Gute Frage
15. Oktober 2024
9. Oktober 2024
Zum 1. Oktober 2024 legt Peter Sebastian Krause sein Vorstandsmandat nieder und verabschiedet sich in den Ruhestand. Im Interview mit DIMENSIONS spricht der langjährige Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Rheinmetall AG über Image und Reputation, agiles Arbeiten, technologiegetriebene Wertschöpfung und nicht zuletzt über die Attraktivität einer Arbeitgebermarke, die einen großen Beitrag für die Gesellschaft leistet.
Peter Sebastian Krause,
Jahrgang 1960, verantwortet als HR-Vorstand und Arbeitsdirektor der Rheinmetall AG das Ressort Personal. Seit seinem Einstieg bei der Rheinmetall Tochtergesellschaft Pierburg GmbH im Jahr 1997 bekleidete der studierte Jurist unterschiedliche Führungspositionen in einer Reihe von Tochtergesellschaften und in der Konzernholding, bis er 2017 schließlich in den Vorstand der Rheinmetall AG berufen wurde. Ende 2024 wird er sich in den Ruhestand verabschieden und damit seine langjährige Karriere bei Rheinmetall beenden.
Rheinmetall weckt aktuell das Interesse vieler Menschen. Allein im vergangenen Jahr gingen in Deutschland über 100.000 Bewerbungen im Recruiting-Center des Technologie- und Rüstungskonzerns ein – das ist Rekord. Wie haben Sie persönlich den Wandel des Unternehmens als vermeintliches „Schmuddelkind“ der Branche zum „Sicherheitsgaranten für Frieden und Freiheit“ erlebt?
Rheinmetall wird sich in den nächsten fünf Jahren so stark wie noch nie verändern. Wir haben Zukunftsperspektiven wie kaum ein anderes Unternehmen in Deutschland und sind in einer Situation, um die uns andere hierzulande beneiden. Auf die positive Wahrnehmung in der Bevölkerung und in der Politik haben wir lange gewartet.
In den 1980er Jahren stand die Frage im Fokus, inwieweit glaubhafte Abschreckung eine notwendige Bedingung für Frieden ist. Insofern freut es mich, dass die Bedeutung der Wehrhaftigkeit unserer Gesellschaft wieder mehr Raum in der öffentlichen Debatte gewonnen hat. Der Auslöser – nämlich der Krieg in der Ukraine – ist zwar ein sehr trauriger. Aber es war überfällig, dass sich die Politik der Relevanz des Themas wieder bewusst wird. Für uns ist dieser Wandel eine Hilfe und für unsere Mitarbeiter eine Bestätigung dessen, heute wie auch in den Jahren zuvor das Richtige zu tun beziehungsweise getan zu haben.
Sie haben in den 1980ern studiert, oder?
Ja, das stimmt. Ich habe damals als Student in Bonn die Demos gegen den NATO-Doppelbeschluss hautnah miterlebt. Die Diskussionen darüber waren das beherrschende Thema in Studentenkreisen.
Was war anders im Vergleich zu heute?
Heute zweifelt niemand mehr an der Notwendigkeit von Verteidigungsfähigkeit. Damals war es genau andersherum. Die Nachrüstungsdebatte rief die Friedensbewegung hervor. Nach dem Mauerfall 1989 schien eine wirksame Abschreckung nicht mehr angemessen. Frieden wurde als selbstverständlich wahrgenommen, als unveränderlicher Zustand, der keiner besonderen Absicherung bedarf. Im Ergebnis gab es damit einen gesellschaftlichen Konsens, nicht weiter in die Verteidigungsfähigkeit investieren zu müssen, sondern stattdessen die sogenannte Friedensdividende für andere Zwecke zu nutzen.
Was macht Rheinmetall aus Ihrer Sicht besonders für Bewerber? Was unterscheidet die Belegschaft und den Konzern zum Beispiel von anderen DAX-Konzernen?
Eindeutig unsere Historie. Rheinmetall war schon immer ein Technologiehaus, das sich seine Geschäftsfelder über kleine, schlagkräftige unternehmerische Einheiten erschlossen hat. Mit anderen Worten: Geprägt hat uns das Thema Engineering. Das Arbeiten in kleinen Gruppen, der Technologietransfer sowie eine starke Kundenorientierung sind bezeichnend für Rheinmetall. Damit einher gehen eine starke Umsetzungsorientierung und trotz der Hochtechnologie ein gesunder Pragmatismus. Das macht Rheinmetall einzigartig!
Durch unser Geschäft im Bereich der Sicherheitstechnik haben wir immer den Kontakt zur Bundeswehr gepflegt. Für Rheinmetall gehört es zur Firmen-DNA, auch ehemalige Zeitsoldaten einzustellen. Daraus ist eine Mischung entstanden, die ich als agil, unprätentiös, unkompliziert und schnell entscheidungsfähig beschreiben würde.
Wir haben sicher noch Verbesserungspotenzial in Bezug auf die Standardisierung unserer Prozesse und die Digitalisierung. Für die Zukunft wird die Kunst darin bestehen, weiter dynamisch zu wachsen und die Abläufe zu optimieren, ohne dabei die Vorteile zu verlieren, die wir uns über die letzten Jahrzehnte in Sachen Agilität erarbeitet haben.
Sie waren lange Personalvorstand der Rheinmetall Automotive AG. Wie haben Sie damals auf den Defence-Bereich geblickt? Wie haben Sie den DAX-Aufstieg im vergangenen Jahr erlebt?
Solange ich im Automotive-Bereich tätig war, habe ich geglaubt, dass der Verbrennungsmotor den Gipfel unserer fachlichen Expertise verkörpert. Dabei habe ich völlig unterschätzt, welche technologischen Themen der Konzern im Defence-Bereich adressiert und über welche Bandbreite an Innovationen wir in Summe verfügen. Mit der Übernahme der Gesamtverantwortung für den Konzern ist mir dies viel bewusster geworden. Rheinmetall ist für mich ein Technologiehaus par excellence.
Über den Aufstieg in den DAX im vergangenen Jahr habe ich mich sehr gefreut. Für die Wertsteigerung der Rheinmetall Group haben wir sehr hart gearbeitet; in der DAX-Notierung findet die Leistung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine tolle Anerkennung.
Die Generation Z (Geburtenjahrgänge 1995–2010) gibt dem Arbeitsmarkt neue Impulse. Was sind aus Ihrer Bewertung besonders sinnvolle neue Herausforderungen und wo schießt die neue Generation über das Ziel hinaus?
Ich glaube, die Veränderungen sind gar nicht so groß. Auch die Generation Z sucht einen Arbeitgeber, der vermitteln kann, dass das, was er tut, für die Gesellschaft wichtig ist. Darüber hinaus muss er einen großen Spielraum für persönliche Entwicklung bieten und im Alltag einen respektvollen Umgang miteinander gewährleisten. Aus meiner Sicht hat sich nicht die Einstellung der Kandidaten geändert, sondern primär der Arbeitsmarkt. Die Bewerber sind sich heute sehr bewusst darüber, dass es überall an Fachkräften fehlt. Vor 15 Jahren freuten sie sich, wenn sie eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in der Tasche hatten. Heute haben die Interessenten in der Regel mehr als eine Option.
Das heißt, die Bewerber treten heute selbstsicherer auf?
Ja, das führt dazu, dass heute Dinge verhandelt werden, die damals nicht verhandelbar waren. Ich denke hier vor allem an die Balance zwischen Arbeit und Privatem. Aus Sorge, abgelehnt zu werden, haben die Bewerber dieses Thema früher nicht angesprochen. Heute ist das nicht mehr der Fall. Sie gehen mit weitaus mehr Selbstvertrauen in die Job-Interviews. Umso wichtiger ist es, in Kenntnis dieser Erwartungshaltung von Anfang an gegenüber den Bewerbern deutlich zu machen, was Rheinmetall braucht, damit wir die Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen können, und was vor dem Hintergrund geht oder nicht geht.
Welche Maßnahmen ergreift Rheinmetall, um die Work-Life-Balance seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern?
Ich betrachte die ganze Situation eher gelassen. Wir haben bei Rheinmetall gute Wege gefunden, flexibel auf die Bedürfnisse unserer Beschäftigten zu reagieren. Hier sehe ich insbesondere den gut eingeübten Wechsel zwischen Büropräsenz und der Möglichkeit des mobilen Arbeitens. Generell ist es wichtig, das Spannungsfeld zwischen den betrieblichen Notwendigkeiten und davon abweichenden individuellen Vorstellungen transparent zu machen und dafür funktionierende Lösungen zu finden. Nach meiner Einschätzung gelingt uns dies sehr überzeugend. Deutlich verändert hat sich die heutige Vorstellung junger Familien über die Verteilung der Verantwortung für die berufliche Weiterentwicklung und die Wahrnehmung familiärer Pflichten. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Eltern nur für das klassische Rollenmodell entscheiden. Heute existieren vermehrt sehr individuelle Ansätze. Dementsprechend entspannt gehen wir inzwischen damit um, dass Elternzeit von beiden Erziehungsberechtigten in Anspruch genommen wird.
Unternehmen werden heute viel stärker an ihren Anstrengungen gemessen, sich für Diversität einzusetzen. Welche Rolle spielen Vielfalt und Inklusion in der Personalstrategie Ihres Unternehmens?
Rheinmetall steht für Chancengleichheit! Dass es innerhalb des Konzerns keinerlei Diskriminierung gibt, ist für uns ein wesentlicher Punkt, den wir glaubhaft nach innen und außen vermitteln.
Es soll und darf keine Rolle spielen, wer welches Geschlecht und welche sexuelle Neigung hat oder ob jemand gehandicapt ist. Entscheidend ist allein, ob er oder sie aufgrund der persönlichen Fähigkeiten und der jeweiligen Persönlichkeit der Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortung gewachsen ist. Dies zu gewährleisten, ist unser Anspruch, dem wir in jedem Einzelfall gerecht werden wollen.
Wie gehen Sie mit der Herausforderung des Fachkräftemangels in der Rüstungsindustrie um? Ist Rheinmetall aufgrund seiner Reputation weniger davon betroffen?
Der Fachkräftemangel betrifft die gesamte Industrie in Deutschland und Europa. Dank unserer Bekanntheit können wir trotzdem ein ungebrochenes Interesse – bezogen auf unsere offenen Stellen – verzeichnen. Das ist ein Vorteil, der es uns erlaubt, die zumeist altersbedingten Abgänge zu ersetzen.
Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Arbeitswelt in der Rüstungsbranche und wie stellt sich Ihr Unternehmen darauf ein? Wo werden Fachkräfte weniger gebraucht?
Wir prüfen zurzeit sehr genau, welchen Einfluss die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) auf unseren zukünftigen Bedarf an Arbeitskräften und deren Qualifikation haben wird. Es ist aber noch zu früh, um diesbezüglich eine sichere Einschätzung zu formulieren. Die Softwareprogrammierung wird sich verändern. Das lässt sich bereits erkennen. Auch kann KI schon heute bestimmte administrative Funktionen übernehmen.
Herr Krause, Sie treten zum Ende des Jahres 2024 in den wohlverdienten Ruhestand ein. Was werden Sie am Tag 1 nach Rheinmetall als Erstes tun?
(Krause lacht) Auf die neue Phase in meinem Leben anstoßen und in einem Zustand der totalen Entspannung mit meiner Frau besprechen, welche Themen wir auf unserer „Wunschliste der aufgeschobenen Aktivitäten“ zuerst umsetzen wollen. Besonders freue ich mich auf die Wiedergewinnung der absoluten Zeitautonomie, aufs Skifahren, Segeln sowie das Reisen.
Was hätten Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn anders gemacht? Was hätten Sie gerne noch umgesetzt? Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich hätte nichts anders gemacht! Vielmehr habe ich es immer als Privileg empfunden, mich über die verschiedenen Stationen im Konzern so entwickeln zu dürfen, wie es tatsächlich der Fall gewesen ist. Worauf wir zu Recht stolz sein können: Trotz der weitreichenden Veränderungen ist -Rheinmetall bis heute ein Industrieunternehmen mit großer eigener Wertschöpfung geblieben. Davon profitieren auch unsere Beschäftigten. So konnten wir damit insbesondere im Bereich der Anlerntätigkeiten Arbeitsperspektiven für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten und bis heute absichern. Angesichts des weltweiten Wettbewerbs ist dies keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr freue ich mich, dass wir in Deutschland nach wie vor mit einer Vielzahl von Standorten präsent sind.
Das Interview führte David Ginster.
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