SicherheitWirtschaft

Mit Hightech gegen Minen

14. Oktober 2024 - von Jan-Phillipp Weisswange

Die Ukraine ist das am stärkste verminte Land der Welt. Besonders hoch ist die Dichte der Sprengsätze entlang der über 1.000 Kilometer langen Frontlinie. Daraus leitet sich auch für die NATO-Streitkräfte die Erkenntnis ab: Um im Gefecht schnell vorrücken zu können, braucht es moderne gepanzerte Minenräumsysteme.

174.000

Quadratkilometer Land sind laut der ukrainischen Regierung auf Jahrzehnte mit Sprengkörpern verseucht.


Mehr als

740

Zivilisten wurden seit der russischen Invasion von Minen verletzt oder getötet, so die UN.


85

Milliarden Dollar wird die Beseitigung aller Minen in der Ukraine kosten, schätzt die Weltbank.

Seit ihrem Überfall auf die Ukraine hat die russische Besatzungsarmee große Frontabschnitte mit Panzer- und Fahrzeugabwehrminen übersät. Laut des ukrainischen Sicherheitsrats liegen mancherorts pro Quadratmeter drei bis fünf der explosiven Sperren in der Erde. Die militärische Taktik dahinter: den Angriff zu verzögern. Im Sommer 2023 kam die ukrainische Gegenoffensive unter anderem wegen der ausgedehnten Minenfelder nur schleppend voran. Ohne aufwändiges Minenräumen war für die Truppe mit ihren schweren Fahrzeugen kein Durchkommen. Besonders perfide: Um das Minenräumen zu erschweren, sind zwischendrin immer wieder auch Antipersonen-Minen gestreut worden – trotz ihres Verbots durch die sogenannte Ottawa-Konvention.

Ein Team des ukrainischen Bombenentschärfungskommandos der 93. Brigade führt in der ukrainischen Region Donezk Minen- und Granatensprengarbeiten durch. Die Soldaten gehen in Deckung, während der Rauch der kontrolliert gezündeten Sprengstoffe im Hintergrund aufsteigt. (Foto: Getty Images | Anadolu )

Kampf mit und um Sperren legt zu

Die Einsatzerfahrungen aus dem Ukraine-Krieg belegen: Der Kampf mit und um Sperren – englisch „obstacle warfare“ – gewinnt auf den heutigen Gefechtsfeldern wieder stark an Bedeutung. Gefragt sind innovative Konzepte, um Panzersperren und Hindernisse schnell und sicher überwinden zu können. Vor diesem Hintergrund hat Rheinmetall ein neues gepanzertes Kampfunterstützungsfahrzeug entwickelt: den Keiler Next Generation (NG). Der erste Prototyp des im Englischen „Armoured Breaching Vehicle“ (ABV) genannten Systems stieß auf der diesjährigen Rüstungsmesse Eurosatory in Paris bereits auf großes Interesse. Im August 2024 stellte er auf dem Truppenübungsplatz Bergen bei einer Live-Demonstration seine Leistungsfähigkeit unter Beweis.

250 Meter pro Minute

63 Tonnen Hightech bringt der Keiler NG ins Gelände: Mit seinem vier Meter breiten Minenpflug von Pearson kann das hochgeschützte und mobile Fahrzeug pro Minute 250 Meter lockeren Untergrund von offenen und verdeckt liegenden Sprengsätzen säubern. Zum Schutz vor magnetfeldinduzierten Minen verfügt das Fahrzeug zusätzlich über einen Magnetfeldduplikator, der als Scheinziel direkt vor dem Panzer ein Magnetfeld generiert. Sind Panzersperren zu räumen, Gräben zuzuschütten oder Stellungen zu schieben, lässt sich der Pflug innerhalb kurzer Zeit durch ein Räumschild ersetzen. Dank des integrierten Krans kann die Besatzung Umrüstarbeiten wie diese, die Anschlussversorgung oder Werkzeugwechsel eigenständig durchführen.

Pyrotechnische Minenräumung

Bewegen sich die Truppen über festes Terrain, kommt das raketengestützte Sprengschnursystem „Plofadder“ von Rheinmetall Denel Munition zum Einsatz. Bei dieser pyrotechnischen Räumung wird mit Hilfe einer Rakete ein Seil mit Dutzend aufgefädelten Sprengsätzen zu seinem Ziel geschossen, das über Fernzündung vergrabene Minen detonieren lässt. Solche Minenräumschnüre fanden bereits im Zweiten Weltkrieg Verwendung.

Das System von Rheinmetall kann in Minutenschnelle eine Bresche von 160 Metern Länge und neun Metern Breite in Minensperren und Hindernisse schlagen. Überlappend geschossen lassen sich mit den beiden Plofadder-Systeme des Keiler NG selbst tiefe Minensperren überwinden.

Sicheres Vorrücken

Damit die nachfolgenden Truppen die freigeräumten Schneisen selbst bei eingeschränkter Sicht oder Nacht erkennen, kennzeichnet das integrierte Gassenmarkierungssystem des Keilers NG die sicher passierbaren Strecken. Zum Selbstschutz trägt der Minenräumpanzer das Schnellnebelschutzsystem ROSY und die fernbedienbare Waffenstation Natter mit einem schweren Maschinengewehr im Kaliber 12,7mm x 99.

Die Besatzung des Keiler NG besteht aus zwei Soldaten. Die Möglichkeit des fernbedienbaren Einsatzes ist in dem Systemkonzept bereits ebenso berücksichtigt wie die Einrüstung eines abstandsaktiven Schutzsystems und die Vernetzung auf dem digitalisierten Gefechtsfeld. Damit erfüllt der Keiler NG alle gegenwärtigen taktischen Anforderungen und zeichnet sich durch hohe Zukunftsfähigkeit aus.

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