wichtiger seien ihrer Meinung nach Förderung, Vertrauensbildung und Mentoring – also all das, was Women@Rheinmetall biete. „Jede Frau, die dabei ist, macht das gesamte Konstrukt stärker“, sagt Monica Wertheim.
Das Recruiting ist durchaus eine Herausforderung, aber die intensive Überzeugungsarbeit fruchtet in kleinen Schritten. Der weibliche Anteil an Trainees liegt inzwischen mit knapp 30 Prozent überproportional hoch, will heißen: In Zukunft werden die Schritte größer.
MONICA WERTHEIM
Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin ist seit März 2017 als SVP Recruiting and Employer Brand Services bei der Rheinmetall AG tätig. Zuvor arbeitete sie in ähnlichen Positionen bei E.ON/Uniper sowie in anderen Funktionen wie Marketing und Vertrieb bei der Kleffmann Gruppe und den Muskator.
In Hamburg-Ottensen entsteht auf und neben einem traditionsreichen Werksgelände ein neues, gemischt genutztes Quartier mit Miet- und Eigentumswohnungen sowie gewerblichen Flächen.
Es war einmal ein großes Kolbenwerk, das mitten in einer pulsierenden norddeutschen Metropole lag. Darin wurden schon vor fast einhundert Jahren Kolben für Flugzeuge, Schiffe und auch Autos gebaut. Aber die enorme Konkurrenz durch andere Kolbenhersteller in der ganzen Welt machte dem Werk furchtbar zu schaffen. Nach langen Kämpfen musste es seinen Betrieb schließlich aus wirtschaftlichen Gründen einstellen. Viele Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsstelle und ein Aufschrei ging durch die Stadt!
Was wie ein trauriges Märchen anfängt, war leider im Jahr 2009 für alle Beteiligten schmerzliche Realität. Aber die prosperierende weitere Entwicklung des früheren Kolbenstandortes in Hamburg kommt einem Märchen, das schließlich doch Wirklichkeit wurde, schon sehr nah.
Aber der Reihe nach: Ein Gelände von 35.000 Quadratmetern, das also rund der fünffachen Größe des Rasens im Volksparkstadion entspricht, das lässt man nicht einfach ungenutzt verkommen. So entstand zunächst die Idee einer Zwischennutzung als Übergangsregelung, während ein neuer Bebauungsplan für das Quartier entwickelt wurde. Das – so wusste man vorher – wird Jahre in Anspruch nehmen. So konnte man den Standort weiter mit Leben füllen, ohne dass notwendige weitere bauliche Maßnahmen behindert würden. Genau die damit erreichte „lebendige Vielfalt“ sollte sich später als symptomatisch für die weitere Entwicklung und Nutzung des Geländes erweisen.
Als Erste entdeckten nämlich findige Handwerker das Potenzial des Bestands der Industriebrache mit ihren stilvollen Backsteingebäuden, in denen in guten Zeiten schon Evelyn Hamann in einem Tatort mitgewirkt hatte. Innerhalb kurzer Zeit wurde ein Teil des Areals an Hamburgs Friedensallee zu einem pulsierenden Gewerbestandort, der sich zudem in den folgenden Jahren immer wieder als stimmungsvoller Rahmen für zahl- reiche Kulturveranstaltungen anbot. Es siedelten sich nämlich angesichts kostengünstiger Mieten nicht nur kleine Werkstätten und Handwerksbetriebe, sondern auch Kunst- und Kulturschaffende an. Die Idee schlug ein und ein Verein „Kolbenhöfe e.V.“ wurde als Interessenvertretung der neuen Mieter gegründet, der sich später sogar zu einer Genossenschaft entwickelte.
UMFANGREICHE ALTLASTENSANIERUNG
Eine industrielle Nutzung über knapp 80 Jahre hinterlässt schon allein aufgrund der seinerzeit betriebenen Gießerei zwangsläufig ihre Spuren. So entstand nach der Prüfung durch unabhängige Gutachter auch hier die Notwendigkeit einer umfangreichen Altlastensanierung, für die zunächst sogar Teile von Hallen abgerissen werden mussten. Bei der von der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie genehmigten Sanierung wurde anschließend das verunreinigte Erdreich abgetragen und durch frischen Boden ersetzt. Hiermit wurde somit sprichwörtlich der Boden für ein gutes Wohn- und Arbeitsumfeld bereitet.
INTENSIVE BÜRGERBETEILIGUNG
Aber damit nicht genug. Es musste ja zunächst für das Gelände samt umliegendem Gesamtquartier das besagte Bebauungsplanverfahren her, dessen Ergebnisse den Ansprüchen der Stadt, aber auch deren Bürger gerecht würden, und das gleichzeitig wirtschaftlich realisierbar wäre. In Hamburg gilt bei neuer Wohnungsbebauung zudem ein Drittelmix, der 30 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen vorschreibt.
„Wir haben deshalb von Anfang an auf eine intensive Bürgerbeteiligung bei der Entstehung und Ausgestaltung des neuen Quartiers gesetzt, denn nur eine aus dem Stadtteil gewachsene Entwicklung kann letztlich auch nachhaltig erfolgreich sein“, sagt Holger Gradzielski, Geschäftsführer der Rheinmetall Immobilien GmbH (RIG), der das frühere Werksgrundstück im Bezirk Altona gehört. Jedoch, so Gradzielski weiter, „bei einer solchen Lösung muss immer auch ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit gewährleistet sein!“
So wurde 2013 die „Dialogwerkstatt Friedensallee“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Initiative konnten sich Anwohner vor Ort über eine mögliche Planung informieren, aber auch ihre eigenen Ideen in den Planungsprozess einbringen. Gleichzeitig wurde unter Einbeziehung der Altonaer Bezirksvertretung ein städtebaulicher Wettbewerb ins Leben gerufen, dem sich zehn Architekturbüros stellten. Klare Zielvorgabe war hier eine gleichwertige Verteilung der Flächen für Wohnen und Gewerbe.
Die abschließende Bewertung der Entwürfe erfolgte durch eine Jury, wobei die Öffentlichkeit während des ganzen Prozesses durchgängig einbezogen wurde. Dies durch eine „gläserne Werkstatt“ und nicht zuletzt mit Hilfe spezieller Infopoints auch über das Bebauungsplanverfahren hinaus. Das Ergebnis des Wettbewerbs war eine gelungene Mischung aus Bestandsgebäuden und neu zu errichtenden Wohnhäusern, die durch Höfe verbunden sind. Und auch heute noch können sich Interessierte über einen weiterhin aktiven Internetauftritt www.kolbenhoefe.de inklusive einer Webcam über die Entwicklung und den Baufortschritt auf dem Gelände informieren.
DAS MÄRCHEN GEHT WEITER
2018 schließlich war die Planungsphase des Bebauungsplans in Ottensen auch amtlicherseits praktisch abgeschlossen. Ebenfalls Bestandteil dieses Plans war ein der Firma Henkel über ihre Tochter Schwarzkopf gehörendes Gelände, das direkt an die Kolbenhöfe angrenzt. Im gleichen Jahr erhielt die RIG, die dazu zwischenzeitlich ein Joint Venture mit der Otto Wulff Projektentwicklung GmbH eingegangen war, die Chance, diese zusätzlichen 46.000 Quadratmeter zu erwerben und ebenfalls zu entwickeln und zu bebauen. Bei allem mit im Boot war und ist der Altonaer Spar- und Bauverein (altoba), der zuvor bereits zwei Baufelder mit rund 13.000 Quadratmetern auf dem Gelände der Kolbenhöfe erworben hatte und für die Planung und Errichtung der öffentlich geförderten Wohnungen auf dem nun gewachsenen Gesamtareal verantwortlich ist.
Durch die Erweiterung schlug die Geburtsstunde der Kolbenhöfe II. Eine einmalige Gelegenheit für die RIG, wie Gradzielski erläutert: „Beide Grundstücke sind Teil des Bebauungsplans in Ottensen und haben den gesamten Planungsprozess gemeinsam durchlaufen. Entsprechend kannten wir die Besonderheiten des neuen Areals. Das vereinfachte für uns die Entwicklung des Gesamtquartiers in entscheidendem Maße.“
Mit diesem Flächenzuwachs der Kolbenhöfe wuchs auch die Zahl der geplanten Wohnungen auf rund 680, hiervon rund 200 öffentlich geförderte Wohnungen. Und weil zu einem echten Viertel auch ein Platz gehört, auf dem beispielsweise ein Wochenmarkt stattfinden kann, erhalten auch die Kolbenhöfe ihren prominenten Quartiersplatz.
LEBENDIGE VIELFALT ZEIGT VERMARKTUNGSERFOLGE
Gute Konzepte verbreiten sich schnell. Das gilt auch für die Kolbenhöfe. So hat die RIG außer der bereits sanierten Halle 7 auch schon einen Teil der derzeit noch im Bau befindlichen Wohngebäude weiterverkaufen können. Der Käufer erwirbt dabei 163 schlüsselfertige Mietwohnungen, von denen 26 öffentlich gefördert sind, sowie sechs Gewerbeeinheiten.
Als weiterer prominenter Käufer erkor das Hamburger Konservatorium die Kolbenhöfe zu seinem neuen Standort. Die traditionsreiche Musikausbildungsstätte wird in ein umgebautes ehemaliges Magazingebäude einziehen und es künftig als Musikschule und Akademie mit Proben- und Seminarräumen nutzen. Ferner wird ein neuer Konzertsaal errichtet, der baulich mit dem Magazingebäude verbunden wird. In dieser Mischung aus historischer Bebauung und Neubau wird zudem als Zeichen einer lebendigen und vielfältigen Quartiersentwicklung auch eine Musik-Kindertagesstätte zusätzlich für Leben sorgen.
In Musikschule, Akademie und vielen weiteren soziokulturellen Initiativen des Konservatoriums werden 11.000 Schülerinnen und Schüler, 300 Studierende und 240 Dozentinnen und Dozenten einmal dort musizieren, wo früher der Rhythmus der Gießmaschinen den Takt angab.
EIN SICHERER BODEN
Und die Handwerker und Gewerbetreibenden? Auch sie haben in der Zwischenzeit in die Kolbenhöfe investiert und mit ihrer Genossenschaft Kolbenwerk eG gemeinsam ihre Bestandshalle erworben. Dies sogar mit Hilfe und Unterstützung der RIG, die das Gebäude gewissermaßen auf die individuellen Bedürfnisse der neuen Eigentümer zugeschnitten und auf den neuesten technischen Stand gebracht hat. So arbeiten dort heute knapp 30 unterschiedliche Kleinbetriebe. Von einer Oldtimer-Werkstatt, einer Motorrad-Selbsthilfe, einer Kunstschmiede, einer Schreinerei und einem Surfbrettbauer bis hin zu Medienschaffenden und Kreativen. Rund 100 Mitarbeiter haben in diesen Betrieben ihr berufliches Zuhause. Einhellige Meinung der neuen Eigentümer: Man ist zufrieden, in den aufwändig renovierten Hallen und Räumen perspektivisch auf gesicherter Ebene weiterarbeiten zu können. Das freut auch angesichts der gemeinsamen Vorgeschichte, und wenn sie nicht gestorben sind, dann …
ZENTRALE LAGE
Im Rahmen eines 8,5 Hektar großen Geländes in Hamburg-Ottensen bilden die Kolbenhöfe als eines von verschiedenen Einzelprojekten den zentralen Kern des künftigen Quartiers an der Friedensallee. Dort entstehen insgesamt 1.200 neue Wohnungen, von denen rund 400 öffentlich gefördert werden. Das gesamte Areal beinhaltet außerdem weitere Flächen für Kleingewerbe, eine Kindertagesstätte und Büros für mehr als 1.500 Beschäftigte. Nicht zu vergessen die Werkstätten für rund 30 lokale Handwerksbetriebe in der von Grund auf renovierten Bestandshalle des früheren Werkes.
Mit einer in Europa einzigartigen Bearbeitungstechnologie entstehen in Papenburg großformatige Buchsen für Getriebe von Windkrafträdern in aller Welt. Ein Beitrag zu einer nachhaltigen Energiegewinnung, der auch der CO2-Bilanz guttut.
Die gegossenen Rohlinge für diese Buchsen stammen aus der größten Buntmetall-Stranggießerei Europas. Sie wird von Rheinmetall ebenfalls am Standort Papenburg betrieben. Als Werkstoff für die rund 60 Zentimeter langen und bei einem Durchmesser von 44 Zentimetern rund 105 Kilogramm schweren Buchsen setzen die Papenburger Aluminium-Bronze ein.
Dieser Werkstoff verfügt in seinen Materialeigenschaften nicht zuletzt aufgrund eines hohen Kupferanteils über besonders hohe Festigkeit. Gleichzeitig ist das Material in hohem Maße korrosionsbeständig für den Einsatz in unterschiedlichen Klimazonen – dies selbst unter rauesten korrosiven Umweltbedingungen. Pro Windrad kommen drei große und weitere fünf kleine Buchsen sowie zwölf Anlaufscheiben zum Einsatz, wobei es noch verschiedene Varianten dieser Konfiguration gibt.
Hohe Investitionen notwendig
Die umweltfreundliche Aufgabe des Getriebes ist es, die relativ langsame Umdrehungszahl der Windradflügel in eine sehr hohe Rotationsgeschwindigkeit im anschließenden Generator für die Stromerzeugung umzusetzen. So erzielen moderne Offshore-Windräder eine Leistung von bis zu 15 Megawatt.
Die Buchsen der Windkraftgetriebe werden dazu in einem aufwändigen Verfahren bearbeitet und erhalten so eine ballige Kontur. Vor dem Start der ersten Serie im November 2021 stand für die Papenburger allerdings eine Investition von fast zwei Millionen Euro in ein modernes Bearbeitungszentrum. Zudem musste ein Klimaraum errichtet werden, in dem die Buchsen bei einer konstanten Umgebungstemperatur bearbeitet werden können. Aufgrund der extrem geringen Toleranzen im μm-Bereich ist es dabei notwendig, eine konstante Raumtemperatur von 20 °C (+/– 1 °C) einzuhalten. Sogar das Kühlwasser der Bearbeitungsmaschine wird dementsprechend temperiert.
Diese absolute Präzisionsarbeit setzt sich bei der Zahl der erlaubten Restpartikel fort, die bei jedem Werkstück im Anschluss an die Bearbeitung einzeln und nach einem speziellen finalen Waschvorgang im Labor geprüft wird.
„Mit den vom Kunden geforderten minimalen Toleranzen der Buchsen können weltweit nur wenige Hersteller umgehen“, so der Leiter des Bereiches Industrial Engineering Dr. Frank Buschenhenke. Die Balligkeit der Buchsen im μm-Bereich herauszubilden, war dabei für die Mannschaft die größte Herausforderung, obwohl man am Standort auf profunde Erfahrung in der Zerspanung zurückblicken kann. „Unsere Kunden bestätigen uns, dass wir in Europa der einzige Zulieferer sind, der dieses Produkt herstellen kann“, so Buschenhenke.
Die Entwicklung geht weiter
Akquiriert wurde dieser Auftrag eines namhaften deutschen Getriebeherstellers für Windkraftanlagen im Geschäftsbereich „Industrial“ der in Papenburg ansässigen Rheinmetall-Tochter, die inzwischen über eine mehr als 130-jährige Geschichte verfügt. Ursprünglich mit dem Ziel entwickelt, die Abhängigkeit vom automobilen Gleitlagergeschäft zu verringern, wurde dieses Segment bereits vor Jahren ins Leben gerufen. Heute repräsentiert es umsatzmäßig zwar noch einen vergleichsweise kleinen, jedoch stetig wachsenden Geschäftszweig des der Rheinmetall-Division Materials and Trade zugeordneten Gleitlagerwerkes. So plant denn auch das Segment Industrial, seinen Umsatzanteil allein im kommenden Jahr zu verdoppeln.
Wenn auch ihre vorhandenen Fertigungskapazitäten für die großen Buchsen im vierstelligen Bereich liegen, arbeiten die Papenburger bereits an der nächsten Generation von Getrieben für Windkraftanlagen. Das Ziel ist auch hier – wen wundert es – eine maximale Gewichtsersparnis bei minimalem Bauraum. Die Welt oder besser gesagt der Flügel dreht sich eben auch bei Windkraftanlagen weiter!