Mit umfangreichen Lieferungen und Unterstützungsleistungen für die Ukraine ist Rheinmetall einer der wichtigsten Unterstützer des Landes bei seinem Abwehrkampf gegen die russische Aggression geworden. Der Düsseldorfer Technologiekonzern kann dabei nicht nur seine umfangreichen Kapazitäten bei essentiell wichtigen Produkten – wie z.B. Munition – in die Waagschale werfen, sondern auch sein breites technologisches Portfolio zu Gunsten des Freiheitskampfs der Ukraine einbringen.

Doch neben der kurzfristigen Bereitstellung von Wehrmaterial benötigt die Ukraine auch auf lange Sicht Hilfe, wenn es darum geht, ihre eigenen militärischen Kapazitäten dauerhaft zu stärken und gleichzeitig an westlichen Standards auszurichten. Rheinmetall hat daher im Mai 2023 im Rüstungsbereich eine strategische Kooperation mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom aufgelegt. Im ersten Schritt sind Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an Einsatzfahrzeugen geplant, später auch die Fertigung von gepanzerten Fahrzeugen in der Ukraine, zum Beispiel von Fuchs-Transportpanzern sowie von Lynx-Schützenpanzern oder Panther-Kampfpanzern. Ziel ist es, der Ukraine ein leistungsfähiger Partner dabei zu sein, die einst starke wehrtechnische Industrie in der Ukraine wiederaufzubauen und die Autonomie ukrainischer Kapazitäten sicherzustellen.

Unterstützungsleistungen Rheinmetalls an die Ukraine

Munition

Mittlerweile ist Rheinmetall die einzige Lieferquelle für die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte mit größeren Stückzahlen von neuer Mittel- und Großkalibermunition der Typen 20 mm (Schützenpanzer Marder), 40 mm-Munition, 105 mm (Kampfpanzer Leopard 1) und 120 mm (Kampfpanzer Leopard 2). Anfang September 2023 wurde das erste Los 35 mm-Munition für Gepard Flugabwehrkanonenpanzer ausgeliefert. Mehrere zehntausend Schuss der insgesamt 300.000 Schuss für die Ukraine werden bis Jahresende gefertigt und bereitgestellt. Rheinmetall ist essentieller, strategischer Partner der Ukraine bei der Belieferung mit 155 mm Artilleriemunition – mehrere zehntausend Schuss wurden bereits geliefert, weitere Lose folgen.

Rheinmetall 120mm HE D11 Panzermunition
Rheinmetall 35mm Gepard-Munition

Gefechtsfahrzeuge

Marder

Auch bei Gefechtsfahrzeugen leistet Rheinmetall substanzielle Unterstützung, entweder auf dem Wege des Ringtauschs mit Partnernationen, wie Griechenland, der Slowakei oder Tschechien oder durch Direktlieferungen. So hat Rheinmetall bereits im März 2023 die ersten von der Bundesregierung beauftragten 20 Schützenpanzer Marder für die Ukraine auf den Weg gebracht. 20 weitere Marder, die im Juni 2023 beauftragt wurden, wurden ebenfalls jüngst ausgeliefert. Im September 2023 hat die Bundesregierung dem Düsseldorfer Technologiekonzern einen weiteren Großauftrag erteilt: Mit den zuletzt beauftragten 40 zusätzlichen Schützenpanzern erhöht sich die Gesamtbestellung auf 80 Marder-Fahrzeuge. Die Lieferung der überholten SPz Marder 1A3, die Rheinmetall aus Beständen der Bundeswehr übernommen hat, erfolgt kurzfristig. Die Arbeiten an den Fahrzeugen laufen bereits auf Hochtouren an mehreren Rheinmetall-Standorten. Weitere Fahrzeuge stehen für Folgeabrufe zur Verfügung.

Rheinmetall Marder IFV

Leopard 1 und 2

Das Lieferpotential bei Kampfpanzer Leopard 1 ist ebenfalls groß: Rheinmetall kann hier eine höhere zweistellige Zahl Kampfpanzer bereitstellen. Auch beim Leopard 2 geht es weiter. Zusätzlich zu den Ringtauschen mit der Slowakei und Tschechien liefert Rheinmetall – über die Regierungen der Niederlande und Dänemarks finanziert – eine niedrige zweistellige Anzahl zur Unterstützung an die Ukraine. Zusätzlich wurde die Instandsetzung dieser Gefechtsfahrzeuge beauftragt. Dieser Auftrag reiht sich in umfassende Unterstützungsleistungen Rheinmetalls für den Abwehrkampf der Ukraine ein.

Leopard 2A4

Flugabwehr

Die Erfolge des 35 mm-Flakpanzers Gepard in der Ukraine unterstreichen, mit welcher Effizienz die kanonenbasierte Flugabwehr Luftziele – besonders Marschflugkörper und Drohnen – abwehren kann. In dieser Tradition steht auch das hochmoderne Skynex von Rheinmetall, ebenfalls eine kanonenbasierte Flugabwehr-Lösung. Entwickelt wurde es für den Nächstbereichsschutz, wo Lenkwaffen nicht effektiv wirken können. Der Einsatz von programmierbarer 35 mm-Air-Burst-Muntion des Typs Ahead, wie sie von Rheinmetall zu diesem Zweck entwickelt wurde, ist dabei wesentlich günstiger als vergleichbare lenkwaffenbasierte Systeme. Außerdem ist es nicht möglich, die 35 mm-Munition nach Abschuss durch elektronische Gegenmaßnahmen zu beeinflussen oder gar abzulenken.

Als Trägerfahrzeug für die Skynex-Systeme dienen die neuen 8×8 Wechsellader-LKW von Rheinmetall, die auch zu hunderten in der Bundeswehr eingeführt sind. Nach Ausbildung der ukrainischen Soldaten folgt die Auslieferung der beiden Skynex-Systeme kurzfristig.

Rheinmetall’s Oerlikon Skynex Air Defence System

HX-Fahrzeuge

Die HX-Fahrzeuge von Rheinmetall MAN Military Vehicles gehören zu den am weitesten verbreiteten militärischen Nutzfahrzeugen und überzeugen durch Robustheit, Beweglichkeit, Ergonomie und Modularität – ein Alleinstellungsmerkmal in der Branche.

Zurzeit sind mehr als 100 Rheinmetall Trucks in der Ukraine im Einsatz, von denen vor kurzem erst 26 fabrikneue LKW geliefert wurden.

Service und logistische Unterstützung

Wo militärisches Gerät in Nutzung ist, sind Lösungen für Service und Instandsetzung unverzichtbar. Um die Einsatzbereitschaft westlicher Kampfsysteme zu erhalten und ihre logistische Betreuung sicherzustellen, baut Rheinmetall im rumänischen NATO-Partnerland am Standort in Satu Mare ein militärisches Wartungs- und Logistikzentrum auf. Auch Gefechtsfahrzeuge der NATO-Streitkräfte sowie deren logistische Fahrzeuge können in diesem Service Hub künftig betreut werden. Darüber hinaus stehen in Zusammenarbeit mit Partnern weitere Instandsetzungs-Hubs in der Ukraine oder auch in Litauen zur Verfügung.

Feldhospital und Rettungsstationen

Das Rheinmetall-Tochterunternehmen Rheinmetall Mobile Systeme GmbH hat mit Unterstützung der Bundesregierung im August 2023 ein schlüsselfertiges Feldhospital an das ukrainische Militär geliefert. Es umfasst 32 Patientenbetten, darunter acht Intensivbetten sowie hochwertige medizinische und intensivmedizinische Ausrüstung. Den Auftrag dazu erhielt Rheinmetall erst Ende 2022. Das kombinierte zelt- und containerbasierte System ist eine komplett autarke sanitätsdienstliche Versorgungseinheit auf Niveau eines Kreiskrankenhauses und entspricht dem Role-2-Standard der NATO.

Im August 2023 absolvierten zehn ukrainische Soldatinnen und Soldaten eine 14-tägige Schulung im Auf- und Abbau sowie im Betrieb des mobilen Lazaretts. Unmittelbar im Anschluss kehrten sie in ihr Einsatzgebiet zurück.

In zwei weiteren Lieferungen Ende 2023 und Anfang 2024 wird die Rheinmetall Mobile Systeme GmbH zwei zusätzliche hochmobile Rettungsstationen an die Ukraine übergeben.

Aufklärungssysteme

Ebenfalls ergänzt werden die umfangreichen Unterstützungsleistungen durch mobile Aufklärungssysteme des Typs SurveilSPIRE mit tag- und nachtsichtfähigen Kameraausstattungen und autopilotierten Minidrohnen. Fünf SurveilSPIRE Luftüberwachungssysteme wurden 2022 geliefert, weitere fünf Systeme sind für 2023 beauftragt. Rheinmetall kooperiert dabei mit einem estnischen Partnerunternehmen.

Erweitert werden diese Fähigkeiten durch die kürzlich beauftragte Lieferung von Aufklärungsdrohnen des Typs LUNA NG an die ukrainischen Streitkräfte. In wenigen Wochen bereits werden die ukrainischen Streitkräfte diese Systeme nutzen.

Mit all diesen Lieferungen unterstreicht der Düsseldorfer Technologiekonzern einmal mehr seine Rolle als bedeutender Lieferant für die militärische Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte und damit letztlich auch für die Sicherheit und die Freiheit in Europa.

Im Verteidigungskampf der Ukraine beweist sich der Flakpanzer Gepard als äußerst effiziente Abwehrwaffe. Entsprechend hoch ist der Munitionsbedarf. Um den akuten Versorgungsengpass zu beheben, hat Rheinmetall in einem multinationalen Kraftakt an seinem Standort in Unterlüß innerhalb weniger Monate eine neue Produktionslinie aufgebaut.

Die frisch aufgetragene antistatische Bodenbeschichtung in der leeren Produktionshalle spiegelt wie eine Eisfläche. Alles ist für die neue Anlage vorbereitet, die bald aus Italien kommt. „Die Infrastruktur steht, nun muss es losgehen. Unser Produkt wird in der Ukraine händeringend erwartet“, sagt Manfred M. (62), Leiter der Produktion des Geschäftsbereichs Waffe Munition in Unterlüß.

Die Erwartungen an M. und sein Team könnten nicht höher sein: In wenigen Wochen soll in der neuen Fertigungsanlage 35mm-Munition für die Gepard Flugabwehrpanzer vom Band rollen, die sich im Verteidigungskampf der Ukraine als so wertvoll erwiesen haben. [Update September 2023: Mittlerweile läuft die Produktion auf Hochtouren, Auslieferungen erfolgen wie geplant. Die erste Charge wurde Ende August 2023 an die Ukraine geliefert.]  Mehrere Millionen Euro wurden für die Anlage investiert. Der Zeitdruck ist enorm, Rheinmetall steht beim Kunden, der deutschen Bundesregierung, im Wort. Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt kam Verteidigungsminister Boris Pistorius an den Rheinmetall-Standort Unterlüß, um sich vor Ort über den Stand der Dinge zu informieren. M. und seine Leute kämpfen buchstäblich gegen die Zeit – doch an ihrer Seite haben sie ein weitgespanntes Netzwerk an Rheinmetall-Kollegen aus unterschiedlichsten Bereichen des Konzerns im In- und Ausland.

Februar 2023: Bei seinem Besuch in Unterlüß informierte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius auch über die Modernisierung der Gefechtsfahrzeuge, die im Zuge des Ringtausches nach Tschechien und in die Slowakei geliefert werden. (Foto: Jan-Phillipp Weisswange)
Rheinmetall-CEO Armin Papperger erklärt seinem hochrangigen Gast die Fertigungsabläufe in der Schweißerei der Rheinmetall Landsysteme GmbH in Unterlüß.

Effiziente Flugabwehr

Experten sind sich einig: Der Gepard mit seiner 35mm-Zwillingskanone ist ein entscheidender Faktor im Verteidigungskampf der Ukraine. Rund vierzig dieser Flakpanzer hat die deutsche Bundesregierung dem Land zur Verfügung gestellt. „Die Luftverteidigung und nicht Jagdflugzeuge waren die Rettung der Ukraine“, konstatierte der britische Militärexperte Justin Bronk. Denn nur mit den Mitteln der Luftverteidigung gelang es der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Übermacht, die Lufthoheit über ihrem Territorium zu behalten. Russland kann seine Luftwaffe somit praktisch nicht in Regionen zum Einsatz bringen, wo mit Geparden zu rechnen ist. Auch gegen die iranischen Kamikaze-Drohnen Shahed-136, mit denen Russland ukrainische Städte angreift, bewähren sich die Gepard Flakpanzer als überaus effiziente Abwehrwaffe. Sie sind quasi permanent im Einsatz, entsprechend hoch ist der Munitionsbedarf: Bei einem Feuerstoß verlassen bis zu zwanzig Geschosse die zwei Oerlikon KDA-Maschinenkanonen. Weil die Munition knapp ist, schießen die ukrainischen Kräfte meist nur noch Fünfer-Salven. (Ho)

Fertigungskapazitäten in Deutschland sind unerlässlich

Rückblende nach Brüssel, 14. Februar 2023: „Wir werden jetzt unverzüglich wieder eigene Produktion aufnehmen bei Rheinmetall für Gepard-Munition“, verkündete Boris Pistorius beim Treffen der Ukraine Defence Contact Group. Bei der Unterstützung der Ukraine gehe es nun ganz besonders auch um Munition, betonte er. Wenige Tage zuvor hatte der Minister mit dem Unternehmen den Vertrag zur kurzfristigen Lieferung von 300.000 Schuss Munition für den Gepard Flugabwehrkanonenpanzer (Flakpanzer) unterzeichnet.

Im Ringen um Nachschub an Munition hatte die Bundesregierung auch im Ausland nichts unversucht gelassen – vergeblich. Bei der Bundeswehr waren die Bestände auf null, nachdem die Bundeswehr die Heeresflugabwehr 2012 endgültig aufgelöst und die Gepard-Systeme vorher schon außer Dienst gestellt hatte. Nun bewähren sich die Geparden in der Ukraine vor allem bei der Abwehr von Kampfdrohnen.

Brasilien verweigerte die Bereitstellung vorhandener Munition aus politischen Gründen. Die Schweiz sah sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage, zu helfen. Daher durfte auch Munition aus anderen Ländern, die ursprünglich in der Schweiz gefertigt wurde, nicht an die Ukraine gegeben werden. Um den Versorgungsengpass aufzuheben, mussten also eigene Fertigungskapazitäten in Deutschland her. Rheinmetall präsentierte dem Beschaffungsamt der Bundeswehr dazu einen Lösungsansatz – und hatte kurze Zeit später den Auftrag.

Höchstmaß an Motivation und Pragmatismus

In Unterlüß steht dazu auch Constantin Sch. (44) in der Verantwortung: „Unsere Frauen und Männer wissen: Sie bewirken da echt was Gutes. Die Motivation ist wirklich sehr hoch.“ Sch. ist im Geschäftsbereich Waffe Munition von Rheinmetall für das operative Geschäft verantwortlich und freut sich, dass es im Projekt zügig vorangeht: „Wir sind selber von der Geschwindigkeit überrascht. Wir haben auch gar keine Zeit, im Programm wie üblich alle Schritte in gewohnter Breite durchzuführen. Vielmehr ist alles auf Geschwindigkeit sowie das erforderliche Minimum an Funktion und vor allem auf Sicherheit ausgerichtet. Das funktioniert nur, weil wir hier sehr kooperativ und bereichsübergreifend arbeiten – der zivile Bereich von Rheinmetall mit dem militärischen, und die Kollegen in der Schweiz und Italien mit uns hier in Deutschland.“

Ortswechsel zu Peter S. (63). Der Geschäftsführer der RWM Schweiz AG zeigt sich beeindruckt: „Es ist unglaublich. Wir schaffen innerhalb von Wochen, wofür wir früher Monate oder Jahre brauchten. Im Grunde ist es das verrückteste Projekt, das ich kenne – und gleichzeitig eines der wichtigsten.“ Das geht nur mit kurzen Entscheidungswegen und viel Pragmatismus, gepaart mit einem Höchstmaß an Willen, Motivation und Ausdauer. „Wir produzieren in Deutschland Munition für einen Krieg in Europa. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir das nach dem Ende des Kalten Krieges so nochmal brauchen würden“, sagt S., der in seiner aktiven Zeit bei der Bundeswehr ein Panzerbataillon im Kosovo kommandiert hat.

In Aktion: Der Gepard bei einem Übungsschießen der Bundeswehr. (Foto: Ralf Schober)
Boris Pistorius mit ukrainischen Soldaten vor einem deutschen Gepard Flugabwehrkanonenpanzer: Rund zwei Wochen nach seinem Amtsantritt reiste der Verteidigungsminister im Februar 2023 nach Kiew. Zentrales Thema der politischen Gespräche waren Waffenlieferungen an die Ukraine. (Foto: picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)

Moderne Munitionstechnik für ein altes System

„Ich sehe niemanden außer Rheinmetall, der das Problem so schnell hätte lösen können. Wir kennen die Oerlikon-Waffe des Gepard und wir haben das dazugehörige Know-how bei der dazugehörigen Mittelkaliber-Munition“, sagt S. Zudem ist Rheinmetall seit der Übernahme der früheren Oerlikon Contraves AG, Zürich, der technologisch führende Anbieter von Lösungen der kanonenbasierten Flugabwehr.

Die Herausforderung: „Der Gepard ist so alt, dass niemand mehr heute die Feuerleitung des Flakpanzers in ihren Details kennt“, erläutert Christian F. (44), Gesamtprojektleiter Gepard-Munition. „Es gibt kaum noch Unterlagen und im Grunde wissen wir nur ansatzweise, was im Inneren des Feuerleitrechners wirklich geschieht.“ Dabei sorgt diese elektronische Komponente für die immer noch beeindruckende Treffgenauigkeit des 35mm-Zwillingskanonen-Systems.

F. erläutert das spezielle Vorgehen: „Die alte Munition nachzubauen, kam nicht in Frage, zumal die früheren Werkzeuge fehlten. Aus Zeitgründen haben wir uns für eine Mischung aus Reverse Engineering und Anpassungsentwicklung entschieden, wie es sie wohl noch nie gab. Wir haben die vorhandene 35mm-Munition für die Bordwaffe eines Schützenpanzers genommen und sie für den Gepard nutzbar gemacht.“ Eine besondere Herausforderung gab es dabei: „Der Feuerleitrechner des Gepard muss die Munition zuverlässig erkennen. Hierfür galt es, die Black Box Gepard-Elektronik erst zu entschlüsseln und sie zu verstehen, damit anschließend die Munition diesbezüglich angepasst werden konnte.“ Sehr wertvoll war es dabei, so F., auch auf das Wissen der Kollegen der Rheinmetall Air Defence zurückgreifen zu können: „Sie haben ihre Mitarbeit sofort zugesichert und uns tatkräftig und pragmatisch unterstützt.“

Breites Technikwissen als unschlagbare Stärke

Das sieht auch Manfred M. in Unterlüß so. „Das ist unsere unschlagbare Stärke bei Rheinmetall – dass wir als Systemhaus so ein breites Wissen im Konzern haben.“ Bei umfangreichen Schieß-Erprobungen im Erprobungszentrum Unterlüß wurde immer wieder getestet, wie es um die Funktionalität steht. Letzter Schritt: der erfolgreiche Abschluss des Verifikationsprogramms mit dem Beschuss aus dem Flakpanzer Gepard im Mai 2023.

Peter S.: „Unsere Leute haben das Projekt aus voller Überzeugung vorangetrieben – in dem Wissen, dass die Ukraine die Munition dringend braucht, je schneller, desto besser.“ Die besondere Leistung ist, dass die Ingenieure und Techniker ein uraltes System mit heutiger Munitionstechnik „verheiratet“ haben. „Ich bewundere den Ehrgeiz, mit dem sie ihr Wissen in dieses Projekt eingebracht haben. Wo andere erfolglos waren, haben wir bei Rheinmetall es innerhalb von nur drei Monaten geschafft und die Anpassungsentwicklung zum Abschluss gebracht“, resümiert S.

Anlagenbau aus der Schublade

Nicht nur in der Entwicklung, sondern auch beim Aufbau der Produktion galt es für Rheinmetall, einen pragmatischen Weg zu finden, damit die ersten Auslieferungen rasch möglich werden. Manfred M., Unterlüß: „Bei der Konzeption der Fertigungsanlage kommen unsere Kollegen bei Pierburg ins Spiel, also im zivilen Bereich von Rheinmetall. Sie haben das Wissen im Anlagenbau und die Pläne für die Anlage, die wir hier brauchen, quasi in der Schublade.“ Constantin Sch. unterstreicht: „Die Pierburg-Kollegen haben hier wirklich einen super Job gemacht!“

Ein kurzer Abstecher nach Neuss zu Holger D. (54), Director Equipment Building bei Pierburg: „Dank unserer Erfahrung konnten wir schnelle Lösungen finden. Ähnliche Anlagen haben wir schon in Camden/USA für die American Rheinmetall Munitions aufgebaut oder auch im ungarischen Varpalota. Für Unterlüß haben wir in Neuss eine so genannte LAP-Linie konzipiert, die von den Kollegen der Pierburg Pump Technology am italienischen Standort Lanciano aufgebaut wurde. Von dort wird sie nach Unterlüß transportiert und dort in Betrieb genommen. Wir arbeiten also Hand in Hand, länderübergreifend.“ LAP steht dabei für die Bearbeitungsschritte Loading – Assembly – Packing, also das Befüllen der Hülsen mit der Treibladung, den Zusammenbau der verschiedenen Bestandteile einer Patrone sowie die Verpackung. Das Pulver für die Treibladung kommt dabei von der Nitrochemie, die ebenfalls dem Konzernverbund angehört.

Perfektes Zusammenspiel

Peter S. bekräftigt: „Nur in diesem perfekten Zusammenspiel aller war das Projekt in so kurzer Zeit realisierbar.“ Die Kooperation ziehe sich auch durch den gesamten Fertigungsprozess. „Durch eine Erweiterung der Lieferketten haben wir den Schweizer Wertschöpfungsanteil so weit wie möglich reduziert und nach Deutschland verlagert.“

Sein Kollege Christian F. erläutert: „Zwei Munitionstypen wird die Ukraine erhalten, und zwar jeweils 150.000 Schuss.“ Als Erstes die Unterkalibermunition, die Schwermetall-Penetratoren enthält und sich besonders zum Kampf gegen gehärtete Ziele eignet. Parallel dazu wird als Zweites auch die Fertigung klassischer Sprengbrandmunition des Typs HEI-T vorbereitet. Sie ist für die typischen Ziele der Flugabwehr konzipiert, also Luftziele wie Flugzeuge oder Lenkflugkörper. Hier ist die Herstellung jedoch aufwändiger, denn auch Explosivstoffe und Zünder werden dafür in ausreichender Menge benötigt. Daher wird die Sprengbrandmunition erst in einem zweiten Schritt ausgeliefert.

Das ist aber kein Problem, so Peter S.: „In den speziellen Szenarien, in denen die Ukraine jetzt kämpft, ist die Art der Munition fast nebensächlich – Hauptsache, sie haben etwas. Sogar mit Übungsmunition könnten sie die gefährlichen Shahed-Drohnen vom Himmel holen.“

Jeder Tag zählt

Derweil bereitet Manfred M. in der Südheide mit seinem Team nun alles für die Produktion vor: „Jetzt schulen wir das Personal für die neuen Aufgaben. Nach Anlieferung und Inbetriebnahme der neuen Anlage werden wir eine Kleinserie fahren und die Funktionalität testen, bevor die eigentliche Serienproduktion beginnt. Im Sommer soll die erste Auslieferung erfolgen.“ Gemeinsam mit Constantin Sch. freut er sich auf den Tag, an dem der erste Lkw mit Gepard-Munition das Werk Unterlüß verlässt. M.: „Das werden wir feiern. Unseren Leuten bedeutet es wirklich sehr viel, mit ihrer Arbeit die Menschen in der Ukraine zu unterstützen.“ Insgesamt 40.000 Patronen sollen noch im Jahr 2023 ausgeliefert werden.

Auch für Projektleiter F. ist es ein Projekt von spezieller Bedeutung: „Wir sind es gewohnt, mit hohem Zeitdruck und großer Verantwortung an unseren Projekten zu arbeiten. Herzblut und Passion – das haben wir sonst auch, ebenso wie knappe Termine. Aber hier kommt noch etwas dazu. Nämlich die konkrete Sinnhaftigkeit des Termindrucks. Unser Produkt kann in der Ukraine Leben retten, jeder Tag zählt. Das setzt im Team nochmals zusätzliche Kräfte frei.“

Die Symbolhaftigkeit ist unübersehbar: Nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung des Westens mit der Ukraine wird der russische Angriff abzuwehren sein. Auch wenn die erste Lieferung von Gepard-Munition in Richtung Ukraine unterwegs ist, wird es ein gemeinsamer Erfolg vieler sein. Ein Erfolg der Kolleginnen und Kollegen in Zürich, Studen und Altdorf in der Schweiz, in Neuss, Unterlüß und im italienischen Lanciano – und ihr Beitrag zur Verteidigung der Ukraine.

Aus Gründen der Unternehmenssicherheit sind alle Namen unkenntlich gemacht.

1.100

Schuss pro Minute

(550 Patronen pro Rohr)


Kaliber

35mm x 228

Typen: klassische Sprengbrandmunition (Typ HEI-T) gegen Flugziele; Unterkalibermunition gegen Bodenziele


1.440

m/s

Geschossgeschwindigkeit der Unterkalibermunition und 1.050 m/s Geschossgeschwindigkeit der Sprengbrandmunition

GEPARD: Entstehung und Wirkung

Text: Dr. Moritz Vischer

Als gepanzertes mobiles Flugabwehrsystem vereint der Gepard -Sensorik und Waffensystem auf einer Plattform. Durch seine zwei 35mm x 228 KDA Kanonen mit großer Munitionsdotierung garantiert er bei jedem Wetter eine hohe Abschussleistung und Wirksamkeit. Somit kann der Gepard alle drei Phasen der Flugabwehr (Flab) – Suchen, Verfolgen und Bekämpfen – autonom ausführen. Die Kunst liegt nun im Ausbalancieren der Systemfehler und einer Optimierung der Übergabe der Phasen zueinander, wenn man sich nicht auf seltene Zufallstreffer beschränken will. Beim Gepard ist dies geglückt. Ein herausragendes Systemengineering, eine geschickte Auslegung der Komponenten sowie eine hohe Redundanz erlauben die Kombination von Betriebsarten. Damit wird, trotz externer Störeinflüsse oder Teilausfälle, die volle Einsatzfähigkeit maximal gewährleistet. So gab es schon 1970 einen Haupt- und einen Notrechner sowie jeweils drei Möglichkeiten, Zielentfernung und Zielwinkel zu messen. Eine sorgfältig ausgelegte Bedienoberfläche für den Kommandanten und den Richtschützen im Turm rundet das System ab. Neben einer hohen Beweglichkeit und Reichweite kann der Gepard einen 24-Stunden-Kampftag ohne logistische Unterstützung durchstehen und mit den mobilen Verbänden an vorderster Front mithalten. Allerdings erwies er sich in der militärischen Nutzung als teuer und anspruchsvoll in der Wartung. Heute sind viele Ersatzteile gar nicht mehr verfügbar.

Die Geschichte des Gepard

Der erste Kriegseinsatz des Gepard Flugabwehrpanzers erfolgte mehr als 50 Jahre nach seiner Entwicklung und Einführung – in der Ukraine. Dass er heute so erfolgreich ist, kommt nicht von ungefähr. Denn bereits bei der Auslegung, Entwicklung und Erprobung des Systems in den 60er und 70er Jahren wurde aus dem Vollen geschöpft.

1960

Mitte der 60er Jahre beginnt die Contraves AG zusammen mit der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon- Bührle AG (heute beide in der Rheinmetall Air Defence aufgegangen) und der Siemens-Albis AG auf eigenes Risiko mit der Entwicklung.

1968

Aufbauend auf den Erfahrungen mit der 35mm x 228 Feldflab (Twin Gun) mit Superfledermaus Feuerleitgeräten (später Skyguard) und früheren Studienarbeiten mobiler Flugabwehrsysteme (20mm Panzer-Flabvierling), konnten erste Prototypen des Gepards bereits 1968 präsentiert werden.

1970

Obschon es zur gleichen Zeit in der Bundesrepublik Deutschland ein parallellaufendes Projekt zur Entwicklung eines 30mm Flakpanzers mit der Hispano Suiza HS-831 Kanone gab (Matador 30), fiel die Wahl 1970 auf die 35mm-Lösung der Oerlikon- Bührle Gruppe.

1974

Nach der abgeschlossenen Systementwicklung erfolgten unter der Führung der Contraves die Serienreifmachung und der Bau einer Vorserie von 17 Fahrzeugen, die ab 1974 geliefert wurden.

1980

Als Generalunternehmer für die Serienfertigung agierte die Krauss- Maffei AG, heute KNDS. Bis Anfang der 1980er Jahre erfolgte dort die Fertigung von mehr als 550 Fahrzeugen in unterschiedlichen Varianten für die Bundeswehr, für die Niederlande und Belgien.

Osteuropa kennt Beat Imhof wie seine Westentasche. Der Mitarbeiter der Nitrochemie Wimmis fährt während seines Urlaubs ehrenamtlich für die Organisation „Licht im Osten“ Hilfsgüter in die ärmsten Regionen des Kontinents. Auch wenn seit Kriegsausbruch in der Ukraine jeder Transport eine Herausforderung darstellt, ist Aufhören für ihn keine Option.

(Foto: Marvin Zilm)

Beat Imhof

geboren 1972 in Thun. Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Seit Januar 2013 ist der gebürtige Schweizer bei der Nitrochemie Wimmis AG im Bereich Werkdienste tätig. Dort sind er und seine beiden Arbeitskollegen für den Unterhalt des gesamten Areals zuständig. Dies umfasst circa 500.000 Quadratmeter Fläche, davon circa 35 Hektar Wald. Vor seiner Tätigkeit bei der Rheinmetall-Tochtergesellschaft arbeitete er 20 Jahre als Lastwagenfahrer in der Schweiz. In seiner Freizeit engagiert sich Beat Imhof ehrenamtlich bei der Schweizer Hilfsorganisation „Licht im Osten.“

Am Morgen des 24. Februar 2022 beherrschte weltweit nur ein Thema die Schlagzeilen: der russische Überfall auf die Ukraine. Schmerzlich wurde vielen bewusst, dass mitten in Europa wieder ein Krieg stattfindet. So ging es auch Beat Imhof. Der 50-Jährige arbeitet im Bereich Werkdienste der Nitrochemie Wimmis AG, einem Unternehmen des Geschäftsbereichs Antriebssysteme des Rheinmetall-Konzerns. In seiner Freizeit ist der ehemalige Berufskraftfahrer seit Jahren für die Hilfsorganisation „Licht im Osten“ in den entlegensten Ecken Osteuropas unterwegs.

„Meine ersten Gedanken an diesem Tag waren bei den Menschen in der Ukraine“, erinnert sich Beat Imhof. „Schon vor Kriegsbeginn hatten viele von ihnen nur wenig zum Leben. Ich hoffte inständig, dass unsere Hilfstransporte weiterhin zu realisieren waren.“ Nach dem ersten Schock handelten er und seine Kolleginnen und Kollegen von der Hilfsorganisation schnell. Fast im Wochentakt gingen Werkzeuge, Hygieneartikel, Decken, Winterkleidung, Haushaltswaren und viele andere lebensnotwendige Dinge in das angegriffene Land.

Aktuell startet rund alle drei Wochen ein Lkw in Richtung Westukraine, berichtet Beat Imhof. Die Ladung besteht vor allem aus Hygiene- und Reinigungsartikeln. Die 1.300 Kilometer lange Route verläuft von der Schweiz über München, Österreich und Ungarn. Im März 2023 saß er zuletzt selbst am Steuer. „Auch wenn wir nicht in die Nähe der Front gekommen sind, waren die Spuren des Konflikts schon ein paar Dutzend Kilometer nach der Grenze überall gegenwärtig. Straßen werden nicht mehr instandgehalten, Werkstätten sind geschlossen und junge Männer fast vollständig aus den Stadtbildern verschwunden.“ Am Zielort in der Region Mukatschewe übernahm dann eine andere Zugmaschine den Auflieger mit den Hilfsgütern und transportierte sie Richtung Kiew.

Den strapaziösesten Teil der rund einwöchigen Reise stellte der Rückweg aus der Ukraine dar. „Die Kontrollen an der Grenze zu Ungarn sind sehr strikt. Zunächst checkte uns die Armee, dann folgten die ukrainischen Zollbeamten und dann erneut ukrainische Soldaten. Manche Lkw müssen eine ganze Woche warten, bis sie passieren können.“ Der Aufwand hat einen ernsten Hintergrund: In der Ukraine sind alle Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren wehrpflichtig – aber mancher will seinen Beitrag zur Verteidigung des Landes nicht leisten und sich durch eine Flucht ins Ausland dem Dienst entziehen. Um das zu verhindern, schauen die ukrainischen Grenztruppen deshalb bei Ausreisenden ganz genau hin.

Gerade in diesen langen Wartephasen kommen Beat Imhof manchmal Zweifel. Schließlich opfert er seinen Urlaub. „Da denkt man schon: Warum tue ich das? Wenn die Menschen dann aber bei der Verteilung der Waren vor Freude weinen, sind alle Bedenken verschwunden. Dass man Menschen helfen kann, motiviert. Und man erkennt, wie gut wir es in der Schweiz und in Deutschland doch haben.“

Welchen Wunsch er hätte, fragen wir ihn zum Schluss. Nach kurzem Zögern antwortet er: „Das Schönste für die Ukraine wäre, wenn dieser Krieg morgen enden würde.“ Doch bis die russischen Aggressoren aus dem Land vertrieben sind, wird es noch dauern. Das weiß auch Beat Imhof. „Deswegen wünsche ich mir, dass die Bedingungen es auch in Zukunft zulassen, mit unseren Hilfstransporten weiterhin Gutes tun zu können.“ Nach wie vor leiden Millionen Menschen unter den Folgen des Krieges und sind auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Anfang 2024, so sein Plan, will er dann auch wieder selbst am Steuer sitzen.

Auf Rheinmetall ist Verlass – in zeitlicher wie auch qualitativer Hinsicht. Alle Projekte zur Unterstützung der Ukraine laufen nach Plan – teils sogar schneller als erwartet.

Deutsche Militärhilfe für die Ukraine

Deutschland unterstützt die Ukraine mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen. Dabei handelt es sich um Abgaben aus Beständen der Bundeswehr und solchen der Industrie, die mit Mitteln der Bundesregierung finanziert worden sind. Die folgende Übersicht zeigt einen Auszug.

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Am 21. März 2023 rollen 20 frisch instandgesetzte Schützenpanzer Marder vom Rheinmetall-Werksgelände in Unterlüß. Es ist ein beeindruckendes Bild, denn die Gefechtsfahrzeuge fahren nicht auf ihren eigenen Ketten, sondern auf einem eigens dafür vorgesehenen, dutzende Waggons langen Eisenbahnzug.

Für den Projektverantwortlichen in Unterlüß – sein Name soll hier Martin V. lauten – ist es ein besonderer Moment: „Es war für uns alle ein wirklich besonderes Gefühl, die Fahrzeuge vom Hof rollen zu sehen. Ich bin extrem stolz auf alle Beteiligten und ihren herausragenden Einsatz.“ Die Panzerlieferung ist Teil der deutschen Militärunterstützung, die der Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffs helfen soll.

Rheinmetalls Beiträge zur Rüstungshilfe

Die 20 Marder für die Ukraine – die darüber hinaus weitere 20 aus Beständen der Bundeswehr erhält – waren nicht die ersten, die Rheinmetall in den letzten Monaten instand setzte. Seit über einem Jahr tobt nun der Krieg in der Ukraine. Herrschte anfangs innerhalb der EU- und NATO-Staaten noch keine klare Linie bezüglich möglicher Unterstützungsleistungen, hat sich das Blatt inzwischen gewendet. Der russische Angriffskrieg hat die EU- und NATO-Partner wieder enger zusammenrücken lassen. Unterdessen fanden mehrere Geberkonferenzen statt, um der Ukraine für ihre Verteidigung Wehrmaterial bereitzustellen. Rheinmetall leistet wichtige Beiträge zu dieser Rüstungshilfe.

So zum Beispiel bei den Ringtausch-Verfahren. Dieses Konzept entwickelte die Bundesregierung kurz nach Beginn des Krieges. NATO-Mitglieder geben ehemaliges Warschauer-Pakt-Großgerät aus der Ära das „Kalten Krieges“ an die Ukraine ab. Dafür erhalten sie westliches Wehrmaterial als Ersatz. Das hat den Vorteil, dass die ukrainischen Streitkräfte ihnen vertraute Hardware erhalten. Im Zuge der Ringtausche liefert Rheinmetall derzeit Marder, Leopard 2 und HX-Lkw.

Für den Ringtausch Griechenland – insgesamt 40 Marder – wurden 25 Fahrzeuge bereits geliefert. Bis zur Jahresmitte werden die restlichen 15 Fahrzeuge bereitgestellt und ausgeliefert sein.

Vom Leopard 2 wiederum sind im Zuge des Ringtauschs insgesamt 29 Exemplare für die Tschechische Republik und die Slowakei vorgesehen. Aktuell laufen die Arbeiten auf Hochtouren. Nachdem die Auslieferung bereits Ende 2022 begonnen hat, wird Rheinmetall dieses Jahr voraussichtlich sogar schneller liefern können als vertraglich vorgesehen. Seit April 2023 werden jeden Monat drei Fahrzeuge an die Kunden übergeben. Bereits im Dezember 2022 erhielten slowenischen Streitkräfte von Rheinmetall 40 HX 8×8-Wechselladersysteme. Slowenien hatte im Gegenzug für diese hochmodernen Logistik-Lkw 28 Kampfpanzer sowjetischer Bauart an die Ukraine gegeben.

Über das bisher Beauftragte hinaus kann Rheinmetall nach jetzigem Stand vom Marder und vom älteren Kampfpanzer Leopard 1 jeweils eine hohe zweistellige Zahl sowie vom Leopard 2 eine mittlere zweistellige Zahl nutzbar machen.

INTENSIVE ARBEITEN

Aus diesen bloßen Zahlen lässt sich nur erahnen, wie viel Engagement die Rheinmetaller bei ihren Arbeiten aufbringen. „Die Marder stammen aus den 1970er Jahren, man kann sich also vorstellen, wie umfangreich der Bedarf an Ersatzteilen ist“, so Martin V. Glücklicherweise hatte Rheinmetall bereits im Vorjahr auf eigene Kosten damit begonnen, die Lager entsprechend zu füllen, so dass hier viel Zeit gespart werden konnte.

Der Marder

Mit einer Stückzahl von zeitweise über 2.000 Einheiten war der Schützenpanzer Marder seit den 1970er Jahren das Hauptwaffensystem der Panzergrenadiertruppe der Bundeswehr. Sein Nachfolger beim deutschen Heer ist seit 2015 der Schützenpanzer Puma.

In unermüdlicher Arbeit im Zweischichtsystem arbeiteten die Verantwortlichen in Unterlüß und Kassel an der Instandsetzung der Marder: „Geschafft haben wir das alles nur, weil wirklich alle Beschäftigten und Abteilungen hervorragend zusammengearbeitet haben, vom Werker bis zur Geschäftsführung“, erklärt der Projektverantwortliche. „Ich kann es nicht oft genug sagen: Ich bin einfach unglaublich dankbar dafür, wie toll alle unterstützt haben.“ Rheinmetall hält somit auch hier seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den nationalen und internationalen Kunden ein und bereitet sich auch auf unvorhergesehene Situationen vor: „Always expect the unexpected“.

Umfangreiche Unterstützung

Dieser Grundsatz gilt auch für weitere Unterstützungsleistungen, die Rheinmetall für die Ukraine erbringt – teilweise in deren Auftrag, teilweise im Auftrag der deutschen und anderer Regierungen. So lieferte Rheinmetall im Auftrag der deutschen Regierung 26 fabrikneue HX-Wechselladersysteme. Mehr als 100 Rheinmetall-Trucks befinden sich derzeit in der Ukraine im Einsatz.

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(Foto: president.gov.ua)

Treffen in Kiew

Am 30. März 2023 empfing der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine kleine Rheinmetall-Delegation im Kiewer Präsidentenpalast.

„Ich habe in den vergangenen Jahren in meiner Funktion als Rheinmetall-Vorstand zahlreiche internationale Spitzenpolitiker und hohe Militärs getroffen. Keiner dieser Termine hat auf mich so einen tiefen Eindruck gemacht wie dieses Treffen mit dem Präsidenten einer Nation, die seit mehr als einem Jahr um ihre Existenz und Freiheit kämpft“, so Rheinmetall-Chef Armin Papperger. „Ich bin dankbar für den überaus fruchtbaren und vertrauensvollen Austausch mit Präsident Selenskyj. Es ist uns Rheinmetallern ein zentrales Anliegen, unsere ukrainischen Freunde im Kampf für Freiheit und Demokratie zu unterstützen und ihren dringenden Bedarf so schnell wie möglich zu decken.“

Rheinmetall ist vor allem mit seinen Kompetenzen im Bereich der Kampffahrzeuge, der Munition, der Flugabwehr und der logistischen Fahrzeuge dazu in der Lage, der Ukraine kurzfristig wie auch auf lange Sicht ein wertvoller und leistungsfähiger Partner zu sein. Darüber hinaus war ein weiteres Gesprächsthema in Kiew, wie Rheinmetall durch die Schaffung von Produktionskapazitäten in der Ukraine einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der Ukraine leisten kann. Rheinmetall steht dazu auch in enger Verbindung zur Bundesregierung, um so effizient und schnell wie möglich zu helfen.

Weiterhin erhielt die Ukraine 2022 fünf SurveilSPIRE-Luftüberwachungssysteme, weitere fünf sind beauftragt. Bei diesem Projekt kooperiert Rheinmetall mit einem estnischen Partnerunternehmen. 2023 kommen zwei Skynex-Flugabwehrsysteme und ein medizinisches Feldlazarett, ein weiteres soll im Laufe des Jahres 2024 folgen. Gerade Munition – seit Gründung der Rheinmetall AG eine ihrer Kernkompetenzen – erweist sich als vordringliches Rüstungsgut. Rheinmetall ist die einzige Lieferquelle, welche neue Munition in den Kalibern 155mm, 120mm, 105mm, 35mm und 20mm in großen Mengen zur Verfügung stellen kann – also für die Artillerie, die Kampfpanzer Leopard 2 und Leopard 1, den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard und den Schützenpanzer Marder. In Unterlüß wird derzeit eine neue Produktionseinheit für 35mm-Munition in Betrieb genommen. Das erste Los der neu produzierten Patronen für den Gepard soll noch im Sommer 2023 an die Ukraine geliefert werden. Im Zuge der Kapazitätsausweitung konnte Rheinmetall weiterhin der Ukraine größere Chargen dringend benötigter Munition für den Kampfeinsatz anbieten.

Neben dieser umfangreichen aktuellen Unterstützung braucht die Ukraine auch auf lange Sicht Hilfe, wenn es darum geht, ihre eigenen militärischen Kapazitäten zu stärken und an westlichen Standards auszurichten. Rheinmetall steht dazu in Gesprächen mit der Regierung des Landes und prüft die Möglichkeiten einer engen Kooperation. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj empfing hierfür sogar Rheinmetall-Chef Armin Papperger (siehe Kasten). Explizit interessiert sich die Ukraine dafür, eigene Kapazitäten zur Produktion des Transportpanzers Fuchs und perspektivisch auch der hochmodernen Kampf- und Schützenpanzer Panther beziehungsweise Lynx entstehen zu lassen. Ziel ist es, die einst starke wehrtechnische Industrie in der Ukraine wiederaufzubauen, um die Autonomie ukrainischer Kapazitäten sicherzustellen.

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Am Rheinmetall-Standort Kassel laufen die Arbeiten zur Instandsetzung weiterer Marder auf Hochtouren. Mindestens eine hohe zweistellige Stückzahl kann noch nutzbar gemacht werden. (Foto: Jan-Phillipp Weisswange)

Während es bis dahin noch ein weiter Weg ist, kommt die erste Rüstungshilfe unterdessen an. Am 30. März 2023 nimmt der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow eine Inspektion der vor kurzem aus Unterlüß eingetroffenen Marder vor. Er bedankt sich bei der Bundesrepublik Deutschland für die Unterstützung der Unabhängigkeit der Ukraine. Nach einer feierlichen Veranstaltung werden diese Schützenpanzer nun durch das ukrainische Militär in den Frontgebieten eingesetzt. Durch solche Projekte, die dazu beitragen, die Unabhängigkeit der Ukraine zu sichern, kann Rheinmetall auch weiterhin mit Recht behaupten: „Wir können liefern!“

Von Unterlüß in die Ukraine: Am 21. März 2023 brachte Rheinmetall die ersten frisch instandgesetzten Schützenpanzer Marder per Eisenbahntransport auf den Weg.

In Düsseldorf sind Cabs nach nach britischem Vorbild unterwegs. Mit an Bord der der Plug-in-Hybrid-Taxis: modernste Komponenten von Rheinmetall.

Mit diesen Taxi-Cabs, die ja eigentlich „Black Cabs“ heißen, verbindet jeder das britische Königreich und natürlich besonders seine Hauptstadt London. Aber auch Taxigesellschaften weltweit haben die Vorteile der geräumigen und dank einer ausfahrbaren Rampe sogar rollstuhlgeeigneten Cabs erkannt. So auch der „Taxi Ruf Düsseldorf“. Die in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt zum Einsatz kommende Variante der Londoner „Droschken“ ist – ganz zeitgemäß – mit einem Plug-in-Hybridantrieb samt Range Extender ausgerüstet und kann so rund 100 Kilometer rein elektrisch fahren.

Hersteller des Fahrzeugs, das mit zwei elektrischen Kühlmittelpumpen und einer elektrischen Wasserumwälzpumpe auch modernste Komponenten des Rheinmetall-Konzerns enthält, ist die mittlerweile zum chinesischen Konzern Geely Automobile gehörende „London EV Company Ltd.“ in Coventry. Notwendig wurde die Entwicklung dieser modernen und sogar als Linkslenker erhältlichen Version der Cabs mit der Bezeichnung TX4 durch einen Erlass des damaligen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson aus dem Jahre 2010. Demnach durften ab 2018 neue Taxis in London nur zugelassen werden, wenn sie in der Lage sind, zumindest teilweise emissionsfrei zu fahren. Der TX4 machte daher bereits 2022 mit über 5.000 Fahrzeugen rund ein Drittel der Londoner Taxiflotte aus. Mittlerweile bereichert er beispielsweise auch die Stadtbilder in Bahrain, Bangkok, Berlin, Johannesburg, Singapur oder Sydney, denn mit seinem Wendekreis von nur 8,54 Metern – oder 28 Feet – ist er ein ideales Fahrzeug für den innerstädtischen Taxiverkehr.

Europa braucht Munition. Nicht nur für die Ukraine, auch für das eigene Militär. Die Rheinmetall-Tochter Nitrochemie stellt in Aschau die dringend benötigten Treibladungspulver und -systeme für Panzermunition und Artilleriegeschosse her – und das rund um die Uhr.

„Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“ Das waren die Worte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffs gegen sein Land. Das Zitat hat auch im zweiten Jahr des Krieges nichts von seiner Aktualität verloren, im Gegenteil. EU, NATO und natürlich die Ukraine benötigen vor allem Artilleriegeschosse. Die Beschaffung hat höchste Priorität und ist (Regierungs-)Chefsache.

Wechseln wir von der Weltbühne nach Aschau am Inn. Hier ist der deutsche Standort der Rheinmetall-Tochter Nitrochemie, ein zweiter Standort befindet sich im schweizerischen Wimmis. Seit Oktober 2022 wird in der Produktionssparte für Antriebssysteme im Vierschichtbetrieb gearbeitet – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. In Aschau werden Treibladungspulver und Hülsen aus Nitrocellulose für großkalibrige Waffensysteme hergestellt – unerlässlich für die Herstellung von Munition. Geschosse bestehen im Wesentlichen aus einem Gehäuse, einem Zünder, Sprengstoff und einer Treibladung bzw. einem separaten Treibladungssystem. Letztere erzeugen den Druck, um das Geschoss aus dem Lauf einer Waffe zu katapultieren.

(Foto: Ralf Grothe, zeitlicht.de 2023)

Dr. Georg Lingg

Jahrgang 1964. Seit 2014 leitet Dr. Georg Lingg die Rheinmetall-Tochter Nitrochemie als CEO der Standorte Wimmis/Schweiz und Aschau/Deutschland. Der gebürtige Leimener ist gelernter Maschinenbau-Ingenieur.

Präzision und Sicherheit

Dass hier unter Hochdruck gearbeitet wird, erschließt sich dem Laien erst auf den zweiten Blick. Auf dem weitläufigen, 95 Hektar großen Gelände befinden sich die Verwaltung und mehrere dutzend kleinere Gebäude, eine große Fabrikhalle fehlt komplett. Die Kleinteiligkeit ist der Sicherheit geschuldet, denn die Belegschaft sitzt im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Pulverfass. Sollte es tatsächlich einen Zwischenfall mit den hochexplosiven Stoffen geben, muss eine Kettenreaktion ausgeschlossen werden. Safety first ist auch das Motto von Dr. Georg Lingg, seit 2014 CEO der Nitrochemie: „Sicherheit steht immer an erster Stelle. Danach die Produktqualität und danach die Quantität. Immer in dieser Reihenfolge.“

Der Maschinenbau-Ingenieur führt die Geschäfte von Aschau und Wimmis: „Wir stellen in der Schweiz die wesentlichen Rohstoffe her, die für die Produktion der Aschauer Treibladungspulver benötigt werden, in erster Linie die so genannte Rohmasse aus Nitrocellulose und Nitroglycerin.“ Diese wird ganz klassisch mit der Bahn nach Oberbayern transportiert. Was überaus gefährlich klingt, sei „gar nicht so schlimm“, meint Dr. Oliver Becker. Der habilitierte Verfahrenstechniker ist in Aschau als Produktionsleiter für die Herstellung der Pulver verantwortlich: „Die Rohmasse ist mit 25 Prozent Wasser versetzt. Die können Sie nicht einmal mit einem Feuerzeug anzünden.“

Die Rohmasse wird in Aschau mit verschiedenen Stoffen vermengt. Dazu gehören Stabilisatoren, Mündungsfeuerdämpfer und andere Energieträger, mit denen die Abbrandgeschwindigkeit verändert werden kann. Denn es ist so, dass das Pulver nicht detoniert, sondern gezielt abbrennt – allerdings mit immenser Geschwindigkeit.

Der so angereicherte „Teig“ ist jetzt bereit für die Walze. Der Walzendruck entzieht der Rohmasse das Wasser, rein mechanisch, ohne Einsatz von Chemie. Oliver Becker ist sichtlich stolz darauf: „Das kann nicht jeder.“ So entsteht eine Art Teppich, zwei Millimeter dick, das so genannte Walzfell, welches zu einer Rolle gewickelt wird.

Das „Pulver“ ist ein Pellet

Jetzt geht es in die Presse. Zentraler Teil ist hier die Matrize, die je nach gefertigtem Produkt variiert. Aus der Presse kommt eine Art Kabel, das dann in kleine Pellets in Zylinderform geschnitten wird – das Treibladungspulver. Unter anderem geben kleine Löcher im Strang die Abbrandgeschwindigkeit vor. Je mehr Löcher, desto progressiver der Abbrand, die Bandbreite reicht von einem bis zu 19. Die Treibmittel für den Antrieb von Artilleriegeschossen haben grundsätzlich eine höhere Lochzahl.

Nitrocellulose ist ein Nachprodukt von Baumwolle, davon zeugt auch der umgangssprachliche Name „Schießbaumwolle“. Dementsprechend können durch Witterungs- und Herkunftsbedingungen Unterschiede in der Beschaffenheit vorkommen. Das Endprodukt hingegen muss stets gleichbleibend präzise ausfallen. Deswegen müssen die Pulverchargen noch homogenisiert werden.

Bildergalerie

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Treibladungspulver in höchster Qualität herzustellen, das ist der Anspruch der Nitrochemie in Aschau. Die Nachfrage nach den Antriebssystemen ist immens, doch in der Produktion heißt es gerade deswegen, einen kühlen Kopf zu bewahren – Präzision statt Massenproduktion bleibt die Devise. (Foto: Robert Wagner)
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Die Rohmasse aus Nitrocellulose kommt aus dem Schweizer Standort Wimmis. In Aschau wird diese zunächst im so genannten Absetzgebäude gelagert und dann weiterverarbeitet. (Foto: Robert Wagner)
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Das Pulver wird gewalzt, um ihm das Wasser zu entziehen. Dafür wird die Masse durch einen hauchdünnen Walzspalt gedrückt. Während des Vorgangs darf der Walzenraum nicht betreten werden, der technische Projektmanager Dr. Andreas Hofmann überwacht den Vorgang am Monitor.
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Das Ergebnis des Walzvorgangs: ein etwa 2mm dicker „Teppich“ aus Nitrocellulose. (Foto: Robert Wagner)
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Dieser Teppich wird von Hand zu einem über 20 kg schweren Wickel gerollt. (Foto: Robert Wagner)
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Wegen der austretenden Dämpfe muss der Mitarbeiter eine Atemschutzmaske tragen. (Foto: Robert Wagner)
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Anschließend wird der Wickel zur Weiterverarbeitung in die Presse gebracht. (Foto: Robert Wagner)
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Innenprozesskontrolle: Hier werden regelmäßig Pulverproben geprüft. (Foto: Robert Wagner)
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Nicht nur die Einhaltung der Maße ist dabei wichtig. (Foto: Robert Wagner)
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Der Rohstoff Baumwolle, aus dem Nitrocellulose hergestellt wird, unterliegt als Naturprodukt Schwankungen. Deswegen wird das Pulver homogenisiert, um immer gleichbleibende Qualität zu garantieren. (Foto: Robert Wagner)
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Ebenfalls in Aschau hergestellt werden die Hülsen für die Treibladung. Die hier abgebildeten Panzerhülsen bestehen aus Nitrocellulose. Nitrochemie-Mitarbeiter Peter Baal setzt diese nach der so genannten Verfilzung in eine „Bügelpresse“, in der ihnen das Restwasser entzogen wird. Anschließend bekommen sie auf einer Drehbank den letzten Schliff. (Foto: Robert Wagner)

Mehr Manufaktur als Fabrik

Der Betrieb in Aschau läuft rund um die Uhr. Doch von Massenproduktion kann keine Rede sein bei der Verarbeitung dieser hochsensiblen Materialien – so dringend sie auch benötigt werden. Jeder Arbeitsschritt geht in Handarbeit, jede Kiste, jeder Wickel, jeder Pulverbehälter wird separat in die verschiedenen Herstellungsstufen, in einzelnstehende Gebäude transportiert und weiterverarbeitet. Das Prinzip Safety first greift bis ins letzte Detail der Fertigung. So sind beispielsweise die Gabelstapler in den sensiblen Produktionsbereichen geschützt, damit sich der Pulverstaub nicht an einer warmen Oberfläche entzünden kann.

Der einzige Ort, der ein klein wenig weitläufiger erscheint, beherbergt die Laborierung. Hier wird das Pulver in eine Hülse aus Nitrocellulose abgefüllt, die zuvor mit einem ebenfalls selbst hergestellten Anzündverstärker ausgerüstet wurde. Die Pulverpellets müssen teilweise von Hand abgewogen werden, damit die erforderliche hohe Genauigkeit beim Ladungsgewicht erreicht wird. Unter anderem werden im Nitrochemie-Werk die modularen Treibladungssysteme für die mittlerweile berühmte Panzerhaubitze 2000 gefertigt. In früheren Zeiten wurde das Pulver in Textilsäcken in Artilleriekanonen eingefüllt. Je nachdem, wie Reichweite und Flugbahn berechnet waren, wurde der Sackinhalt nur zum Teil verwendet, der Rest weggeworfen. Mit dem modularen Treibladungssystem kann die Ladung genau dosiert werden, ohne dass Abfälle entstehen, Oliver Becker vergleicht das System gerne mit Füllerpatronen.

Die fertigen Treibladungsmodule kommen je nach Kundenwunsch in spezielle Kunststoff- oder Metallbehälter, die wiederum auf Paletten gepackt werden. Die handelsübliche Europalette kommt hier – natürlich – nicht zum Einsatz, denn die Anforderungen an die Transportsicherheit sind enorm. Die Paletten und die Verpackung der Patronen müssen hitzebeständig bis zu einer Temperatur von 71° C sein, kältefest bis –51° C, Erschütterungen, beispielsweise denen eines Hubschrauberflugs, standhalten und auch den Sturz einer Fallhöhe von 36 m (z. B. von einem Containerschiff ins Meer) überstehen, ohne zu zerbrechen.

Nitrochemie-Gruppe

Deutsch-schweizerisches Unternehmen: Die Nitrochemie-Gruppe hat ihren Sitz in Wimmis im schweizerischen Kanton Bern und im oberbayerischen Aschau am Inn.

Geschäftsfelder

Antriebssysteme (Treibladungspulver) und Chemiezwischen­produkte (u. a. Herstellung von Silikon­vernetzern, die in handelsüblichen Silikonkartuschen enthalten sind).


Mitarbeiter

480

Aschau

218

Wimmis


Historie

Beide Standorte haben eine lange Tradition: In Wimmis wird seit dem Ende des Ersten Weltkrieges Pulver hergestellt. Seit 1953 firmiert der Standort Aschau unter dem Namen WNC Nitrochemie und stellt dort Pulver her, 1994 erfolgte die Übernahme durch Rheinmetall.

1998 fusionierten der Geschäftsbereich „Pulver & Ladungen“ der SM Schweizerische Munitionsunternehmung AG in Wimmis und die WNC Nitrochemie zur Nitrochemie-Gruppe. Der Aschauer Standort firmiert seither als Nitrochemie Aschau GmbH, der Schweizer Standort als Nitrochemie Wimmis AG.

Dr. Oliver Becker, Jahrgang 1964, leitet seit 2018 als Senior Vice President Operations die Produktion am Standort Aschau. Der gebürtige Münchner ist habilitierter Verfahrenstechniker. (Foto: Robert Wagner)

Personaloffensive

Bereits unmittelbar nach Ausbruch des Ukrainekriegs, also Ende Februar 2022, begann die Nitrochemie, die Pulverkapazitäten in Aschau zu erhöhen. Die größte Herausforderung war die Personalakquise im ländlichen Raum: „Der Arbeitsmarkt in der Region Aschau ist quasi leergefegt“, so Georg Lingg. Doch das Management ließ sich etwas einfallen: „Wir haben eine echte Recruiting-Offensive gestartet – mit Kinospots, Flyern, Außenwerbung und einem Kennenlerntag in Kooperation mit dem Arbeitsamt. Wir konnten so ab 1. Oktober den 24/7-Betrieb in der Pulverfertigung starten und unser Produktionsvolumen um ca. 40 Prozent steigern.“

Anfang 2022 hatte die Nitrochemie noch 440 Mitarbeitende. Bis Ende 2023 werden um die 510 Menschen in Aschau beschäftigt sein. „Das ist eine große Zahl, gerade wenn man bedenkt, dass der Zuwachs sich ausschließlich auf den Unternehmensbereich Antriebssysteme bezieht und nicht auf den Chemie-Bereich“, sagt Oliver Becker. „Außerdem wächst bei so viel neuem Personal auch die gesamte Infrastruktur des Unternehmens mit, zum Beispiel Duschen, Umkleiden und Aufenthaltsräume.“

Artenvielfalt in Aschau

In einem modernen Unternehmen muss auch Nachhaltigkeit gewährleistet sein, wo immer dies möglich ist. Bei den Antriebssystemen der Nitrochemie sind naturnahe Stoffe im Spiel, erklärt Georg Lingg: „Unsere Ausgangsrohstoffe werden aus einer speziellen Baumwollfaser hergestellt. Die Sprengöle werden aus Glycerin hergestellt. Also sind unsere Produkte an sich bereits recht nachhaltig. Das klingt zwar seltsam, ist aber so.“ „Im Übrigen ist die Herstellung des Walzpulvers in Aschau an sich nachhaltig, weil keine Lösemittel gebraucht werden“, ergänzt Oliver Becker.

Das Gelände beherbergt sein eigenes Klärwerk, in dem die Abwässer biologisch gereinigt werden. Der Standort ist von Wald umgeben, es gibt keine Jäger und kaum Lärm oder Verkehr – der Produktionschef freut sich täglich über die Artenvielfalt: „Hier ziehen Rehe durch, wir haben Dachse, viele Vogelarten und unten am Inn hausen die Biber – den Tieren und Pflanzen scheint es bei uns zu gefallen!“

Engagement und Herzblut

Die Nachfrage nach Treibladungspulvern wird auch in Zukunft hoch bleiben. Eine große Aufgabe für die Hersteller, gerade wenn man bedenkt, dass so gut wie jeder Arbeitsschritt in Handarbeit durchgeführt und ein immenser Sicherheitsaufwand betrieben werden muss. „Die Aufgaben hier sind wirklich vielschichtig. Es gibt technische Herausforderungen, für die man breites Wissen benötigt“, sagt Oliver Becker – aber gerade das mache seinen Beruf so spannend. Mit am wichtigsten sei, die Mitarbeiter als Team zusammenzuhalten, „gerade die, die in unterschiedlichen Bereichen arbeiten“.

Viel Herzblut steckt auch Georg Lingg in seinen Job: „Neben den Menschen, die ich durch meine Arbeit kennenlernen darf, berührt es mich, dass wir ein Produkt herstellen, das notwendig ist, um die Ukraine zu unterstützen und die Verteidigungsfähigkeit Europas zu gewährleisten“, sagt der CEO, „und ich nehme wahr, dass in jüngster Zeit die Wertschätzung für die Verteidigungsindustrie enorm gestiegen ist. Für mich ist das eine sehr positive Entwicklung.“

Gesellschaftliches Engagement vor Ort ist seit der Gründung von Rheinmetall ein fester Bestandteil der Unternehmensphilosophie. In Düsseldorf profitiert zum Beispiel Basketball in der modernen Version 3×3 von der Unterstützung und auch für den Technologiekonzern ist die Trendsportart ein „guter Fit“.

„Defence! Defence!“– so rufen Basketballfans weltweit, um ihre Teams anzufeuern. Mit einem Augenzwinkern kann man sich die Frage stellen: Was passt da besser, als einen Sicherheits- und Technologiekonzern als Partner an seiner Seite zu haben? Seit Oktober 2022 unterstützt Rheinmetall im Rahmen einer Vereinbarung mit D.SPORTS/ Sportstadt Düsseldorf zwei 3×3-Basketball-Profi-Mannschaften aus der Landeshauptstadt: LFDY Düsseldorf bei den Herren und die Düsseldorf ZOOS bei den Frauen. Beide Teams spielen Basketball auf höchstem Niveau und treten auch in internationalen Wettbewerben an.

10

Minuten dauert ein Spiel maximal.


12

Sekunden hat ein Team Zeit, einen Korb zu erzielen.


2022

wurden die Düsseldorf ZOOS erst gegründet.

Düsseldorf ist Zentrum des „3×3“

Der gut passende Schlachtruf war natürlich nicht der Hauptgrund für Rheinmetall, diese spezielle Variante des beliebten Ballsports zu fördern. Das macht Philipp von Brandenstein, Leiter Unternehmenskommunikation der Rheinmetall AG, klar: „Wir freuen uns, dass Rheinmetall einen Beitrag zur Entwicklung dieses noch recht jungen Sports leisten kann. Das ist eine gute Ergänzung zu unserem bisherigen Sponsoring-Engagement in traditionellen Sportarten wie Handball und Tischtennis.“ Auch dass der Hauptsitz von Rheinmetall in Düsseldorf liegt, spielt eine Rolle. Die Stadt am Niederrhein entwickelt sich mit den beiden Spitzenteams zu einem der wichtigsten Zentren für das dynamische 3×3-Basketball, das bundesweit immer populärer wird.

Was ist 3×3-Basketball?

Die Wurzeln des 3×3-Basketballs liegen im „Streetball“, das seit den 1980er und 1990er Jahren in US-amerikanischen Metropolen wie New York und Los Angeles gespielt wird. Es unterscheidet sich vom klassischen Basketball mit seinen fünf Spielern pro Team dadurch, dass eine Mannschaft aus drei Personen besteht. Außerdem spielen die Teams nur auf einen Korb. Im Unterschied zum Streetball sind die Regeln jedoch klar definiert: Ein Spiel dauert maximal zehn Minuten oder endet, sobald ein Team 21 Punkte erreicht hat. Angreifer- und Verteidigerrolle der Teams wechseln sich ab, zum Beispiel nach einem Ballverlust oder einem erfolgreichen Korbwurf. Zusätzliche Spannung bringt der Faktor Zeit: Das gerade in der Offensive agierende Team hat jeweils nur zwölf Sekunden Zeit für einen Abschluss. Seit 2020 ist 3×3-Basketball übrigens auch olympische Sportart.

Win-Win für Sport und Unternehmen

Ein Unentschieden gibt es im Basketball eigentlich nie – eine Seite gewinnt mit ganz wenigen Ausnahmen immer. Im vorliegenden Fall kann man aber durchaus von zwei Siegern sprechen. Auf der einen Seite freuen sich die Sportler über die prominente Förderung, wie Manager Emre Atsür erklärt: „Was wir in Düsseldorf auf die Beine gestellt haben, ist absolut großartig. Das gilt sowohl für den Profibereich, in dem wir internationale Erfolge verzeichnen konnten, als auch für den Nachwuchsbereich, durch den wir viele Kids für unsere junge, olympische Sportart begeistern konnten. Ohne die Unterstützung von Rheinmetall wäre das auf den unterschiedlichen Ebenen nicht möglich gewesen.“ Rheinmetall darf als offizieller bzw. Premiumpartner im Gegenzug das eigene Logo auf der Website von LFDY Düsseldorf, bei Heimspielen auf Bannern und auf den Mannschaftsfotos der beiden Profiteams zeigen. Außerdem werden die Social-Media-Kanäle des Unternehmens in den Posts von LFDY und ZOOS sporadisch verlinkt. Rheinmetall ist somit gerade bei einer jungen Zielgruppe präsent, die das Unternehmen ansonsten vielleicht gar nicht kennen würde.

Nicht nur für ein schnelles Internet werden Glasfasern eingesetzt. Auch im Fahrwerksbau gewinnt dieser Werkstoff zunehmend an Bedeutung. In seiner Division Materials and Trade hat der Rheinmetall Konzern beispielsweise eine innovative Technologie für Pkw-Fahrwerksfedern entwickelt. Die Nutzer freuen sich indes über nachhaltige Verbesserungen bei Gewicht und Handling. Und mehr.

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Oscar der Kunststoffindustrie

2022 erhielten die Glasfaserfedern made by Rheinmetall den begehrten „SPE Automotive Award“ der Society of Plastics Engineers Inc. In der Kategorie „Grand Innovation Award“ setzten sie sich vor einer 27-köpfigen Expertenjury gegen eine starke Wettbewerberfront durch.

Der allgemeine Trend zur Elektromobilität führt dazu, dass dem Thema Leichtbau mittlerweile auch bei Fahrwerken große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Schon heute werden deshalb spezielle Blattfedern aus Leichtbaumaterial für bestimmte Fahrzeuge eingesetzt. Da viele moderne Pkw-Fahrwerke aber bauraumbedingt auf Stahlfedern zurückgreifen, hat Rheinmetall eine innovative Lösung entwickelt, die auf faserverstärkten Kunststoff in einem weltweit einzigartigen und zudem platzsparenden Design setzt.

Kein Wunder, dass die neuen Glasfaserfedern im Verlauf ihrer Entwicklung schnell auf das Interesse namhafter Automobilhersteller gestoßen sind. Was zunächst in einem Leichtbau-Kompetenzträger eines deutschen Premiumherstellers verbaut wurde, könnte anhand der erzielten positiven Ergebnisse künftig auch in elektrischen Serienfahrzeugen der Marke Einzug halten. Zusätzlich sind bei weiteren namhaften Automobilherstellern im In- und Ausland erweiterte Feldversuche mit den neuen Federn in der Vorbereitung.

Herausforderung an Entwickler

Bevor es zum ersten Einsatz der Federn kommen konnte, hatten die Konstrukteure in Neckarsulm allerdings große entwicklerische Herausforderungen zu überwinden. Als diese Hürden schließlich genommen waren, wurde die neue faserverstärkte Kunststofffeder aber sogleich mit dem „Oscar der Kunststoffindustrie“ prämiert. Nicht ohne Grund, denn durch ein mittlerweile patentiertes Design werden die im Betrieb auftretenden kritischen Spannungen in der Feder reduziert und sie lässt sich selbst bei Fahrzeugen mit nur kleinsten Bauräumen einsetzen. Ein Ansatz, der die Fachjury überzeugte.

Marcus Gerlach, Divisionsleiter Materials and Trade und Geschäftsführer der Rheinmetall Invent GmbH, bei der die Federn entwickelt werden, erläutert: “Unsere neuartige Glasfaserfeder bietet eine Vielzahl von Vorteilen, und dies nicht nur für Automobilhersteller. Damit hat sie das Potenzial, herkömmliche Stahlfedern im Fahrwerksbereich ganz unterschiedlicher Fahrzeuge zu ersetzen, und leistet zudem einen Beitrag zur CO2-Reduktion.“

Erhebliche Gewichtseinsparungen

Neben einer Gewichtsreduzierung von bis zu 75 Prozent gegenüber herkömmlichen Stahlfedern weisen die Glasfaserfedern in der Tat noch eine Reihe weiterer Vorteile auf. Zum einen ermöglichen sie eine grundsätzlich freie Formgebung. Zum anderen verfügen sie über ein deutlich verbessertes Nachschwingverhalten aufgrund der selbstdämpfenden Eigenschaften des Materials. Hinzu kommen ihre Korrosionsbeständigkeit und ihre graduelle Bruchcharakteristik. Dadurch sind verbesserte Notlaufeigenschaften und eine Weiterfahrt selbst mit beschädigter Feder möglich. Außerdem produzieren sie dank ihres guten NVH-Verhaltens (Noise/Vibration/Harshness) geringere Geräusche und übertragen Vibrationen weniger stark ins Fahrzeuginnere.

Die Herstellung der Federn ist dabei nicht unkompliziert und erfordert ein umfassendes Prozess-Know-how. „Wir haben dazu eigens ein Technikum am Standort Neckarsulm aufgebaut“, so der zuständige Bereichsleiter Ingo Goutier, „in dem wir alle Prozesse genau wie in der späteren Serienfertigung entwickeln, aufeinander abstimmen und auch den Automatisierungsgrad schrittweise anheben können.“

Auch Youtuber und Car Maniac-Herausgeber Chris Karatsonyi war von der neuartigen Feder begeistert. (Foto: Car Maniac)

Breite Einsatzmöglichkeiten

Neben der Ausstattung von Prototypen und Testflotten können die Neckarsulmer mit ihrem jederzeit erweiterbaren Technikum sogar erste Serien bedienen. Zudem könnten sie damit auch Konzept- und Designanforderungen für Einsatzzwecke außerhalb des Automobilbereichs erfüllen.

Damit kommen sie dem generellen Interesse auch anderer Wirtschaftszweige entgegen, alternative Leichtbaukonzepte schnell zu verifizieren, die entsprechend notwendigen Prozesse anzupassen und die neue Technik so zur Serienreife zu bringen. Dann könnte es auch zukünftig wieder heißen: „And the winner is – Rheinmetall Glass Fiber Spring“ – und mit ihr wären dann auch noch ganz andere Industriezweige auf der Gewinnerseite!

Alternative Kraftstoffe, Hybridisierung, Batterieelektrik oder Brennstoffzelle: Die Richtung, die die Mobilität der Zukunft einzuschlagen gedenkt, ist selbst angesichts der aktuellen EU-Vorgaben für Pkw und Nutzfahrzeuge extrem schwer einzuschätzen. Das gilt für Kaufentscheidungen von Verbrauchern, aber in noch stärkerem Maße für die Ausrichtung der Hersteller.

Was macht ein Wasserstoff-Rezirkulationsgebläse?

Das Gebläse erfüllt eine zentrale Funktion in Brennstoffzellensystemen. Seine Aufgabe ist es, dem Brennstoffzellenstapel (Stack) den während der Reaktion in der Zelle nicht verbrauchten Wasserstoff erneut zuzuführen. Damit erhöht es die Effizienz der Brennstoffzelle und verlängert ihre Lebensdauer. Außerdem ermöglicht die gleichmäßige Verteilung des Wasserstoffs ein verbessertes Startverhalten des Systems.

In gleicher Weise stehen auch Zulieferer und deren Entwicklungsabteilungen unter dem Druck, mit erheblichem zeitlichen Vorlauf Grundsatzentscheidungen treffen zu müssen, die maßgeblich sind für die Ausrichtung des eigenen Produktportfolios. Hiervon hängen Arbeitsplätze und nicht selten Wohl und Wehe ganzer Unternehmen ab. Gut ist es da, wenn man sich in seiner Ausrichtung frühzeitig eine Technologieoffenheit bewahren konnte und als Entwicklungspartner seit vielen Jahren unterschiedliche Antriebskonzepte parallel verfolgt.

Ein Umstand, der Rheinmetall aktuell zugutekommt. Das Unternehmen ist über seine Division Sensors and Actuators seit mehr als zwei Jahrzehnten forschend und entwickelnd auch in der Wasserstoff-Technologie zuhause. Aus dieser Erfahrung heraus entstanden Produkte, die heute zentrale Funktionen in Brennstoffzellen übernehmen.

Wenn der dabei eingesetzte Wasserstoff auch nicht nur ein sehr flüchtiges, sondern vor allem ein seltenes und wertvolles Gut ist (s. Interview mit Prof. Claudia Kemfert), so wird er doch in zukünftigen Anwendungen seinen Platz finden. Ronny Marzog, Abteilungsleiter in der für das Produkt zuständigen Business Unit, ist sich da sicher: „Bei Langstrecken-Nutzfahrzeugen, die mehr als 500 Kilometer am Tag zurücklegen müssen, wird nichts an der Brennstoffzelle vorbeiführen. Dort sprechen wir dann von elektrischen Leistungen der Zellenstapel (Stacks) im Bereich von 100–150 kW.“

Dies unterstreichen auch die Aufträge in der Größenordnung von mittlerweile fast einer halben Milliarde Euro, die sein Bereich inzwischen allein für ein Produkt, das Wasserstoff-Rezirkulationsgebläse (engl. HRB – hydrogen recirculation blower), von mehreren nationalen und internationalen Kunden akquirieren konnte. Dabei handelt es sich nicht nur um Kunden aus dem Bereich Truck und Bus. Auch maritime Einsätze, beispielsweise für Fähren oder Containerschiffe, sowie die Verwendung in stationären Applikationen, wie etwa Notstromaggregaten, gehören dazu. Ausschlaggebend für alle war bei der Auftragsvergabe aber die derzeit am Markt verfügbare höchste Qualität und Zuverlässigkeit der Komponente.

Eine penible Qualitätskontrolle ist bei der Herstellung der Rezirkulationsgebläse unabdingbar.
Rheinmetall entwickelt seit mehr als zwei Jahrzehnten Produkte für die Wasserstoff-Technologie. (Fotos: Ralf Grothe, zeitlicht.de 2023)

Aus einer Hand

Im wahrsten Sinne weitreichendes Teamwork ist bei der Produktion der Gebläse gefordert, für die im Werk Hartha zurzeit eine Fertigungslinie aufgebaut wird. Zulieferteile kommen aus den Werken Niederrhein (Guss) und Abadiano im Baskenland (Elektronik). Für das dritte Quartal 2023 rechnet der Produktmanager mit ersten Qualifizierungsteilen „Made in Sachsen“. Danach geht es in die Serienfertigung.

Und weiter geht‘s

Marzog und sein Team entwickeln aber parallel bereits Aggregate für noch höhere Leistungsklassen des Gebläses. So wird von seinen Kunden teilweise schon eine elektrische Aufnahmeleistung von 2,5 kW gefordert. Den Entwicklern geht es dabei vor allem darum, in gleicher Weise eine extrem hohe Qualität und Dichtigkeit sowie die geforderte Hochvoltbeständigkeit der Komponente über den angepeilten Lebenszyklus von 25.000 Betriebsstunden sicherzustellen. Denn auch das Rezirkulationsgebläse muss die Gesamtlaufleistung eines modernen Langstrecken-Lkws abbilden können.

Zusätzlich sind im Unternehmen aber auch schon Wasserstoff-Rezirkulationsgebläse für Stackleistungen von 20–40 Watt, beispielsweise für Pkw oder kleine stationäre Anwendungen, in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Aufgrund der jüngsten Erfolge und der zu erwartenden Marktdynamik hat der Konzern die Entwicklungsanstrengungen in diesem Bereich ausgedehnt. Darüber hinaus ist eine Reihe weiterer innovativer Komponenten in der Entstehung, um das entsprechende Portfolio sukzessive auszubauen. Auch dahinter steckt eine strategische Unternehmensentscheidung: Rheinmetall möchte eine nachhaltige Rolle bei der Transformation der Industrie hin zu umweltschonenden modernen Antriebsformen im mobilen wie auch im stationären Bereich einnehmen und hat dabei einmal mehr die Nase vorn.

Ohne grünen Wasserstoff können Wirtschaft und Militär nicht klimaneutral werden. Noch sind Produktion, Speicherung und Transport des begehrten Gases nicht massentauglich. Rheinmetall will dies ändern.

Wasserstoff

Nichts steht mehr für die Hoffnung auf eine klimafreundliche ­Zukunft als Wasserstoff. Lässt man ihn mit ­Sauerstoff reagieren, erhält man ­Wasser und – da die Reaktion ­exotherm ist – als Nebenprodukt Energie: in Form von Wärme bei seiner Verbrennung, als elektrische Energie in der Brennstoffzelle. Das Problem: Obwohl er in gebundener Form in der Natur häufig ­vorkommt, ist die Erzeugung von grünem ­Wasserstoff aktuell noch vergleichsweise teuer. Eine wettbewerbsfähige Produktion in ­Gigawattmaßstäben fehlt. Speicherung und Transport bringen weitere Herausforderungen mit sich. Lohnt es sich also, in ­entsprechende Technologien zu ­investieren? Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff? Wie lassen sich die ­notwendigen Strukturen schaffen?

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(Foto: istockphoto / liorpt)

Herstellung

Grüner Wasserstoff lässt sich dort am sinnvollsten produzieren, wo genügend erneuerbare Energie zur Verfügung steht, um die Wasser-Elektrolyse klimaneutral zu betreiben – wie beispielsweise in Süd- und Westafrika oder in Australien. In Deutschland will die Bundesregierung bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens zehn Gigawatt aufbauen. Experten gehen davon aus, dass die Wasserstoffpreise fallen werden. Verglichen mit heute sollen sich die Erzeugungskosten von grünem Wasserstoff bis zum Ende des Jahrzehnts um ein Drittel bis zur Hälfte reduzieren.

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(Foto: istockphoto / Menzhiliy Anatoly)

Transport

Ob unter Druck, verflüssigt, gebunden, per Lkw, Pipeline oder Schiff: Je nach Menge und Distanz sind unterschiedliche Methoden für den Transport von Wasserstoff sinnvoll. Welche Verfahren in Zukunft zum Einsatz kommen, ist derzeit noch offen.

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(Foto: istockphoto / Strekalova)

Einsatz

Anwendung findet grüner Wasserstoff zuerst dort, wo es keine Alternativen gibt. Wo Wasserstoff in großen Mengen benötigt wird und wohin der Transport sich daher verhältnismäßig einfach gestaltet: in der Stahl- und Chemieindustrie und in Form von E-Fuels im Langstrecken- und Schwerlastverkehr.

Auch wenn die prognostizierten Zahlen zur globalen Wasserstoffnachfrage mitunter variieren, sind sich die Marktexperten in einem Punkt doch einig: Die Kurve zeigt steil nach oben. Bis 2050 sollen weltweit 660 Millionen Tonnen Wasserstoff benötigt werden, schätzt beispielsweise der internationale Hydrogen Council. Verglichen mit 2020 ist das mehr als das Siebenfache. Kein Wunder, eignet sich Wasserstoff doch für verschiedenste Anwendungen – ob als Rohstoff für die Industrie, als synthetischer Energieträger oder als nachhaltiger Treibstoff für Brennstoffzellen.

Alternativlos in der Prozess- und chemischen Industrie

Am größten ist der Bedarf, wo Alternativen fehlen wie in der Prozess- und chemischen Industrie. Dort wird er derzeit hauptsächlich noch per Dampfreformierung aus fossilem Erdgas gewonnen. Die damit verbundenen Treibhausgasemissionen sind enorm. Weitaus klimafreundlicher lässt sich das Gas mit Elektrolyseuren herstellen. Sie spalten Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff auf. Stammt der dafür erforderliche Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen, entsteht das, was gemeinhin als grüner Wasserstoff bezeichnet wird.

Noch sind entsprechende Herstellungsverfahren aufwändig und damit teuer. Sicher ist allerdings: Je günstiger sich erneuerbarer Strom produzieren lässt und je weiter die Entwicklung der Wasserelektrolyse fortschreitet, desto erschwinglicher wird grüner Wasserstoff werden. Bis es so weit ist, sollte das vorerst knappe Gut dort Verwendung finden, wo grüner Wasserstoff aus ökologischer Sicht als einzig sinnvolle Variante gilt: Dies betrifft zum einen die Herstellung so genannter E-Fuels für den zivilen und militärischen Flug-, Schwerlast- und Schiffsverkehr. Und zum anderen die Dekarbonisierung der oben genannten Industrien.

Ungelöste Frage des Transports

Manche der betroffenen Unternehmen, allen voran die Stahlindustrie, arbeiten bereits mit Hochdruck daran, zukünftig grünen Wasserstoff in unmittelbarer Nähe zu ihren Fertigungsstätten zu produzieren. Und das aus gutem Grund. Denn sowohl der Transport als auch die Speicherung des flüchtigen und mitunter hochexplosiven Gases sind naturgemäß nicht ganz unproblematisch und deshalb mit erheblichen Herausforderungen verbunden.

Bei kurzen Distanzen erfolgt der Transport bis dato meist auf der Straße. Während der Ausbau von Pipelinesystemen enorme Investitionen erfordert, bieten speziell ausgerüstete Lkw eine schnelle und kostengünstige Option. Sie stellen allerdings in Bezug auf die Sicherheit höchste Anforderungen an die Tank- und Druckbehältnisse. Andere Ansätze arbeiten beispielsweise an der Methanisierung, um den chemisch gebundenen Wasserstoff per Tanker über die Meere zu transportieren. Welche Wege letzten Endes zum Ziel führen, ist derzeit noch offen. Klar ist aber: Ohne eine geeignete Logistik kann eine Wasserstoffwirtschaft nicht funktionieren. Dafür werden sowohl neuartige Speichermethoden und -behälter als auch teilweise gänzlich neue Transporttechnologien benötigt.

Grossserienfertigung für den Markthochlauf

Der Markt für Wasserstofftechnologien wird in den nächsten Jahren gewaltig wachsen. Davon ist Shena Britzen, Head of Hydrogen Program bei Rheinmetall, überzeugt. Der Technologiekonzern arbeitet deshalb schon heute gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Kunden am Aufbau eines neuen Wasserstoffökosystems. „Unser Ziel ist die Entwicklung marktfähiger Lösungen und Komponenten, mit denen sich Wasserstoff kostengünstig herstellen, speichern und transportieren lässt“, erklärt Britzen die Strategie des Unternehmens. Der DAX-Konzern versteht sich als so genannter „Schaufelhersteller“, wie Zulieferunternehmen für boomende Branchen in Börsenkreisen gerne bezeichnet werden. Als technologischer Vorreiter verfügt Rheinmetall über langjähriges Know-how in der Großserienfertigung von Brennstoffzellenkomponenten. Das Unternehmen ist industrieller Partner im Forschungs- und Entwicklungskonsortium des Zentrums für Brennstoffzellen Technik (ZBT) in Duisburg sowie Mitglied der durch den Bund und das Land Nordrhein-Westfalen finanziell unterstützten Wasserstoff- und Brennstoffzelleninitiative. „Wir wollen die Wasserstoffökonomie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entscheidend mitprägen“, betont Britzen. Dafür investiert die Unternehmensgruppe weltweit.

Neue Generation der Elektrolyse

Ihr jüngstes Innovationsvorhaben in Kooperation mit zwei Technologiepartnern optimiert die bewährte Technik der alkalischen Elektrolyse. Aufgrund ihrer geringen Leistungsdichte können herkömmliche Anlagen pro Quadratzentimeter Fläche vergleichsweise wenig Wasserstoff produzieren. Dementsprechend hoch ist ihr Material- und Platzbedarf. Für die nächste Generation der alkalischen Elektrolyse sollen der Wirkungsgrad und die Leistungsdichte deutlich erhöht werden. Basis sind fortschrittliche, kostengünstige und industriell skalierbare Elektroden- und Membrankomponenten. Diese werden von den beteiligten Partnern in enger Zusammenarbeit zu einem Elektrolyse-Stack integriert und eingehend getestet. „E2ngel“, so der Name des gemeinsamen Projekts, will mit dem leistungsfähigen Elektrodenpaket zu niedrigen Herstellungskosten die Wasserstoffgewinnung wirtschaftlicher als heute gestalten und damit einen wesentlichen Beitrag zur globalen Energietransformation leisten.

H2LORICA: Druck machen in Sachen Tanksysteme

Die Elektrolyse ist jedoch nicht das einzige Feld, auf dem Rheinmetall in Sachen Wasserstoff Entwicklungsarbeit leistet, wie Shena Britzen erklärt. „Größtes Marktpotenzial bieten aus unserer Sicht die Speicherung und der Transport von Wasserstoff. In Kooperation mit dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen haben wir eine Technologie zur Herstellung innovativer Drucktanks entwickelt. Diese Technologie soll nun zur Produktreife gebracht werden.“ Aktuell befindet sich das Projekt mit dem Namen H2LORICA in der Prototypenentwicklung und Validierung. Die entsprechende Maschine für die Großserienproduktion konzipiert Rheinmetall in enger Zusammenarbeit mit einem Anlagenhersteller. Verglichen mit dem aktuellen Status quo verkürzt die neue Fertigungstechnik die Wickelzeit um bis zu 80 Prozent – und das mit weniger Carbon und mehr Speicherkapazität. Gleichzeitig führt eine neue integrierte Branderkennung zu einer höheren Gesamtsicherheit der Composite-Druckbehälter.

Mehr Versorgungssicherheit für Südafrika

Rund 9.500 Kilometer weiter südlich, in Kapstadt, ist der Konzern bereits einen Schritt weiter. Hier in der Hafenstadt an der Südwestküste Südafrikas hat das Tochterunternehmen Rheinmetall Denel Munition (RDM) unlängst eine schlüsselfertige Modullösung auf den Markt gebracht, mit der sich grüner Wasserstoff erzeugen, speichern und transportieren lässt. Die Entwicklung der sowohl mobil als auch stationär einsetzbaren Container kommt nicht von ungefähr, wie der CEO von Rheinmetall Denel Munition, Jan-Patrick Helmsen, erläutert. „Die Netzinfrastruktur der öffentlichen Stromversorgung hierzulande ist veraltet und vielerorts marode. Die Stromerzeugung ist zu gering, als dass sie für die vielen Verbraucher im Land reichen würde. Um komplette Blackouts zu vermeiden, stellt der staatliche Energiekonzern mehrmals am Tag für mehrere Stunden den Strom ab.“ Das „Loadshedding“, übersetzt Lastabwurf, sei nicht nur für die Privathaushalte ein Ärgernis, so der Manager. „Insbesondere die Wirtschaft leidet seit Jahren massiv unter den Abschaltungen.“

Lernen im Schein von Gaslampen gehört für die Kinder in Südafrika zum Alltag. Denn in der Regenbogennation ist Energie knapp. Um zu vermeiden, dass endgültig die Lichter ausgehen, wird bereits seit Jahren für mehrere Stunden täglich der Strom abgestellt. (Foto: picture alliance / REUTERS / Siphiwe Sibeko)
Die Bevölkerung und die Wirtschaft leiden, Arbeitsplätze sind in Gefahr. (Foto: Getty Images / Anadolu Agency / Kontributor)

Zukunftsinvestition Südafrika

Neben der Produktion von Munitionsfamilien im Groß- und Mittelkaliber entwickelt sich Rheinmetall Denel Munition (Pty) Ltd. zunehmend als Green Energy Solution Provider Südafrikas. Seit dem Start seines Joint Ventures mit Denel im Jahr 2008 hat Rheinmetall in Südafrika mehr als 200 Millionen Euro investiert.

100

Mio. Euro in Infrastruktur


75

Mio. Euro in Technologie & Produktentwicklung


15

Mio. Euro in Aus- und Weiterbildung & Stipendien


12

Mio. Euro in erneuerbare Energien

Strom für entlegene Kommunen

Aus Not behelfen sich viele Unternehmen und Gemeinden mit Alternativen. Wenn wieder einmal die Lichter ausgehen, springen überall die Generatoren an. Statt klimaschädlicher Dieselgeneratoren kann die dringend benötigte Versorgungssicherheit in Zukunft über CO2-neutrale, autarke Energielösungen wie die von Rheinmetall Denel Munition garantiert werden. Solarenergie für die Herstellung des Wasserstoffs gibt es im sonnenverwöhnten Südafrika satt. Die Produktionsmenge lässt sich individuell auf den jeweiligen Bedarf zuschneiden.

Absatz verspricht sich Rheinmetall insbesondere auch in den so genannten Remote Communitys, die nicht an das öffentliche Netz angeschlossen sind. „Eine Containerlösung mit Solarpanelen, Elektrolyseur und Speicher kann 30 bis 40 Haushalte dauerhaft mit Strom versorgen“, weiß Helmsen. „Unser System lässt sich überall dort einsetzen, wo unabhängige, verlässliche Energie benötigt wird: in Townships, Industrieanlagen oder Feldlagern.“ Er und sein Team sind bereits mit interessierten Unternehmen im Gespräch, um die Technologie des Green Energy Solution Providers Rheinmetall zu skalieren und für verschiedene Anwendungsfälle verfügbar zu machen.

Wie lässt sich eine unabhängige und klimafreundliche Energieversorgung sicherstellen? Eine Antwort liefert Rheinmetall mit seiner mobilen, schlüsselfertigen Modullösung für die Erzeugung, die Speicherung, den Transport und die Weiterverarbeitung von CO2-freiem Wasserstoff.
Solarpanele, ein Elektrolyseur, Drucktanks und gegebenenfalls einen Container für die synthetische Kraftstofferzeugung – mehr braucht es nicht.

Blaupause für Down Under

In ähnlicher Weise können die Remote Communitys in Australien von der neuartigen Containerenergie profitieren. Dort leben rund 29 Prozent der Bevölkerung in ländlichen und entlegenen Gebieten. „Die Fertigung der Modullösung für den australischen Markt soll im Werk der Rheinmetall Defence Australia in Brisbane erfolgen“, kündigt Shena Britzen an. „Der Aufbau der entsprechenden Produktionsanlagen ist bereits in Planung.“ Gleichzeitig will der Standort in die Herstellung von Elektrolysecontainern einsteigen.

Klimafront: Die Dekarbonisierung der Bundeswehr

Die NATO-Streitkräfte in Europa stehen vor der Herausforderung, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern und sich unabhängig von der Einfuhr fossiler Energien aufzustellen. Synthetisch mit Wind- und Sonnenstrom hergestellte E-Fuels eröffnen dafür einen gangbaren Weg. Entsprechende Produktionsanlagen könnten das 5.200 km umfassende Central European Pipeline System (CEPS) der NATO zuverlässig mit dem klimafreundlichen Kraftstoff versorgen. Wird die grüne PtXTechnologie als ein wichtiger Beitrag zur Verteidigungsbereitschaft der NATO anerkannt, lässt sich ihre Ausweitung erheblich beschleunigen.


Für ihre Mobilität zu Land, zu Luft und zu Wasser emittierte die Bundeswehr im Jahr 2020 insgesamt

630.000

Tonnen CO2.


Dies entspricht in etwa

238.000.000

Litern Kraftstoff

(Single Fuel Policy) pro Jahr.


60%

des eingesetzten Ökostroms

können als Energie im Kraftstoff gespeichert werden. Eine PV-Anlage liefert pro Quadratmeter 0,1 kW elektrische Leistung.


23.000

km² PV-Fläche

Um diese Energiemenge aus Sonnenlicht in Deutschland zu erzeugen (1.650 Stunden Sonnenlicht pro Jahr), wären etwa 23 Quadratkilometer PV-Fläche erforderlich.


5 – 10

Mrd. Euro

Unter Verwendung der heute verfügbaren Technologie und unter Berücksichtigung der Skalierungseffekte würden sich die Gesamtinvestitionen für die PV- und PtX-Anlagen auf schätzungsweise fünf bis zehn Milliarden Euro belaufen.

Quelle: Bundesakademie für Sicherheitspolitik / eigene Berechnungen

Streitkräfte der Zukunft: Mit Wasserstoff zur Energieautonomie

Eine sichere Energieversorgung garantiert Stabilität. Dies betrifft nicht nur die Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch die weltweiten Streitkräfte. Insbesondere im Gefecht ist deren Bedarf an Energie immens. Über 262 Millionen Liter Kraftstoff würden die europäischen Kampftruppen der NATO laut Experteneinschätzung pro Tag im Rahmen ihrer Operationen verbrauchen. Umso mehr wundert es, dass der militärische Sektor in der öffentlichen Diskussion zu klimapolitisch wichtigen Fragen kaum Erwähnung findet. Geschichtlich gesehen wurden neue Technologien häufig zuerst militärisch genutzt. Wird die Dekarbonisierung zur Ausnahme?

Spätestens mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 ist klar: Die Freiheit, Ökonomie und Sicherheit der westlichen Welt hängen davon ab, dass ausreichend Energie zur Verfügung steht. So gilt es heute mehr denn je, energie- und verteidigungspolitisch souverän zu werden und die Energieversorgung im militärischen Sektor nachhaltig zu diversifizieren.

Staatssache E-Fuels

Während die Schlacht um den Antrieb der Zukunft im zivilen Personenkraftverkehr bereits geschlagen zu sein scheint, wird angesichts der oben genannten Zahlen schnell deutlich: Im Feld hat Elektromobilität keine Zukunft. „Niemand wird den Streitkräften eine Ladeinfrastruktur an die Front bauen“, äußert Britzen. Ohnehin würden Akkus aufgrund ihrer geringen Leistungsdichte niemals den hohen Energiebedarf von schweren Militärfahrzeugen decken können. Ebenso entscheidend sei der Faktor Zeit – nicht nur unter Gefechtsbedingungen geht Tanken schneller als Laden. „Wir müssen in Logistik denken“, betont die Energie- und Militärexpertin. Ansonsten führe das am Ziel vorbei.

Die Alternative sind E-Fuels. Ihr Vorteil: Sie lassen sich mit grünem Wasserstoff klimafreundlich herstellen und bieten den Streitkräften in Verbindung mit Verbrennungsmotoren dennoch die erforderliche Treibstoffqualität und Zuverlässigkeit. Power-to-Liquid, kurz PtL, nennt man das Verfahren, das dies ermöglicht. Gleichzeitig eröffnet die Technologie einen gangbaren Weg, um eine autarke und damit krisensichere Energieversorgung der europäischen NATO-Truppen sicherzustellen. „Angesichts der geopolitischen Entwicklungen muss die Selbstversorgung der Streitkräfte mit synthetischen Kraftstoffen zur Staatssache erklärt werden“, meint Shena Britzen. „Wir sollten damit aufhören, Treibstoff als Ware zu behandeln“, so Britzen, Major der Reserve der Bundeswehr. „Energie ist eine kritische militärische Fähigkeit.“

Im Gefecht sind die NATO-Truppen auf eine zuverlässige und schnelle Treibstoffversorgung angewiesen. E-Fuels bieten eine ökologische Alternative zu fossilen Brennstoffen. (Foto: Getty Images / Olemedia)

Power-to-X

subsumiert alle Verfahren, die überschüssigen Ökostrom in gasförmige oder flüssige Energieträger umwandeln. Dabei steht das X entweder für die Energieform (Gas, Liquid, Heat) oder den Verwendungszweck (Fuel, Chemicals, Ammonia).

Push für die Wasserstoffökonomie

Bislang werden nachhaltig erzeugte synthetische Kraftstoffe noch nicht industriell hergestellt. Dafür gibt es noch zu wenig Wasserstoff auf dem Markt. An den Tankstellen werde man E-Fuels deshalb mittelfristig nicht finden, prognostiziert Shena Britzen. Ganz anders im militärischen Sektor – hier herrsche Handlungsbedarf. Während sich für die Distribution der E-Fuels bestehende Logistikketten wie das Central European Pipeline System (CEPS) der NATO weiterverwenden lassen, müsste das Verteidigungsministerium zwischen fünf und zehn Milliarden Euro in den Aufbau der PV- und PtL-Anlagen investieren, so die Rechnung von Rheinmetall. Im Kriegsfall unterstützen mobile Containerlösungen. „Mit ein paar Lkw mehr könnte ein Brigadekommandeur dezentral seine eigene Treibstoffreserve herstellen“, sagt Shena Britzen. „Ein Elektrolyseur, ein Verdichter, ein Container für die synthetische Kraftstofferzeugung und einer für die Raffinade – mehr ist dazu nicht erforderlich.“ Investitionen, die sich aufgrund der langjährigen Nutzung der Anlagen nicht nur aus Sicht der Total Cost of Ownership lohnen. „Setzen die Streitkräfte als Vorreiter einer klimaneutralen Treibstoffproduktion Zeichen, würde das die Wasserstoffökonomie erheblich beschleunigen“, ist sich Britzen sicher. Über staatliche Fördermittel wäre ein entsprechender Push für den Markt nie erreichbar.

Zaubermittel gegen den Klimawandel

Bei der Produktion von E-Fuels wird CO2 aus der Atmosphäre mittels grünen Wasserstoffs zum künstlich erzeugten Kraft- oder Brennstoff gebunden. Was wie ein Zaubermittel gegen den heutigen Klimawandel klingt, ist in den Grundlagen bereits 1925 von dem deutschen Chemiker Franz Fischer und seinem Mitarbeiter Hans Tropsch entwickelt worden. Große ökonomische Bedeutung erlangte die Fischer-Tropsch-Synthese erstmals während des Zweiten Weltkriegs. Denn das Verfahren ermöglichte, den in großen Mengen benötigten Flüssigtreibstoff aus heimischer Kohle herzustellen. In den Jahren des Wirtschaftswunders ist die Idee der Kohleverflüssigung durch den niedrigen Ölpreis schnell wirtschaftlich unrentabel geworden. Doch bereits zwei Jahrzehnte später erlebte sie unter dem Eindruck der Ölkrise ihre Renaissance.