Mit umfangreichen Lieferungen und Unterstützungsleistungen für die Ukraine ist Rheinmetall inzwischen der wichtigste rüstungsindustrielle Partner des Landes bei seinem Abwehrkampf gegen die russische Aggression. So haben das Unternehmen und die Ukraine, vertreten durch den Minister für strategische Industrien, Oleksandr Kamyschin, während der „Ukraine Recovery Conference 2024“ in Berlin ein Memorandum of Understanding zum Ausbau ihrer strategischen Zusammenarbeit unterzeichnet. Die Vereinbarung zielt darauf ab, weitere Bereiche für eine vertiefte Kooperation zwischen der ukrainischen Verteidigungsindustrie und dem Düsseldorfer Technologiekonzern zu identifizieren und zu entwickeln.
Konkrete Projekte in Planung sind die Fertigung von Artilleriemunition sowie die Lieferung und die Produktion von Lynx-Schützenpanzern. Im Rahmen der Zusammenarbeit soll neben möglichen Direktlieferungen durch Rheinmetall auch die (Re-)Industrialisierung von nationalem Fertigungs-Know-how einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Verteidigungsfähigkeit der Ukraine bilden. Bereits im Oktober 2023 hatte Rheinmetall mit einem ukrainischen Staatskonzern das Gemeinschaftsunternehmen Rheinmetall Ukrainian Defense Industry LLC gegründet. Ukrainisches Fachpersonal wurde in Deutschland in der Wartung und Instandsetzung von Gefechtsfahrzeugen ausgebildet und ist bereits seit geraumer Zeit an den entsprechenden Systemen in der Ukraine tätig. Im Juni 2024 wurde unter dem Dach des Joint Ventures der Instandsetzungsstützpunkt in der Westukraine in Anwesenheit hochrangiger politischer Vertreter offiziell eröffnet. Ziel ist es, der Ukraine ein leistungsfähiger Partner dabei zu sein, die einst starke wehrtechnische Industrie in der Ukraine wiederaufzubauen und die Autonomie ukrainischer Kapazitäten sicherzustellen.
Unterstützungsleistungen Rheinmetalls an die Ukraine
Munition
Rheinmetall ist mittlerweile die einzige Lieferquelle für die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte mit größeren Stückzahlen neuer Mittel- und Großkalibermunition. Neben der 20mm-Munition für den Schützenpanzer Marder liefert Rheinmetall auch 35mm-Munition für den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard, 40mm-Munition, 105mm- und 120mm-Panzermunition sowie Skynex-Flugabwehrsysteme. Darüber hinaus beliefert Rheinmetall die ukrainischen Streitkräfte mit signifikanten Mengen an Mörsergranaten und mit 155mm-Artilleriemunition.
Gerade bei Letzterem ist Rheinmetall essentieller, strategischer Partner der Ukraine – mehrere zehntausend Schuss 155mm-Artilleriemunition wurden bereits geliefert, weitere hunderttausend Schuss werden über das Jahr 2024 an die Ukraine übergeben. Im Dezember 2023 erteilte die deutsche Bundesregierung Rheinmetall zudem den Auftrag, auch in 2025 mehrere zehntausend Schuss zu liefern. Neben Deutschland hat ein weiterer NATO-Mitgliedstaat Rheinmetall mit der Lieferung von 155mm-Munition in großer Stückzahl für die Ukraine beauftragt.
Im Februar 2024 erklärten Rheinmetall und die Ukraine, dass sie in einem „Ukrainischen Kompetenzzentrum für Munition“ pro Jahr künftig eine sechsstellige Anzahl an 155mm-Geschossen fertigen wollen. Die gemeinsamen Arbeiten an diesem Vorhaben sind bereits weit fortgeschritten. An dem entsprechenden Gemeinschaftsunternehmen wird Rheinmetall 51 Prozent der Anteile halten, 49 Prozent sollen auf den ukrainischen Partner entfallen. Im Juni 2024 wurde ein großvolumiger Rahmenvertrag mit der deutschen Bundesregierung geschlossen, der größte in der Rheinmetall-Firmengeschichte. Auch die Ukraine wird daran partizipieren.
Gefechtsfahrzeuge
Schützenpanzer Marder und Lynx
Auch bei Gefechtsfahrzeugen leistet Rheinmetall substanzielle Unterstützung, entweder durch Direktlieferungen oder auf dem Wege des Ringtauschs mit Partnernationen wie Griechenland, der Slowakei oder Tschechien.
Bis Juni 2024 hat Rheinmetall der Ukraine über 100 Schützenpanzer zur Verfügung gestellt. Ganz überwiegend handelt es sich dabei Direktlieferungen von Systemen des Typs Marder 1A3. Hinzu kommt eine mittlere zweistellige Anzahl von Schützenpanzern, die der Ukraine im Rahmen von Ringtauschprogrammen übergeben wurden.
Weiterhin ist Rheinmetall dabei – über das bestehende Joint Venture Rheinmetall Ukrainian Defense Industries – die Produktion von Lynx-Schützenpanzern in der Ukraine aufzusetzen. Noch in diesem Jahr sind entsprechende Transfers in die Ukraine geplant, um eine erste Übergabe kurzfristig zu ermöglichen.
Kampfpanzer Leopard 1 und Leopard 2
Rheinmetall ist beauftragt, 25 Kampfpanzer des Typs Leopard 1A5 an die Ukraine zu liefern, hinzu kommen fünf Berge- und zwei Fahrschulpanzer (Leopard 1). Die Auslieferung soll in 2024 erfolgen, die entsprechenden Arbeiten finden in Unterlüß und Kassel statt.
Im Auftrag der niederländischen und dänischen Regierung stellt Rheinmetall 14 Kampfpanzer des Typs Leopard 2A4 bereit. Hiervon sind bereits zwei Kampfpanzer zur Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte geliefert. Die übrigen Fahrzeuge werden noch in diesem Jahr übergeben.
Im Rahmen bereits abgeschlossener Ringtausche mit der Slowakei und Tschechien wurde auch die Instandsetzung der Gefechtsfahrzeuge beauftragt. Insgesamt unterstützt Rheinmetall den Abwehrkampf der Ukraine mit umfassenden Leistungen im Kampfpanzerbereich.
Flugabwehr
Die Erfolge des 35mm-Flakpanzers Gepard in der Ukraine unterstreichen, mit welcher Effizienz die kanonenbasierte Flugabwehr Luftziele – besonders Marschflugkörper und Drohnen – abwehren kann. In dieser Tradition steht auch das hochmoderne Skynex-System von Rheinmetall, ebenfalls eine kanonenbasierte Flugabwehr-Lösung. Entwickelt wurde es für den Nächstbereichsschutz, wo Lenkwaffen nicht effektiv wirken können. Der Einsatz von programmierbarer 35mm-Air-Burst-Muntion des Typs AHEAD, wie sie von Rheinmetall zu diesem Zweck entwickelt wurde, ist dabei wesentlich günstiger als vergleichbare lenkwaffenbasierte Systeme. Außerdem ist es nicht möglich, die 35mm-Munition nach Abschuss durch elektronische Gegenmaßnahmen zu beeinflussen oder gar abzulenken.
Als Trägerfahrzeug für die Skynex-Systeme dienen die neuen 8×8-Wechsellader-LKW von Rheinmetall, die auch zu hunderten in der Bundeswehr eingeführt sind. Das erste Skynex-Luftverteidigungssystem wurde bereits 2023 an die ukrainischen Streitkräfte übergeben. Eine Fortsetzung der Auslieferung von Skynex-Systemen erfolgt im Laufe des Jahres 2024, sowie im Rahmen bereits erteilter Folgeaufträge in 2025.
HX-Fahrzeuge
Die HX-Fahrzeuge von Rheinmetall MAN Military Vehicles gehören zu den am weitesten verbreiteten militärischen Nutzfahrzeugen und überzeugen durch Robustheit, Beweglichkeit, Ergonomie und Modularität – ein Alleinstellungsmerkmal in der Branche.
Zurzeit sind mehrere hundert Rheinmetall-Trucks in der Ukraine im Einsatz, erst kürzlich wurden 26 fabrikneue LKW geliefert.
Service und logistische Unterstützung
Wo militärisches Gerät genutzt wird, sind Lösungen für Service und Instandsetzung unverzichtbar. Am Instandsetzungsstützpunkt der Rheinmetall Ukrainian Defense Industry LLC in der Westukraine werden bereits Marder-Schützenpanzer gewartet und repariert. Perspektivisch sollen an anderen Standorten in der Ukraine auch Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 und Leopard 2 sowie weitere Systeme aus deutscher Produktion instand gesetzt werden.
Rheinmetall greift vor Ort auf vorhandene Infrastruktur zurück, hat aber auch Spezialwerkzeuge, Ersatzteile und weiteres Gerät in den Hub verbracht. Auch in Litauen betreibt Rheinmetall mit KNDS ein gemeinsames Wartungs- und Instandsetzungszentrum, um die Einsatzbereitschaft westlicher Kampfsysteme zu erhalten und ihre logistische Betreuung sicherzustellen. Auch Fahrzeuge der ukrainischen Streitkräfte werden dort instand gesetzt.
Feldhospital und Rettungsstationen
Das Rheinmetall-Tochterunternehmen RMS GmbH hat mit Unterstützung der Bundesregierung im August 2023 ein schlüsselfertiges Feldhospital an das ukrainische Militär geliefert. Es umfasst 32 Patientenbetten, darunter acht Intensivbetten. Den Auftrag dazu erhielt Rheinmetall erst Ende 2022. Das kombinierte zelt- und containerbasierte System ist eine komplett autarke sanitätsdienstliche Versorgungseinheit und entspricht dem Role-2-Standard der NATO. Im August 2023 absolvierten zehn ukrainische Soldatinnen und Soldaten eine 14- tägige Schulung im Auf- und Abbau sowie im Betrieb des mobilen Lazaretts. Unmittelbar im Anschluss kehrten sie in ihr Einsatzgebiet zurück. Darüber hinaus hat Rheinmetall im Dezember 2023 eine Rettungsstation (NATO-Role-1-Standard) an die Ukraine übergeben. Eine zweite Rettungsstation folgte im ersten Quartal 2024. An weiteren Lieferungen wird im engen Schulterschluss zwischen Industrie sowie der deutschen und ukrainischen Regierung gearbeitet.
Aufklärungssysteme zur Drohnenabwehr
Für die Verteidigung der Ukraine spielt die Drohnenabwehr eine entscheidende Rolle. Die umfangreichen Unterstützungsleistungen für das Land werden deshalb durch mobile Aufklärungssysteme des Typs SurveilSPIRE ergänzt. Sie können feindliche Drohnen aufklären und bekämpfen. Die Systeme umfassen mobile Überwachungstürme mit tag- und nachtsichtfähigen Kameraausstattungen, autopilotierten Minidrohnen sowie ein Führungssystem. Eine zweistellige Anzahl an SurveilSPIRE-Systemen wurde bereits geliefert; weitere Lieferungen sind durch die deutsche Bundesregierung beauftragt. Rheinmetall kooperiert dabei mit einem estnischen Partnerunternehmen.
Mit all diesen Lieferungen unterstreicht der Düsseldorfer Technologiekonzern einmal mehr seine Rolle als bedeutender Lieferant für die militärische Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte und damit letztlich auch für die Sicherheit und die Freiheit in Europa.
750 Frauen, eine Mission: Das Netzwerk Women@Rheinmetall will die Zukunft des Technologie- und Rüstungskonzerns aktiv mitgestalten – mit Projektideen aus der eigenen Community. Der Bottom-up-Ansatz verspricht sowohl für Rheinmetall als auch für die Frauen selbst vielfältige Vorteile.
Vier Stimmen, ein Ziel
Engagement, das bewegt: Das Kernteam von Women@Rheinmetall setzt sich tatkräftig für die Community ein. Was die Mitglieder dazu antreibt und wie sie sich einbringen, haben sie im Interview verraten.
Sabine Weber: Globale Verbindungen schaffen
Zu den ersten Mitgliedern der Community gehört Sabine Weber, Director Global Project Purchasing bei der Division Power Systems. Nach einem Interview zum Thema Women Empowerment wurde sie gefragt, ob sie sich in die Frauen-Community einbringen möchte – „und so bin ich zum Gründungsmitglied geworden“, berichtet sie.
„Je mehr wir auf die Beine gestellt haben, desto ernster wurde unser Netzwerk genommen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber es ist wunderbar zu sehen, wie eine Handvoll Frauen so viel in Bewegung setzen kann.“
Ein Ziel des nächsten Levels: internationaler werden. Hierfür setzt sich Sabine Weber, die aufgrund ihres Berufs an Rheinmetall-Standorten auf der ganzen Welt zu Gast ist, aktiv ein. „Ich habe jüngst meine Geschäftsreise nach Indien genutzt, um am Rheinmetall Automotive Standort in Pune als Botschafterin unseres Netzwerks zur weiblichen Belegschaft zu sprechen. Mir ist es wichtig, mit den Frauen vor Ort ins Gespräch zu kommen und sie zu ermutigen, lokale Projekte zu starten, die wir als Kernteam dezentral managen und unterstützen können.“
Janina Lemme: Alle Mitarbeitenden erreichen
Seit mehr als einem Jahr ergänzt Janina Lemme das Kernteam. Als IT Project Coordinator ist sie am Standort in Unterlüß tätig. Neben ihrer Expertise aus den Bereichen IT und Projektmanagement bereichert sie Women@Rheinmetall durch ihre Nähe zu den Mitarbeitenden in der Produktion.
„Mir ist es wichtig, mehr Frauen in der Produktion sowie Personen ohne Computerarbeitsplatz zu erreichen. Hieran wollen wir arbeiten, schließlich bereichern die Ideen jeder einzelnen Person unser Unternehmen.“ Was sich Janina Lemme für die Zukunft wünscht? „Dass die Mitarbeitenden den Mehrwert unseres Netzwerks für das Unternehmen erkennen. Gerade zu Beginn wurde häufig nachgefragt, was wir da denn eigentlich tun. Aber alles, was wir erarbeiten, ist sinnstiftend und zielgerichtet. Dafür setzt sich auch unser Vorstand Peter Sebastian Krause ein.“
Nicole Täffner: Neue Perspektiven eröffnen
Aus dem Finanzwesen bringt sich Prozessmanagerin Nicole Täffner seit Ende 2022 im Netzwerk ein. Was ihr an der Arbeit im Kernteam besonders gefällt, ist das hierarchiefreie, teamorientierte Arbeiten. „Alle sind willkommen, sich mit ihrer Kreativität einzubringen und zu engagieren“, hebt Nicole Täffner hervor.
„Im Austausch mit den Frauen aus verschiedenen Divisionen, Hierarchiestufen und Altersgruppen, erhalte ich vielfältige Einblicke in das Unternehmen – und das ist eine große Bereicherung“, sagt sie. Gleichzeitig bietet der enge Austausch eine Chance, beruflich weiterzukommen: „Durch das Netzwerk können wir über frei werdende Führungspositionen informieren und damit einen Beitrag leisten, um mehr Frauen in die unterschiedlichen Führungsebenen zu bringen. Das ist ein wichtiger Bestandteil, um die Vielfalt bei Rheinmetall zu fördern.“
Michaela Neues: Sichtbarkeit für Female Role Models
Aus dem Recruiting gehört Michaela Neues bereits seit 2018 zu den Mitgliedern der Community. Damals hat Neues von ihrer Vorgesetzten Monica Wertheim, die Women@Rheinmetall ins Leben gerufen hat, vom Netzwerk erfahren – und war sofort überzeugt. Besonders begeistert haben sie die virtuellen Events.
„Ich erinnere mich an Talk & Learn‘s mit vielen inspirierenden Frauen. Oder auch unsere virtuellen Konferenzen mit zahlreichen Teilnehmern. Zu sehen, was viele hier auf die Beine stellen können, ist einfach großartig – und zwar für alle Mitarbeitenden, nicht nur für Frauen.“ Seit einem Jahr bringt sich die Personalerin im Kernteam tatkräftig für die Kommunikation ein. Erwartungsvoll blickt sie der Call for Projects-Phase im Juni entgegen: „Ich freue mich sehr darauf, zu sehen, welche wegweisenden Projektideen unsere Mitarbeitenden vorschlagen und wie wir sie später realisieren werden.“
Diversität bringt Unternehmen neue Perspektiven. Sie macht Teams agiler, innovativer und damit erfolgreicher. Rheinmetall ist ein Konzern mit vielen Facetten. Was die Beschäftigten eint, ist ihre Leidenschaft für Technologie. Galten die Tätigkeitsfelder des DAX-Unternehmens noch vor wenigen Jahren als traditionelle Männerdomäne, begeistern sich heute immer mehr Frauen für eine Karriere bei Rheinmetall.
Shena Britzen, die im Konzern das Hydrogen Program verantwortet, ist bereits über 14 Jahre an Bord. Seit Mitte 2023 leitet sie das Netzwerk Women@Rheinmetall. Was 2017 als Initiative von einem Dutzend Frauen begann, entwickelte sich schnell zu einer großen Gemeinschaft. „Je mehr Aktionen wir starteten, umso mehr wuchs unsere Sichtbarkeit“, erinnert sich Shena Britzen. „Mit der Zeit bemerkten die Kollegen, wie gut wir Frauen vernetzt sind und welchen Mehrwert die Community für das Unternehmen bietet.“ Auch die Unterstützung des Personalvorstands und Arbeitsdirektors Peter Sebastian Krause, der als Sponsor für Women@Rheinmetall fungiert, hat dabei geholfen, mehr Akzeptanz im Unternehmen zu schaffen.
Das nächste Level: Die Energie der Gemeinschaft nutzen
Die Mission der nächsten Jahre ist klar umrissen: einen Ort zu schaffen, an dem die Feminität und das Potenzial jeder Person als wichtiger Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg von Rheinmetall anerkannt werden. „Unser Ziel ist es, alle Kolleginnen und Kollegen zu befähigen, Ideen einzubringen, die diese Mission Wirklichkeit werden lassen“, erklärt Britzen. „Wir wollen sie Schritt für Schritt begleiten – von der Projektinitiierung bis zur Durchführung.“ Um den neuen Ansatz optimal umzusetzen, hat das Kernteam des Netzwerks eine Portfolio-Management-Organisation geschaffen. Die Aufgabe des Teams: Projektideen entgegennehmen, prüfen, als Sparringspartnerinnen unterstützen und Projektverantwortliche suchen. Denn wer die Idee einbringt, muss nicht zwangsläufig an der Durchführung mitwirken.
Im Juni startet der erste Aufruf zur Einreichung von Projektvorschlägen. Die gesammelten Ideen werden daraufhin mit Blick auf die Unternehmensmission bewertet. Nach einer Abstimmung mit der projektinitiierenden Person entsteht aus der Idee ein konkreter Projektvorschlag. Wird dieser vom HR-Vorstand Peter Sebastian Krause freigegeben, geht es an die Umsetzung.
Sounding-Board für alle
Neben den communityinitiierten Projekten steht die Internationalisierung von Women@Rheinmetall im Fokus. In den vergangenen Jahren entstand ein starkes Netzwerk, das Raum für Wissenstransfer, Austausch und Empowerment bietet – über alle Divisionen und Abteilungen hinweg. Jetzt geht es darum, auch Mitarbeiterinnen in der Produktion und an den internationalen Standorten zu erreichen und als Sounding-Board für alle Frauen im Konzern zu agieren.
Auch für Shena Britzen und ihr Team ändert sich mit „the next level“ einiges: Nun zählen ausschließlich Mitarbeiterinnen zum Kernteam, die eine bestimmten Anzahl an Stunden pro Woche für das Netzwerk aufbringen. Diese Aufwände, die mit den Führungskräften abgestimmt sind, zählen zur Arbeitszeit – ein wichtiges Zeichen. Das Engagement für Women@Rheinmetall ist für die Frauen Herzenssache. Ihr Anliegen bringt Britzen auf den Punkt: „Ihr wollt, dass sich die Welt verändert? Dann bringt euch ein.“
Bereit, durchzustarten
Die entsprechenden Prozesse sind definiert, der zeitliche Rahmen ist abgesteckt. Nun blickt das Team gespannt dem Startschuss des nächsten Levels entgegen. Besonders interessiert sind die Frauen daran, wie viele und welche Projekte von der Community vorgeschlagen werden. Shena Britzen äußert sich optimistisch: „Rechnet man unsere Ergebnisse einer ersten Umfrage bei der letzten Women@Rheinmetall-Konferenz hoch, könnten wir 100 bis 150 Projektvorschläge erhalten.“
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Seit der Annexion der Krim widmet Linda Mai ihr Leben der von ihr gegründeten Hilfsorganisation Blau-Gelbes Kreuz. Im Interview mit DIMENSIONS spricht die Vorsitzende des Deutsch-Ukrainischen Vereins über ihre Arbeit, über den Willen zum Widerstand und ihre bewegenden Erlebnisse während ihres letzten Hilfstransports in ihr vom Krieg zerstörtes Heimatland.
Linda Mai,
Jahrgang 1975, wuchs im Westen der Ukraine in einem kleinen Dorf auf und zog vor 20 Jahren nach Deutschland. Mit Ihrem bereits verstorbenen Ehemann gründete die Wahl-Kölnerin im Jahr 2014 den gemeinnützigen Verein „Blau-Gelbes Kreuz e.V. / Deutsch-Ukrainischer Verein“. Die studierte Pharmazeutin sagt: „Die Aufgabe habe ich nicht gesucht, sie hat mich gefunden. Das ist jetzt mein Leben“. Seit 2014 setzt sich Linda Mai zudem im Rahmen des Programms „Ferien ohne Krieg“ für ukrainische Waisenkinder und Verletzte ein und ermöglicht Ihnen einen kurzen Aufenthalt in Deutschland. Als Vorsitzende des Vereins koordiniert sie sämtliche Hilfslieferungen und verteilte diese vor Ort, auch in direkter Frontnähe.
Blau-Gelbes Kreuz e. V.
ist ein gemeinnütziger deutsch-ukrainischer Verein mit Sitz in Köln und Filialen in Düsseldorf, Bonn, Aachen und weiteren Städten in Deutschland. Bereits seit 2014 unterstützt die Organisation die Entwicklung einer freien, demokratischen Ukraine und leistet Hilfe für die Opfer des Krieges, insbesondere für Kinder, Binnenflüchtlinge, verletzte und andere stark bedürftige Menschen aus den vom Krieg betroffenen Regionen.
Seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine im Februar 2022 realisiert der Verein verschiedenste Maßnahmen, um den Ukrainern und ihrem Land Hilfe zu leisten. Dazu hat der Verein tonnenweise humanitäre Hilfsgüter in die Ukraine geliefert, darunter Rettungsfahrzeuge, medizinische Ausrüstung, Schulranzen und Care-Pakete für werdende Mütter.
Jetzt helfen und spenden
Blau-Gelbes Kreuz Deutsch-Ukrainischer Verein e.V.
Kreissparkasse Köln
IBAN: DE78 3705 0299 0000 4763 46
BIC: COKS DE 33 XXX
Neben Geld- und Sachspenden ist Blau-Gelbes Kreuz e. V. auch stets für helfende Hände dankbar. Weitere Informationen zu dem Verein sind hier zu finden.
Sie haben uns heute hier bei Rheinmetall diese wundervoll bemalte Gepard-Patronenhülse als Geschenk für die kürzliche Schulranzenspende des Konzerns an ukrainisches Kinder mitgebracht. Hergestellt wurde Sie bei uns, verschossen in der Ukraine. Welche Bedeutung hat diese Patrone für Sie?
Ja, die Patrone ist in der Tat wunderschön von einem Künstler bemalt worden. Aber für die Menschen in der Ukraine hat so eine Patrone eine besondere Bedeutung, denn sie rettet Leben. Ich war Ende Januar, Anfang Februar im Osten der Ukraine und habe Hilfsgüter in verschiedenen Städten verteilt. Die Zerstörungen sind unvorstellbar und übersteigen das menschliche Vorstellungsvermögen. Das war, bevor Awdijiwka fiel.
Mit dem Gepard bekommen wir die Drohnen effektiv abgewehrt. Fast alle Drohnen werden damit abgeschossen. Wir haben immer wieder so viele Drohnenangriffe auf unterschiedliche Städte: Kyjiw, Odessa, Cherson. Vor allem die Hochhäuser werden getroffen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um vor allem den Rheinmetall-Mitarbeitern in der Munitionsproduktion meinen Dank auszusprechen. Ohne Ihre Arbeit könnten wir uns überhaupt nicht mehr effektiv verteidigen. Die Ukrainer unterhalten sich ganz anders über die Dinge, über die wir hier in Deutschland sprechen. Es geht immer nur darum, wie viele Menschen heute getötet werden und wie es den Verwandten an der Front geht.
Man spricht dort also nur noch über das Kriegsgeschehen?
Andauernd! Also ich arbeite jetzt zwei Jahre im Lager in Köln, in dem wir die Hilfsgüter verpacken. Mir fällt das natürlich hier in Deutschland viel stärker auf.
Was wurde denn von Ihrem Verein kürzlich in die Ukraine geliefert?
Vor allem medizinische Rucksäcke, Krankenwagen und Stromgeneratoren. Allerdings verlagern wir den Transport medizinischer Güter in handelsübliche Fahrzeuge, da die russische Armee die eigentlich völkerrechtlich geschützten Fahrzeuge als allererstes unter Beschuss nehmen. Sie haben erkannt, dass man damit am meisten Schaden anrichten kann.
Im Foyer haben Sie erzählt, wie ständig Luftalarm ausgelöst wurde. Wie haben Sie das vor Ort erlebt?
Die Erwachsenen reagieren mittlerweile gar nicht mehr. Aber Kinder gehen und müssen auch immer in die Schutzräume. Ich musste vor Ort mindestens einmal am Tag in die Keller. Oft gibt es aber bis zu elf tägliche Luftalarme. Die Kinder fangen dann immer an zu singen. Sie bekommen an den Treppen einen festen „Partner“ an die Hand. Das Ziel ist, dass ein „Panik-Partner“ einen Mitschüler, der relativ souverän mit dem Alarm umgeht, an die Hand bekommt. Natürlich sind viele Kinder auch traumatisiert. Die Erwachsenen beleuchten dann mit ihren Handys im Keller immer die dunklen Gänge. Man riecht diese muffig-feuchten Räume und ich selbst habe gar nicht bemerkt, dass mir die Tränen herunterliefen. Die Kinder hatten unten alles vorbereitet und überbrücken die Zeit des Luftalarms mit malen. Das sind unglaubliche Bilder, die die Kinder da zeichnen. So etwas habe ich noch nie gesehen.
Sie haben uns ja vor ein paar Tagen Bilder aus der Ukraine mitgebracht. Wir hier in der Pressestelle bei Rheinmetall waren auch sehr ergriffen, von dem was wir auf den Bildern gesehen haben.
Ja, ich meine, wie alt ist man in der vierten Klasse? 10 oder 11 Jahre? Kinder sollten in dem Alter eigentlich ganz andere Dinge malen. Zunehmend werden Panzer gemalt mit deutschen und ukrainischen Flaggen. Die Bomben, die fallen, werden immer mit russischen Farben ausgemalt. Bewegt hat mich vor allem ein Bild eines Kindes, das sich selbst gemalt hat. Es schaut aus dem Fenster nach draußen auf ein Schlachtfeld mit Panzern und auf brennende Häuser. Aber dahinter ist eine Traumlandschaft, in der das Kind mit seinen Eltern über grüne Wiesen läuft.
Was fehlt zurzeit in der Ukraine am meisten?
Ich war vor dem Krieg nie für Waffen. Aber Diktatoren kannst du einfach nicht anders stoppen. Waffen sind für uns das wichtigste. Und daran fehlt es…
Wir verlieren nicht nur Menschen und Territorien, sondern auch Hoffnung. Ich war in vielen Krankenhäusern hinter der Front. Viele junge Männer befinden sich dort mit amputierten Gliedmaßen. Sie haben mich immer wieder gefragt: „Wie oft sollen wir es noch beweisen, dass wir es können? Wir haben die Russen fast ohne Waffen gestoppt. Und jetzt nach zwei Jahren haben wir kaum mehr Möglichkeiten.“ Ganze Frontabschnitte müssen aufgrund von Munitionsmangel aufgegeben werden. Die Stimmung im Dezember war so gut, als die Europäische Union Beitrittsverhandlungen eröffnet hat. Das hat sich mittlerweile sehr stark gewandelt.
Jüngst gab es in Deutschland die Äußerung eines Politikers, den Konflikt einzufrieren, um ihn später beenden zu können. Wie wurde das in der Ukraine wahrgenommen?
(Mai schlägt die Hände über dem Kopf zusammen) Einfrieren? Also meine Meinung dazu ist ganz klar, ich muss mich entschuldigen, da ich nach zwei Jahren Krieg meine diplomatischen Fähigkeiten ziemlich eingebüßt habe. Was heißt „einfrieren“? Die Russen haben 2014 die Krim annektiert. Die sind doch nicht friedlicher geworden. Der Westen hat weiter mit Russland gehandelt. Und nun hat Russland erkannt: Das klappt! Und acht Jahre später hat man uns richtig überfallen. Was ich denke? Es ist ein Riesenfehler! Es gibt kein Grund für die Russen aufzuhören. Russland hat in der Vergangenheit alle Verträge gebrochen.
Im Jahr 2012 wurde einmal eine Umfrage in Auftrag gegeben, in der gefragt wurde, ob man bereit wäre, sein Land mit Waffengewalt zu verteidigen. In Deutschland haben nur 16 Prozent der wehrfähigen Bevölkerung dem zugestimmt. In der Ukraine waren es damals stolze 89 Prozent. Hat sich das heute verändert?
Der Wille, Widerstand zu leisten, wird trotzdem noch größer. Aber wie lange wollen wir warten, bis sich die Ukraine verteidigen kann? Bis zum letzten Ukrainer? Die Kinder, die jetzt malen, die wollen alle Verteidiger werden. Natürlich haben wir in jeder Nation Menschen, die fliehen und sich das nicht vorstellen können, ihr Land zu verteidigen. Aber auch sehr viele Frauen melden sich immer noch freiwillig.
Vor dem Gespräch haben Sie gesagt: „Jeder Ukrainer weiß, wie man einen Molotowcocktail baut.“
(Mai lacht) Ja, das stimmt. Jeder kann sich zu Hause nun selbst einen Molotowcocktail bauen. Die Menschen haben aus verlassenen Fahrzeugen das Benzin abgepumpt und sich daheim ganze Lager von Brandsätzen angelegt.
Man sieht, dass der Wille, Russland zu bekämpfen, in allen Altersschichten sehr stark ist. Bis hin zur totalen Selbstaufgabe. Mir sagte mal jemand: „Linda mache dir keine Gedanken, sie werden uns nicht halten können.“ Ich habe damals erwidert: „Ja, aber wir haben nicht genug Waffen.“„Aber wir haben Mistgabeln! Und jeder hat ein Messer zu Hause.“ Jede Bombe, die tötet, macht die Ukraine widerstandsfähiger. Das war mein Eindruck vor Ort.
Wie sicher haben Sie sich in Frontnähe gefühlt?
Wenn die ballistische Rakete kommt, dann kommt sie halt. Man hat wenig Zeit, in Deckung zu gehen. Die Menschen vor Ort sagen nur: „Halt die Luft an und zähle bis 60. Dann atmest du aus.“ Das ist alles.
Du musst bereit sein zu sterben. Jeden Tag. Damit lebst du.
Wie haben Sie Menschen erlebt, die in Dörfern gelebt haben, die russisch besetzt wurden?
Die Menschen, die unter russischer Besetzung gelebt haben, bei denen ist das Licht in ihren Augen wie erloschen. Die Stadt Sumy haben die Russen damals nicht einnehmen können, weil der Widerstandswille der ukrainischen Zivilbevölkerung zu groß war. Sie kamen mit ihren Fahrzeugen einfach nicht in die Stadt. Hätten wir früher die Waffen gehabt, die der Westen nun geliefert hat, hätte man damals die russischen Streitkräfte viel früher zurückwerfen können. Obwohl wir für die Lieferungen sehr dankbar sind, kamen sie damals zu spät in der Ostukraine an.
In den Frontabschnitten verlieren nicht nur Menschen ihr Leben, auch die Tiere verlieren ihren Lebensraum. Von einst stolzen Wäldern sind oft nur noch Baumstümpfe als stumme Zeugen einer brutalen Schlacht übrig. Die älteren Tiere sind oft geflohen oder umgekommen, aber ich habe auch ein interessantes Verhalten der jüngeren Tiere festgestellt. (Linda Mai zeigt stolz einige Videos auf ihrem Handy) Schauen Sie hier, das sind junge Wildschweine, Katzen und Hunde. Sie suchen die Nähe von Soldaten. Aber auch Enten und andere Tiere sind dabei.
(Im Video macht es sich eine kleine Ente im Bart eines Soldaten bequem. Zwei kleine Katzen kuscheln sich in der grünen Tarnjacke eines Soldaten auf seinem Bauch ein. Mensch und Tier ruhen sich aus.) Diese Tiere haben oft ihre Eltern verloren und suchen aus lauter Verzweiflung dann die Hilfe bei Menschen; denjenigen, durch deren Krieg sie ihren Lebensraum verloren haben. Das passiert auf ukrainischer und auf russischer Seite. Sie folgen der Armee, weil sie dort Futter bekommen. Einige angeleinte Hunde sind bei der Flucht der Menschen leider verhungert, aber viele freilaufende Hunde sind richtig satt; Dadurch, dass überall so viele Leichen liegen.
Was hat sich in den Menschen im Allgemeinen verändert?
Die Menschen gehen liebevoller miteinander um und wissen den gegenwärtigen Moment mehr zu schätzen. Über die Russen werden hingegen sehr, sehr schwarze Witze gemacht. Das war vor dem Krieg natürlich anders.
Bildergalerie
Lassen Sie uns doch zum Abschluss noch einmal zur Stadt Czernowitz im Westen der Ukraine kommen. Dort hat Rheinmetall vor kurzem 20.000 Euro für Schulranzen für ukrainische Kinder gespendet. Wie nehmen Sie in Ihrem Verein das Unternehmen Rheinmetall wahr?
Die Bilder, die ich an Euch damals geschickt habe sprechen Bände. Die Kinder waren die stolzesten, die ich je gesehen habe. Rheinmetall hat in der Ukraine mittlerweile einen Kultstatus erreicht. Ich möchte im Namen der Kinder und des Vereins noch einmal meinen ausdrücklichen Dank dafür aussprechen.
Was möchten Sie den Entscheidern in Industrie und Politik noch sagen?
Wir können mit unserer humanitären Hilfe Menschenleben retten, also mit unseren Medizinrucksäcken; aber das was Ihr macht, das können wir nicht. Hätten wir mehr davon (Waffen, Anm. der Redaktion), hätten wir nicht so viel humanitäre Hilfe leisten müssen. Wir müssen uns verteidigen können. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Demokratie. Der politische Wille muss da sein. Wenn der Konflikt eingefroren wird, dann sind wir hier alle – auch in Deutschland – in Gefahr. Wohin soll sich die Demokratie noch zurückziehen? Das wird Schule machen. Dann haben wir bewiesen, dass es sich lohnt, Kriege zu führen. Dann hat die Demokratie vielleicht ganz verloren.
Frau Mai, vielen Dank für das Interview und bleiben Sie sicher auf Ihren lebensrettenden Fahrten in die Ukraine!
Das Interview führte David Ginster.
Für einen neutralen Staat wie Österreich ohne militärisches Bündnis ist eine schlagkräftige Landesverteidigung unabdingbar. Im Interview mit DIMENSIONS spricht die Verteidigungsministerin Klaudia Tanner über wehrhafte Demokratie, Milliardeninvestitionen und schnelle Beschaffungen – und wie sie damit das Bundesheer schon bald zu einer hochmodernen Armee machen will.
Klaudia Tanner,
Jahrgang 1970, ist Österreichs erste Bundesministerin für Landesverteidigung. Seit Januar 2020 ist die Politikerin (ÖVP) und Juristin im Amt. Zuvor war sie langjährige Direktorin des Niederösterreichischen Bauernbundes und Abgeordnete im niederösterreichischen Landtag. Seit März 2017 ist sie stellvertretende Landesparteiobfrau der Volkspartei Niederösterreich.
Frau Ministerin, dürfen wir das Gespräch mit einem Kompliment beginnen?
(lacht) Wir sind in Wien, wer sollte hier etwas dagegen haben?
Österreich hat mit den jüngsten Beschaffungen europaweit eine Pionierrolle in der bodengebundenen Fliegerabwehr eingenommen. Sie sind ganz vorne. Sind Sie sich dieser Rolle bewusst?
Ja, Österreich ist europaweit ein Vorreiter, was die Beschaffung des Skyranger-Systems betrifft. Und damit schließen wir als eines der ersten Länder die bestehenden Fähigkeitslücken im Bereich der mobilen Luftverteidigung – das ist schon etwas Einzigartiges. Darauf bin ich als erste Verteidigungsministerin Österreichs sehr stolz.
Sie verfolgen einen umfassenden Ansatz zur Neuaufstellung ihrer Fähigkeiten im Bereich der Nahbereichs-Flugabwehr. Sie modernisieren 35mm-Systeme, Sie beschaffen die mobile Fliegerabwehr Skyranger, und Sie verfolgen ein Projekt zur Drohnenabwehr. Was hat den Bedarf bei Ihnen entstehen lassen? Sind es die Kriege und Krisenlagen, von denen die Welt aktuell geprägt ist?
Eines ist klar: der konventionelle Krieg ist auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, ein Krieg der nun bereits ins dritte Jahr gegangen ist, hat vieles in der Welt verändert. Es hat sich weltweit ein sicherheitspolitischer Wandel vollzogen. Der Krieg in Israel hat dies nur bestätigt. Krisenherde, die vielleicht lange im Hintergrund geschlummert haben, flammen wieder auf, wie sich auch beispielsweise bei unseren Nachbarn am Westbalkan immer wieder zeigt. Die Welt ist eine unsichere geworden. Für mich war von Beginn an klar, wir müssen unser Bundesheer wieder zu einer modernen Armee machen und damit unsere wehrhafte Demokratie mitgestalten. Und jetzt umso mehr.
Das Geschehen in der Ukraine verfolgen Sie sicher aufmerksam…
Definitiv. Wir sehen, mit welchen Mitteln in der Ukraine gekämpft wird: Es gibt eine Vielzahl von Drohnenangriffen, bis hin zu Raketenangriffen aus der Luft. Das Schwergewicht hat sich jedenfalls hierhin verlagert. Und seit dem Absturz einer unbemannten und sechs Tonnen schweren Drohne in Kroatien sehen wir uns in der Auffassung bestätigt, dass wir uns auch in diesen Bereichen vorbereiten müssen.
Die deutsche Bundeswehr hat ihre Heeresflugabwehrtruppe vor zwölf Jahren aufgelöst und sich von der Fähigkeit zur Flugabwehr verabschiedet. Österreich hat daran immer festgehalten. Dafür hatten Sie sicher Gründe?
Wir als neutraler Staat und als Staat ohne militärisches Bündnis haben die wichtige Aufgabe, unsere Souveränität und unser Land mit allen verfügbaren Mitteln zu schützen. Zu Land, zu Luft und zu Wasser. Um dieser Aufgabe nachzukommen, braucht es gut ausgestattete Streitkräfte. Die Kernaufgabe des Österreichischen Bundesheeres ist die militärische Landesverteidigung und dieser können wir nur mit einer modernen und zeitgemäßen Ausstattung für unsere Soldatinnen und Soldaten nachkommen – für den Schutz unserer Neutralität.
Ich höre von meinen Kollegen im Bereich Air Defence, dass sie mit Ihren Leuten konzeptionell sehr eng zusammengearbeitet haben, dass gemeinsam Ideen entwickelt und umgesetzt worden sind. Man sieht, dass überzeugende Lösungen entstanden sind. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit Rheinmetall?
Rückblickend auf die letzten Jahre hat die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert und immer mit erfolgreichem Ergebnis, wie auch hier beim Fliegerabwehr-Turm „Skyranger“ zu sehen ist. Aber es sind ja vorrangig meine Expertinnen und Experten, an erster Stelle mein Rüstungsbeauftragter, der hier mit den Firmen zusammenarbeitet. Bisher gab es nur positive Rückmeldungen.
Für welche Anwendungen und Szenarien erfolgt die Beschaffung der Systeme von Rheinmetall, also der verlegbaren 35mm-Flugabwehrlösungen und der Skyranger-Systeme auf Panduren?
Dieses System wird zum Beispiel für die Abwehr von Drohnen, aber auch von angreifenden Hubschraubern und Flugzeugen im Nahbereich eingesetzt. Dieses System schützt vor allem bei der Bedrohung durch Aufklärungs- und Angriffsdrohnen, wie wir sie derzeit in der Ukraine beobachten können. Und nachdem das Gerät auf dem Panduren integriert ist, kann der Pandur im Bedarfsfall auch autonom Missionen zur Luftverteidigung übernehmen.
Die Luftabwehr besteht aus einem Netz von vielen Komponenten…
Ja. Dazu gehört das System Goldhaube, das uns mit einem Lagebild versorgt, oder die Fliegerabwehrlenkwaffe MISTRAL 3, die ebenfalls auf den Turm montiert werden wird oder die 35mmm Feuereinheiten, deren Nutzungsdauerverlängerung wir ebenfalls in die Wege geleitet haben. Und hier fügt sich die Beschaffung des Pandur Evolution in der Version „Fliegerabwehr“ mit dem System „Skyranger“ in dieses Netz ein und ist ein weiterer Meilenstein zur Abwehr von Bedrohungen aus der Luft.
Österreich hat den Aufbauplan 2032+ für das Bundesheer mit einem Volumen von 18 Milliarden Euro aufgelegt. Ihre bisherige Einkaufsliste liest sich beeindruckend. Welche Projekte wurden bisher realisiert?
Mit einem Investitionsvolumen von 560 Millionen Euro werden jetzt bis zum Jahr 2029 insgesamt 170 gepanzerte Fahrzeuge modernisiert sein. Das betrifft 58 Kampfpanzer Leopard 2 A4 und 112 Schützenpanzer Ulan. Es ist nach dem großen Investitionspaket zur Beschaffung von 36 Hubschraubern des Typs AW169 ‚Lion‘ um 873 Millionen Euro der nächste große Schritt zu einem modernen Heer, den wir gesetzt haben. Aber auch 1.300 Logistikfahrzeuge, die wir von Rheinmetall beziehen, sind für die Mobilität unserer Soldatinnen und Soldaten wichtig. Des Weiteren modernisieren wir wie bereits gesagt unser derzeitiges Waffensystem ‚Fliegerabwehrsystem 35 mm‘. In den nächsten fünf Jahren soll es umfangreich modifiziert und für künftige Herausforderungen optimiert werden. Und jetzt haben wir einen Vertrag für weitere 225 Pandur Fahrzeuge unterzeichnet, mit einem Investitionsvolumen von 1,8 Milliarden Euro, für zwölf verschiedene Varianten, von denen 36 den Skyranger-Turm erhalten werden.
Welche wichtigen Projekte umfasst der Aufbauplan noch?
Wesentlich ist es, die Modernisierung des Bundesheeres ins Zentrum zu stellen. Darunter sind unter anderem die Entscheidung für die Nachfolge der Advanced Jettrainer, die Umsetzung einer Zwei-Flotten-Lösung im Bereich der Hubschrauber wie auch die Vertragsunterzeichnung für die Nachfolge der Hercules geplant. Weiters werden die Pläne zur Modernisierung der Panzerflotte und auch die Umsetzung für den Schutz und die Ausrüstung der Soldaten vorangetrieben. Aber auch am Projekt „European Sky Shield“ wird weitergearbeitet.
Einen wesentlichen Fokus setzen Sie bekanntlich auf den Personalbereich…
Ja, dies ist auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Wir müssen weiter daran arbeiten, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Fakt ist, wir müssen in vielen Bereichen investieren, das reicht von der Ausstattung der persönlichen Ausrüstung unserer Soldaten bis hin zu den militärischen Infrastrukturen, die wir auch autark gestalten wollen. Es gibt noch genug zu tun.
In Deutschland, wo es ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr gibt, dauert manchen die Umsetzung zu lang. Wie haben Sie es geschafft, Ihre Projekte in so kurzer Zeit unter Vertrag zu nehmen?
Bereits im Jahr 2020 haben wir mit einer Erhöhung des Verteidigungsbudgets begonnen. Also noch vor dem russischen Angriffskrieg war mir klar, dass das Bundesheer in die heutige Zeit passen muss. Mein Ziel war es, dies mit allen meinen zur Verfügung stehenden Mitteln auch zu tun. Das hat uns sicherlich einen zeitlichen Vorsprung verschafft. Nebenbei sind es auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unsere gemeinsamen Ziele, also unser Bundesheer modern zu gestalten, vorantreiben und hier tatkräftig anpacken.
In Deutschland sprechen wir von der Zeitenwende. Was hat die sicherheitspolitische Zäsur vom Februar 2022 in Österreich ausgelöst? Welche Unterschiede sehen Sie?
Wir haben auch von einer Zeitenwende gesprochen. Ich glaube, hier kann ich man nicht zwischen den Ländern unterscheiden. Ich denke, ganz Europa wurde wachgerüttelt, als es zu diesem sicherheitspolitischen Einschnitt gekommen ist. Es hat für uns alle etwas verändert – die Landesverteidigung und die Sicherheit und der Schutz unserer Länder ist in den Fokus gerückt. Und dies gilt es jetzt voranzutreiben.
Österreich hat sich Neutralität auferlegt, vergleichbar etwa der Schweiz. Wie ist die Bedrohungswahrnehmung Ihres Landes, unterscheidet sie sich etwa von der anderer EU-Staaten?
Wie schon erwähnt, wir sehen die verschiedenen Krisenherde und Kriege genauso kritisch und bedrohlich wie andere Länder auch. Das zeigen wir auch in unserer Publikation „Risikobild 2024 – die Welt aus den Fugen“. Was uns unterscheidet, ist die Vorsorge und Vorbereitungen, die wir als neutrale Staaten treffen müssen. Und wenn wir die Menschen in unserem Land schützen wollen, dann müssen wir auch in unsere Vorsorgeversicherung, und das wäre in diesem Fall unser Bundesheer, investieren. Wir müssen in die militärische Landesverteidigung investieren.
Österreich ist im vergangenen Jahr der European Sky Shield Initiative beigetreten. Wie stehen die oben genannten drei Projekte zu dieser Initiative?
Ich denke, dass wir mit der mobilen Luftverteidigung, wie es der Skyranger ist, schon einen wesentlichen Beitrag leisten. Skyranger ist als Begleitschutz zu sehen, ganz nach dem Prinzip „Defend the defender“, und es kann und wird sicherlich einen wichtigen Part im Rahmen von European Sky Shield Initiative spielen. Denn was diese bodengebundene Luftabwehr kann, ist es, die extrem verwundbaren Systeme im Bereich der mittleren und Langstrecke effektiv zu schützen. „Skyranger“ gilt außerdem als Gamechanger in der militärischen Drohnenabwehr.
Frau Ministerin, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Oliver Hoffmann.
Exoskelette erleichtern den Produktionsbeschäftigten in Kassel die Arbeit.
Steigt Tony Stark in seinen legendären Iron-Man-Anzug, wird aus dem Ingenieur und Rüstungsindustriellen ein Superheld, der mit seinen übermenschlichen Kräften auf der Kinoleinwand das Universum rettet. Selbst wenn die heute am Markt verfügbaren Exoskelette mit der Hightech-Ausrüstung der Marvel-Verfilmungen kaum konkurrieren können, haben sie doch eines gemeinsam: Sie erleichtern dem Menschen, der sie trägt, Kraftanstrengungen. Ursprünglich für militärische Einsätze und die medizinische Rehabilitation von Querschnittsgelähmten konzipiert, finden Exoskelette zunehmend Einzug in die Produktionshallen der Industrie. So wie am Rheinmetall-Standort in Kassel, wo der Rüstungs- und Technologiekonzern taktische Radfahrzeuge entwickelt und fertigt.
Knapp zwei Kilo wiegt das Exoskelett der Marke Ottobock, das die Lager- und Produktionsmitarbeiter von Rheinmetall entlastet, wenn sie über Kopf arbeiten. Mit Hilfe einer ausgeklügelten Feder- und Seilzugtechnik verringert das Gerät merklich die Anstrengung bei Überschulteraktivitäten. Getragen wird das Exoskelett wie ein Rucksack: Schultergurte anlegen, Riemen an Hüftgurt und Armen festschnallen, fertig. Dank der biomechanischen Rückendeckung werden Schultermuskeln und -gelenke bei der Arbeit weitaus weniger belastet. Auch beim Heben unterstützt das Exoskelett die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Rheinmetall. Unterm Strich bedeutet das: mehr Ergonomie am Arbeitsplatz, weniger körperliche Beschwerden und damit gesunde und produktive Beschäftigte.
Aktuell gerät auch die Elektrifizierung des Off-Road-Bereichs, beispielsweise bei Baumaschinen, zunehmend in den Fokus etablierter Hersteller – und dies nicht allein aufgrund der dadurch ermöglichten längeren Einsatzzeiten. Auch Start-ups sowie Hersteller weiterer Maschinen, die für Arbeiten in Gelände oder Landwirtschaft ausgelegt sind, suchen nach innovativen Lösungen für ihre effizienten elektrifizierten Produkte.
Was macht ein Thermomodul?
Seine Aufgabe ist die Temperaturkonditionierung der Akkus von Elektroantrieben. Dabei folgt die von Rheinmetall für diese Geräte eingesetzte Luft-Wasser-Wärmepumpe dem Kühlschrankprinzip. Der Prozess bewirkt so bei hohen Außentemperaturen, dass Kühlflüssigkeit aus dem Akkupack über einen Wärmetauscher läuft, um anschließend die Batterie selbst oder eine Fahrerkabine mit einer Kühlleistung von bis zu 8 kW zu temperieren. Umgekehrt wird der Prozess bei kühlen Temperaturen: Die „Restwärme“ der Außenluft wird dann zur Wärmegewinnung im Innenraum und zum Temperieren der Batterie genutzt. Angesichts maximal 11 kW Heizleistung werden Zusatzheizungen so praktisch hinfällig.
Ein Trend, dem auch Rheinmetall entspricht. So arbeitet das Unternehmen aktuell unter anderem an Komponenten für elektrifizierte Fahrzeuge im Off-Road-Bereich. Ziele sind dabei, die Reichweite zu erhöhen oder die mögliche Einsatzdauer zu verlängern.
Mit seinem Neckarsulmer Team ist beispielsweise Michael Lutz als Geschäftsfeldmanager für „Energy Recovery Systems“ in diesem Bereich aktiv. Die Entwickler in Baden-Württemberg arbeiten zurzeit an der Marktreife eines Thermomoduls, das als Komplettlösung für unterschiedlichste Fahrzeugtypen oder sogar Boote entwickelt wurde. Aufgabe des Moduls, das dem Prinzip der Wärmepumpe folgt, ist es, die für den elektrischen Betrieb eingesetzten Batterien in einem Temperaturfenster zu halten, in dem sie ihre optimale Leistung abgeben können. Dabei wird gekühlt oder geheizt, je nach Betriebszustand und Außentemperatur. In gleicher Weise lässt sich das Modul für die Temperierung von Fahrerkabinen einsetzen.
Schnell integriert
Große Vorteile der Entwicklung von Rheinmetall sind ihre Kompaktheit und Modularität. Das System ist als fertige Plug and Play-Lösung ab Werk vormontiert und mit Kältemittel befüllt. Es kann so problemlos und vor allem ohne großen Aufwand in vorhandene Fahrzeugarchitekturen eingebaut werden. Dazu Lutz: „Im Gegensatz zu den in der Automobilindustrie zurzeit präferierten Systemen sind die Einzelkomponenten unseres Moduls nicht über das gesamte Fahrzeug verteilt und wir kümmern uns mit unserem langjährigen Know-how aus der Automobiltechnik auch um die Integration unserer Komplettlösung in den Antriebsstrang des Kunden.“ Ein weiterer zentraler Vorteil der Neckarsulmer.
Breites Interesse
Deren Kundenkreis ist in der aktuellen Prototypenphase denn auch überaus breit gestreut. Dazu zählen nicht nur Hersteller von Baumaschinen und Traktoren. Genauso interessiert sind beispielsweise Hersteller von Elektrobooten, aber auch Lkw- und Bushersteller sowie Produzenten weiterer landwirtschaftlicher Maschinen oder Firmen aus dem Bereich Bergbau. Die dabei eingesetzten Energieformen beschränken sich allerdings nicht allein auf die Batterieelektrik. Auch Hersteller von Brennstoffzellenantrieben zeigen Interesse an dem kompakten Modul.
Voller Stolz auf sein Vertriebsteam kann Lutz zurzeit auf mehr als fünfundzwanzig Kunden verweisen, die seine Lösung für ihren Einsatzzweck anhand von Prototypen prüfen oder bereits einen Serienauftrag platziert haben. In Neckarsulm wurde deshalb bereits 2023 eine Kleinserienfertigung aufgestellt, die problemlos erweiterbar ist, sollten weitere Aufträge folgen.
Großes Marktpotenzial
Auch für Marcus Gerlach, Leiter der Central Division des Rheinmetall Konzerns, steht fest: „Die Märkte für das Thermomodul entwickeln sich zurzeit sehr schnell. Auch wenn wir aktuell noch vornehmlich mit kleineren Volumina befasst sind, eröffnet diese Technologie enormes Potenzial. Darüber hinaus zeigen unsere Schwestergesellschaften in der Wehrtechnik ebenfalls Interesse.“
Der Bereich, der übrigens schon früh auf die fortschrittliche 800-Volt-Technik gesetzt hat, streckt deshalb seine Fühler auch in vollkommen neue Einsatzbereiche außerhalb der Fahrzeugtechnik aus, die zudem ein deutlich höheres und langfristiges Marktpotenzial versprechen.
Und die Motivation für die aktuell vorhandenen Interessenten, auf ein Thermomodul zu setzen, ist angesichts der Verlängerung von Reichweite und Einsatzmöglichkeiten mehr als nachvollziehbar, zumal beispielsweise ein elektrischer Bagger gerade im innerstädtischen Bereich allemal weniger störend und somit zeitlich auch viel länger einsetzbar sein dürfte.
Auf dem Grund der Nord- und Ostsee befindlichen sich große Mengen an Kampfmitteln, die dort überwiegend nach dem Zweiten Weltkrieg versenkt worden waren. Wegen ihrer Alterung im Gewässer stellt die Munition eine zunehmende Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Rheinmetall und eine internationale Arbeitsgruppe von maritimen Spezialfirmen bieten diesbezüglich eine Lösung in Form einer schwimmenden Arbeitsplattform an. Hierdurch soll im Weiteren der Ausbau der Windkraft in Nord- und Ostsee gesichert werden.
Herausforderung Kriegsmunition in den Meeren
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs liegen in den Tiefen der Nord- und Ostsee große Mengen an Kriegsmunition. Diese Überreste vergangener Schlachten stellen eine große Herausforderung dar. Die Bergung und sichere Entsorgung dieser Munition ist von entscheidender Bedeutung, um potenzielle Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren.
Aus den Tiefen des dunklen Meeres kommt ein ovales, mit Muscheln bedecktes Objekt zum Vorschein. Es ist eine Artilleriegranate aus dem Zweiten Weltkrieg, die fast 80 Jahre auf dem Grund der Ostsee am Meeresgrund ruhte und nun auf eine schwimmende Arbeitsplattform gehoben wird.
So geschehen im Seegebiet nördlich des Darß in Mecklenburg-Vorpommern, wo in den kommenden Jahren der modernste Offshore-Windpark der Ostsee entstehen soll. Insgesamt sollen hier, zusätzlich zu dem bereits seit zehn Jahren in Betrieb stehenden Offshore-Windpark Baltic 1, 103 Windräder aufgestellt werden, um nachhaltigen Strom nach Deutschland und Skandinavien zu liefern. Doch bevor es losgehen kann, muss das Meeresgebiet von explosiven Kampfmittel geräumt werden. Diese todbringenden Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg, die auch heute noch vom Meeresboden aus eine erhebliche Gefahr für Umwelt, Schifffahrt und die Sicherheit der Küstenbewohner darstellen, wurden nach Kriegsende 1945 u.a. in der Lübecker Bucht versenkt. Im Zuge der Installation von zusätzlichen Windrändern, der Verlegung von Kabeltrassen und der Wartung der bereits vorhandenen Anlage muss nun das gesamte Areal sondiert und geräumt werden.
Die angestrebte Energiewende in Deutschland hat Offshore-Windparks eine Renaissance beschert.
Auch der erste kommerzielle Offshore-Windpark der Nordsee, BARD Offshore 1, wird mit seinen 80 vorhandenen Windrädern nun umfassend gewartet. Die hier anstehenden intensiven Wartungsvorhaben erfordern ebenfalls eine vorherige Sondierung von Kampfmitteln am Meeresgrund, um den Windpark sicher betreiben zu können.
Die Überwasser-Wartung, also der Tausch von Turbinen und die Wartung der Rotorblätter, werden von sogenannten Jack-Up Vessels durchgeführt. Diese intelligenten Schiffe können sich wie mobile Ölbohrplattformen aus dem Wasser drücken; sodass die erforderlichen Arbeiten unabhängig von Wetter und Seegang ausgeführt werden können.
Das Risiko, die Füße der Schiffe beim Absenken auf den Meeresboden in unsondierten und nicht geräumten Bereichen auf ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg zu setzten, ist jedoch allgegenwärtig. Es ist dann mit unkalkulierbaren Schäden zu rechnen, die im schlimmsten Fall den Ausfall eines Windrades und Gefahr für die Techniker bedeuten könnten.
Rheinmetall hat als Konzern im Offshore Windpark BARD 1 bereits seit Mai 2023 für eine Teil- Sondierung und Räumung des mit Kampfmitteln kontaminierten Meeresbodens gesorgt. 14 Unterwasser-Arbeitsgebiete wurden in der Folge umfassend sondiert.
Die sogenannte EntsorgungsModuleMunitionsAltlasten (EMMA) – ein Projekt der Rheinmetall Project Solutions GmbH, German Naval Yards und WilNor Governmental Services – sorgt nun mit ihrer Arbeitsgruppe im Windpark BARD Offshore 1 für eine umfassende Sondierung und Räumung des Meeresbodens. Dabei arbeiteten On- und Offshore-Teams Hand in Hand.
Im Sommer 2023 konnte die Rheinmetall Project Solutions GmbH ein zweites Mal im Offshore Windpark BARD 1 aktiv werden, um 20 weitere Bereiche zu untersuchen. Besonders im Fokus stand für das Team um Kai-Uwe Mühlbach, Senior Vice President Programs, die Überprüfung von drei Verdachtsobjekten. Eine britische Grundmine wurde anhand vorangegangener Scans vermutet. Die Bestätigung kann in einem solchen Fall nur durch eine erfolgreiche Sondierung erfolgen. Raue See und ein aufziehender Sturm erschwerten die Arbeiten und verlangten Mensch und Ausrüstung einiges ab. Dann konnte Entwarnung gegeben werden: Die vermuteten Kampfmittel entpuppten sich bei der gründlichen Sondierung als Metallschrott und stellten daher keine Gefahr dar. In den kommenden Jahren werden Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee immer größere Bedeutung gewinnen. Das Projektteam von Rheinmetall ist daher stolz, seinen fachlichen Beitrag zur Gewinnung nachhaltiger Energie leisten zu können.
„Mit unserem Ansatz schützen wir die Unterwasserwelt und ihre Bewohner bestmöglich und beugen künftigen Gefahren vor“, so Dr. Deniz Akitürk, Geschäftsführer der Rheinmetall Project Solutions GmbH. „Die Zeit drängt, denn der Zustand der Munition verschlechtert sich. Auswirkungen auf die Umwelt werden bereits sichtbar.”
Munitionsaltlastentsorgung „EMMA“
Die Zusammenarbeit der Unternehmen WilNor Governmental Services AS und Rheinmetall zielt auf den sicheren Betrieb von Offshore-Windenergie und eine umweltfreundliche Entsorgung von Kampfmitteln auf See ab. Mit innovativer Technologie und einem engagierten Team haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Meere von gefährlichen Überbleibseln vergangener Konflikte zu befreien. Um künftig jährlich mehrere hundert Tonnen an Kriegsmunition zu vernichten, haben die Projektpartner hierfür eine Plattform entwickelt.
Als Voraussetzung für den Bau der Plattform sollen 2024 noch entsprechende Verträge geschlossen werden, damit diese im Anschluss schnellstmöglich in Betrieb gehen kann. Der Bedarf ist enorm: Fachleute schätzen die Gesamtmenge der in Nord und Ostsee versenkten Munition und Munitionskomponenten auf fast 1,6 Millionen Tonnen.
Der Transport der Kampfmittel auf der Plattform in der ersten Ausbaustufe erfolgt zunächst halbautomatisch, in der Endausbaustufe dann voll automatisiert. Von der Plattform aus erfolgt die Logistik zum Betrieb und zur Versorgung der Bergungsroboter. Eine komplexe Anlage mit Steuer- und Kontrollständen, Versorgungstanks, Sanitäreinrichtungen, Werkstätten, Ruheräumen und Aufenthaltsräumen sind Teil dieser imposanten schwimmenden Anlage.
Da die Basis des Konzepts auf einer marktverfügbaren Nordsee-Barge (27m x 90 m) fußt, können die meisten Komponenten (Sägen, Öfen, Labor) bereits industriell beschafft werden; ein großer und vor allem zeitbringender Vorteil für das Projekt.
Nach der Separierung an Bord werden die Kampfmittel den Brennöfen zugeführt, um im Endausbau ein modulares System aus thermischen Entsorgungsstraßen im durchgehenden Betrieb zu ermöglichen. An 24 Stunden, 7 Tage in der Woche sollen zukünftig dann gefährliche Kriegshinterlassenschaften für immer unschädlich gemacht werden.
Aber es bleibt viel zu tun; denn selbst mit 15 einsatzfähigen Bargen wird die Räumung von Munition am Meeresgrund noch Jahrzehnte andauern.
Ausblick
In den Windparks in Nord- und Ostsee sollen bis 2030 insgesamt 30 Gigawatt an nachhaltigem Strom produziert werden. Bis 2045 sind sogar 70 Gigawatt Leistung geplant. Rheinmetall leistet mit dieser Unterstützungsleistung einen signifikanten Beitrag für die Nachhaltigkeitsziele von EU und der Bundesrepublik Deutschland.
Am Pierburg-Standort im tschechischen Ústí nad Labem schlägt das Herz für die Automobilindustrie. Die Zukunft birgt für den Zulieferer einige Herausforderungen – die mit technischem Know-how und einer beispielhaften Unternehmenskultur angenommen werden.
Pierburg s.r.o. Ústí
Automotive-Spezialist im Herzen Europas: Pierburg s.r.o. wurde im April 2004 in Ústí nad Labem in Tschechien gegründet. Das Unternehmen gehört zur Division „Power Systems“ der Rheinmetall AG.
Geschäftsfelder
Die Produkte von Pierburg s.r.o. sind hauptsächlich für Teilsysteme bestimmt, die auf die Reduzierung von Emissionen und das Management der Luftzufuhr ausgerichtet sind, wie Aktuatoren, Steuergeräte, Abgasrückführungssysteme, Sekundärluft-pumpen und Abgasdämpfer. Doch auch Bauteile für Elektrofahrzeuge rücken in den Fokus.
Mitarbeiter
286
Geschäftsführer
Dr. Andreas Müller und Sascha Günther
Knapp 60 Kilometer von Dresden entfernt liegt die osteuropäische Dependance von Pierburg s.r.o. in Ústí nad Labem. Hier in der Tschechischen Republik werden seit beinahe 20 Jahren vor allem Abgas-steuer- und -rückführungssysteme für Pkw und Lkw produziert. 21 Montagebänder laufen in den blitzsauberen Hallen, bis zu 160 unterschiedliche Produkte werden hier gefertigt. Zu den Kunden gehören Autobauer wie Renault, Mazda und VW, der Standort erwirtschaftet aktuell einen Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe. Circa 135 der 286 Mitarbeiter sind Bandarbeiter.
Dass das Unternehmen stabil und gesund ist, ist nicht selbstverständlich – gerade im Hinblick auf die schwierige Lage, in der sich die ganze Branche befindet. Pierburg in Ústí musste sich, wie seine Mitbewerber, Herausforderungen wie der Diesel-Krise, der Corona-Pandemie oder Lieferengpässen bei elektronischen Komponenten stellen, aber: „Wir haben sie alle gemeistert“, sagt Sascha Günther, Geschäftsführer und Standortleiter von Pierburg in Ústí.
Auf den Wandel vorbereitet
Neben all den oben genannten Herausforderungen steht in der Mobilitätsbranche seit Jahren ein Elefant im Raum: die Zukunft des Verbrennungsmotors. Pierburg ist längst dabei, sein Portfolio zu diversifizieren und nicht mehr ausschließlich von Verbrennungsmotoren abhängig zu sein. „Mit Rheinmetall haben wir einen sehr starken Mutterkonzern, der uns unseren Rücken stärkt und uns auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um diesen technologischen Wandel hinzubekommen“, erläutert Sascha Günther. „In vier Jahren ist geplant, dass circa 40 Prozent unseres Umsatzes mit Bauteilen für Elektromobilität sowie ein weiteres Viertel mit Lkw-Anwendungen erwirtschaftet wird.“
Ab 2026 wird Pierburg in Ústí einen Hochvoltschutz für Elektrofahrzeuge produzieren, entwickelt in Zusammenarbeit mit BMW. Dieser unterbindet im Falle eines Crashs, vereinfacht ausgedrückt, die Stromzufuhr beim E-Auto und erleichtert damit signifikant Bergungsarbeiten. Aber trotz des Hypes um E-Autos – so schnell werden die Stromer den Automarkt nicht komplett übernehmen, glaubt der Standort-Chef. „Der Lkw-Bereich wird noch lange Zeit auf Verbrennungsmotoren oder alternative Antriebssysteme wie Wasserstoffanwendungen setzen.“
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Erfolgsgarant Firmenkultur
Dass Sascha Günther der Zukunft so zuversichtlich entgegenblickt, liegt nicht nur an den wirtschaftlichen Prognosen. „Die größten Erfolgsgaranten sind unsere Firmenkultur und die Qualität unserer Belegschaft am Standort.“ Die Basis eines jeden erfolgreichen Unternehmens sind die Mitarbeiter, diesen Leitsatz hat man in Ústí verinnerlicht. Und um gute Mitarbeiter zu gewinnen, Tschechien hat mit derzeit 2,8 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote innerhalb der Europäischen Union, hat sich das Management-Team so einiges einfallen lassen.
„Wir fördern die Kreativität der Mitarbeiter und investieren in ihre persönliche Entwicklung. Zudem geben wir den Mitarbeitern den Spielraum, um ihr Können bestmöglich für das Unternehmen einzusetzen, entsprechend den Rheinmetall-Werten Vertrauen, Respekt und Offenheit“, sagt Sascha Günther. Betriebsklima und Firmenkultur sind Themen, die dem 51-Jährigen gebürtigen Koblenzer sichtlich am Herzen liegen – und auf deren Umsetzung er stolz ist. „Wir pflegen eine Kultur des Miteinanders und der Teamorientierung. Unsere Mitarbeiter geben uns auch deswegen viel zurück – all dies zeigt sich auch am Resultat unserer EFQM-Bewertung.“ Die kann sich tatsächlich sehen lassen: Im November 2023 belegte Pierburg s.r.o. Ústí beim tschechischen National Quality Award für EFQM den zweiten Platz.
Ganzheitliches Qualitätsmanagement
Das Qualitätsmanagement-System EFQM (siehe Kasten) wird bei Pierburg s.r.o. in Ústí bereits seit 2015 angewendet. Es ermöglicht eine ganzheitliche Herangehensweise an das Qualitätsmanagement. Durch die Bewertung von Faktoren wie Führung, Prozessen und Ergebnissen identifiziert EFQM die Stärken und Schwächen in der Organisation des Unternehmens und hilft auf diese Weise, gezielte Verbesserungen vorzunehmen. „Der Kerngedanke von EFQM ist der Ansatz zur permanenten Verbesserung“, erklärt Sascha Günther. Der Diplom-Kaufmann hat sich 2020 sogar selbst zum EFQM-Assessor ausbilden lassen und bewertet in dieser Funktion auch andere Unternehmen.
Ein gut funktionierendes Unternehmen nützt nicht nur den Mitarbeitern, sondern natürlich auch dem Kunden. Sascha Günther sieht Pierburg nicht nur als Zulieferer, sondern auch als Partner der Automobilindustrie. Auch dieses gute Miteinander ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Unternehmens. Auf dieser Basis, so ist Sascha Günther überzeugt, „wird Pierburg auch in Zukunft ein relevanter Partner für die Automobilindustrie sein.“ Mit dem Wandel im Blick und dem Vorantreiben von Innovationen ist Ústí bereit für das, was die Zukunft bringen wird.
Qualität ist mehr als ein gutes Produkt
„European Foundation for Quality Management“ (EFQM) gilt als einer der ausgereiftesten Ansätze zur Messung der Leistung von Unternehmen. Das Modell basiert auf drei Säulen:
Ausrichtung des Unternehmens in Bezug auf Zweck, Vision, Strategie, Organisationskultur und Organisationsführung.
Realisierung der Verbesserungsmaßnahmen nach bestimmten Kriterien. Dazu gehören u.a. Management, Politik und Strategie, Mitarbeiter, Prozesse, Partnerschaften und Ressourcen.
Ergebnisse: 1.000 Punkte kann ein Unternehmen maximal erreichen. Über 500 Punkte gelten als sehr gutes Ergebnis. Im Jahr 2019 erzielte Pierburg s.r.o. in Ústí mit 538 Punkten fünf Sterne für Exzellenz und belegte beim tschechischen National Quality Award Platz 4. 2023 kam das Unternehmen dort bereits auf Platz 2. Das Ziel im Jahr 2024: 600 Punkte – und der Griff nach Platz 1.
Bereits in jungen Jahren beweist Frank Pape in der boomenden Callcenter-Branche Unternehmergeist. Es folgt eine steile Beraterkarriere in Regierungskreisen und Konzernvorständen. Heute begleitet der Jetsetter von damals ehrenamtlich auf seinem Reiterhof Sterbende und Menschen in Not. Finanziert wird das private Hospiz über die Familienrösterei und Chocolaterie Pape, zu deren Kunden auch Rheinmetall zählt.
Frank Pape,
Jahrgang 1970, ist Sozialaktivist, Unternehmer und Autor. Sein Buch „Gott, du kannst ein Arsch sein“ schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde mit Til Schweiger und Heike Makatsch in den Hauptrollen verfilmt. In seiner Biografie „Ich mit Risiken und Nebenwirkungen“ gibt Frank Pape einen privaten Einblick in die Achterbahn seines außergewöhnlichen Lebens. Der fünffache Vater lebt und arbeitet mit seiner Familie in Preußisch Oldendorf.
Als Frank Papes Tochter Mary mit 15 Jahren die Diagnose Lungenkrebs erhält und ihr nur noch wenig Zeit zum Leben bleibt, beginnt sie, darüber zu schreiben. Auf ihren Wunsch hin veröffentlicht ihr Vater die bewegende Geschichte ihrer letzten 296 Tage als Buch. Das Echo auf den Roman und seine spätere Verfilmung sind enorm. In der Folgezeit wenden sich viele Menschen hilfesuchend an Frank Pape und seine Frau Nicole. „Meist sind es Sterbende, Missbrauchsopfer oder Trauernde, die mit ihrer Angst, ihrem Schmerz oder in ihrer Zeit, die sie noch haben, wie unsere Tochter liebevoll und mit einem Lächeln begleitet werden möchten“, berichtet der ausgebildete Seelsorger und Unternehmer.
Frank Pape gründet ein Hospiz. Auf seinem Reiterhof in Getmold finden schwerkranke oder traumatisierte Menschen fortan einen Rückzugsort. Mit viel Empathie, Hingabe und Mut teilt der überzeugte Christ dort mit seinen Gästen die schwersten Stunden ihres Lebens. Lacht, weint und leidet mit ihnen. Als er und seine Frau ihr soziales Engagement nicht mehr aus eigener Tasche finanzieren können, machen sie aus ihrer Passion für Kaffee und Schokolade eine Geschäftsidee: die „Familienrösterei Pape“.
Der ehemalige Strategieberater wird zum ausgebildeten Konditormeister und Chocolatier. Der Großteil des Gewinns fließt in „Ein Lächeln für dich“, wie der gemeinnützige Verein der Papes heißt. Das Ehepaar betreibt erfolgreich Marketing, kann Wirtschaftsunternehmen wie Rheinmetall gewinnen, ihren Kaffee für den guten Zweck und in bester Fairtrade-Qualität von der Familienrösterei zu beziehen. „Die Geschichte von Frank Pape hat uns tief bewegt“, sagt Philipp von Brandenstein, der beim Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall die Unternehmenskommunikation verantwortet. „Was das Hospiz menschlich und gesellschaftlich leistet, verdient höchsten Respekt und unsere Unterstützung.“
Purpose statt Profit. Das ist es, was den heute 53-jährigen Pape umtreibt. Und mit dieser Haltung steht er nicht alleine da. Ganze Generationen möchten inzwischen nicht nur Geld verdienen, sondern eine Arbeit verrichten, die der Gesellschaft nutzt, sie besser und gerechter macht. Früher sei das bei ihm anders gewesen, sagt Pape. Mit 23 Jahren gründet er eines der ersten Callcenter in Deutschland. Sein Startup expandiert schnell. Neben Banken und Versicherungen gehören schon bald Mobilfunkgesellschaften zu seinen Kunden. Der Markt boomt. Callcenter werden zur neuen Marketingwaffe in der Neukundengewinnung. Und Frank Pape entwickelt dafür die Strategien. Seine anschließende Karriere als Berater führt ihn in hohe politische und wirtschaftliche Kreise. Er arbeitet zunächst im Beraterstab der Regierung von Malta. Später ist er bei HSBC, einem der größten Finanzinstitute der Welt, als Vorstandsberater tätig.
Die Tage des Top-Managers sind bestimmt durch Marketing- und Absatzstrategien, Krisenmeetings und Geschäftsabschlüsse. Er fliegt zum Frühstück nach Paris, isst nach einem Meeting in London zu Mittag und genießt am Abend die untergehende Sonne am Meer. „Ich hatte ein Jetset-Leben“, blickt Frank Pape auf die damalige Zeit zurück.
Doch irgendwann stellt er sich die Sinnfrage. Er gründet sein eigenes Strategieberatungsunternehmen, zieht aufs Land, lässt sich zum Notfallseelsorger ausbilden und engagiert sich in der Sterbebegleitung. „Die Sozialarbeit gab mir das Gefühl, etwas Gutes zu tun“, erzählt Pape. Seit dem Tod seiner Tochter ist sie zu seiner Lebensaufgabe geworden. Neben seinem Hospiz ist er in der Jugend- und Präventionsarbeit tätig, hilft Mobbingopfern und sensibilisiert für die Gefahren des Drogenkonsums. „In ihren letzten Tagen betonte meine Tochter, wie wichtig es sei, jedem Tag einen Sinn zu geben“, erinnert sich Pape. „Und ja, sie hatte recht.“
Immer mehr Mobilfunkanbieter zeigen Interesse an der Technik des teleoperierten Fahrens. Ihre Beweggründe gehen dabei sogar noch über die Bandbreite an Möglichkeiten hinaus, die ein ferngesteuertes Fahrzeug ohne Fahrer künftig für Fuhrparkbetreiber oder Logistiker eröffnen wird.
Drei Fragen an Mira-Geschäftsführer Klaus Kappen
Weshalb Ihre Partnerschaften mit Mobilfunkanbietern?
Hintergrund ist, dass wir eine sehr hohe Menge an Daten vor allem vom Fahrzeug über das Netz senden. Dabei ist eine möglichst geringe Latenz – also Verzögerung – schon allein aus Gründen der Sicherheit absolut geboten. Zudem testen wir mit der Deutschen Telekom auch neue Netzfeatures, die besonders auf das teleoperierte Fahren zugeschnitten sind.
Wie groß sind die Erfolgsaussichten der Technologie?
Zum einen bin ich persönlich überzeugt von der Idee. Aber wir werden in gleichem Maße durch unsere verschiedenen Kundenkontakte, also das Feedback des Marktes, bestätigt.
Darüber hinaus sind wir nicht allein und andere Marktbegleiter sind für mich ein gutes Indiz dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere Vorteile der neuen Technik?
Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Technik auch eine Verbesserung der Effizienz und der Nachhaltigkeit des Verkehrs insgesamt erreichen werden, was angesichts der ständig wachsenden Belastung vor allem unserer Städte immer wichtiger wird. Auf diese Weise wird das teleoperierte Fahren ergänzend zu seinen vielen weiteren Vorteilen zumindest auch einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Ein Player auf dem noch jungen Markt für das teleoperierte Fahren ist die MIRA GmbH. Das in Düsseldorf ansässige Unternehmen ist 2022 als Start-up aus dem Rheinmetall Technology Center hervorgegangen, in dem die Basisentwicklung der Technik in den vergangenen Jahren erfolgt ist. Dabei wurden auch weitere Spezialunternehmen des in der Automobil- und Wehrtechnik forschenden Düsseldorfer Konzerns in die Entwicklung einbezogen. Sie liefern heute beispielsweise Komponenten für die notwendige Sonderausrüstung teleoperierter Fahrzeuge sowie für die ebenfalls benötigten Steuereinrichtungen oder Leitstände.
Ins wahre Leben
Die besondere Strategie von MIRA ist es dabei, im Rahmen seiner Entwicklungsaktivitäten möglichst frühzeitig „auf die Straße“ zu gehen, um so authentische Testbedingungen für das Fahren per Teleoperation zu erhalten. Dazu Andreas Korwes, zuständig für die Markenkommunikation bei MIRA: „Wir wollten unsere Technik von Anfang an unter den Realbedingungen des öffentlichen Straßenverkehrs weiterentwickeln und uns nicht auf abgeschirmte Bereiche, wie etwa einen abgeschlossenen Betriebshof, beschränken.“
Dies machte allerdings zunächst umfangreiche Genehmigungsverfahren durch die Bezirksregierung Düsseldorf sowie den TÜV Rheinland notwendig. Dabei erwies sich der Düsseldorfer Mobilfunkspezialist Vodafone schon früh als geeigneter Partner für das sich abzeichnende „Reallabor“ im Industriehafen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. In diesem definierten Bereich erhielt MIRA bereits 2022 die Genehmigung, den Einsatz seiner Technologie unter Realbedingungen im öffentlichen Straßenverkehr zu testen.
Mit Erfolg
Gesagt, getan. MIRA konnte so in seinem ersten Reallabor umfangreiche Erfahrungen sammeln, die zu zahlreichen Verbesserungen aller System-Komponenten, vom Fahrzeug bis zur Control Station, führten. Letztere steht im MIRA-Gebäude in Derendorf. Von hier aus steuert der „Fahrer“ die teleoperierten Fahrzeuge, die sich irgendwo auf der Welt befinden könnten, vorausgesetzt sie bewegen sich in einem 5G-Netz. Auch der Düsseldorfer Mobilfunkbetreiber erhielt so eine klare Rückmeldung über die spezifischen Anforderungen des Netzes im Hinblick auf die kommende automatisierte Mobilität.
Der Erfolg ihres ersten teleoperierten Fahrzeuges, eines VW Golf, war für die Spezialisten Anlass, ihre Flotte zu erweitern. Heute sind drei MIRA-Fahrzeuge, darunter zwei Kleintransporter, im Stadtbild zu erkennen – und das mittlerweile nicht nur in Düsseldorf.
Neue Netze
Als weiterer interessierter Player vonseiten der Mobilfunkanbieter erwies sich nämlich schnell auch die Deutsche Telekom. Das im Hinblick auf innovative Ideen sehr aufgeschlossene Unternehmen ging bereits 2022 ebenfalls eine Partnerschaft mit MIRA ein. Wie auch bereits Vodafone ermitteln die Bonner Techniker deshalb zurzeit, wie ihr 5G Netz an die speziellen Anforderungen von MIRA angepasst werden kann. Ziel bleibt es, eine optimale Mobilfunktechnologie anzubieten, die selbst minimalste Verzögerungen ausschließt und so eine optimale Verfügbarkeit für den Realbetrieb dieser Technik sicherstellt. Im Frühjahr 2023 wurde zudem in der früheren Bundeshauptstadt Bonn ein weiterer Betriebsbereich im öffentlichen Straßenverkehr genehmigt. Die Freigabe einer weiteren Strecke steht derzeit an. Das Ziel der Partner für die nahe Zukunft ist ein (fahrerloser) Shuttle zwischen Standorten der Deutschen Telekom. Zugleich bindet sich das Unternehmen so noch stärker an den öffentlichen Nahverkehr an und entspricht außerdem dem gestiegenen Mobilitätsbedarf – ein klarer Beitrag zur Entlastung der Stadt Bonn.
In naher Zukunft wird ein (fahrerloser) Shuttle den rechtsrheinischen Bonner Standort der Telekom mit dem U-Bahnhof Ramersdorf verbinden. Eine weitere Strecke ist im Stadtteil Gronau in Planung.
Aber welche besonderen Anforderungen stellt denn gerade das teleoperierten Fahren an die Mobilfunknetze? Antwort weiß Heinrich Dismon, der gemeinsam mit Klaus Kappen bei der Rheinmetall AG die Geschäftsführung der MIRA GmbH verantwortet: „Im Gegensatz zu zeitlich begrenzten Events, zu denen auch schon ‚normale‘ Verbraucher die Leistung ihrer Mobilfunkanbindung voll auszunutzen, arbeiten wir beim teleoperierten Fahren nahezu permanent mit extrem hohen Datenraten.“ Hinzu kommt, so Dismon weiter, „dass für eine Teleoperation von Fahrzeugen ein hoher Datentransfer nahezu in Echtzeit unabdingbar ist.“
Geschwindigkeit zählt
Somit stellt Teleoperation extrem hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit selbst der modernen Mobilfunktechnik. Ein Einsatzzweck, den in diesem Ausmaß nur die wenigsten Verwender nutzen, sieht man einmal von der besonders zuverlässigen und schnellen Up- und Downloadmöglichkeit dieser Netze ab.
Also ein klarer Lackmustest für die Provider. So können sie erfahren, wie ihre Netze auf diese besonderen Anforderungen hin optimiert werden müssen. Anhand dieser zukunftsorientierten Anwendung wird außerdem auch die Notwendigkeit der neuen Netztechnik erst richtig nachvollziehbar.
Kein Wunder, dass die Deutsche Telekom der versammelten Fachwelt die MIRA-Technologie auch auf ihren zahlreichen Veranstaltungen präsentiert. Das Interesse geht dabei sogar hoch bis zu Telekom-Vorstandschef Tim Höttges, der sich vom MIRA-Team eingehend über die Technologie und das Potenzial des teleoperierten Fahrens informieren ließ. So waren die Düsseldorfer 2023 bereits zum zweiten Mal auf der Kölner Digital X-Messe, die die Telekom alljährlich veranstaltet, und auch bei der Bonner „Nacht der Technik“ waren jüngst Mitarbeiter von MIRA an Bord.
Sicherheitsfahrer muss weg
Und wie geht es weiter mit dem teleoperierten Fahren? Klare Aussage der Spezialisten: Der nächste wichtige und entscheidende Schritt wird die derzeit betriebene Freigabe der funktionalen Sicherheit des Systems. Ist dies erst einmal erreicht, könnte dann die Freigabe für den Entfall des noch immer vorgeschriebenen Sicherheitsfahrers im teleoperierten Fahrzeug selbst folgen und nach Aufhebung der bisher nur begrenzten Streckenfreigaben wäre der Weg für einen weitreichenden Einsatz der Technologie frei. Das Interesse der Kunden, beispielsweise aus dem Logistikbereich, ist indes groß, wie die Rückmeldung an die MIRA-Mitarbeiter auf entsprechenden Messen und Kongressen zeigt.
Und auch viele Fahrzeughersteller wollen wissen, welche Erweiterungen notwendig sind, um künftig mit der neuen Technologie Schritt zu halten. Die denkbaren Einsatzzwecke sind jedenfalls breit gestreut. Man denke nur an ein autonomes Fahrzeug, das beispielsweise aufgrund einer für seine Steuerung unlösbaren Fahrsituation – z.B. eine durchgezogene Fahrbahnmarkierung, die überfahren werden müsste – von seiner autonomen Steuerung gestoppt wird. Durch einen Teleoperator könnte das Fahrzeug schnell über die fahrerische „Barriere“ gebracht werden. Die Technologie der Teleoperation bietet damit nicht nur eine Erleichterung für weite Lebensbereiche und viele Industrien, sondern ist sicher auch einer der Wegbereiter für das zukünftige vollautonome Fahren.