TechnologieExpertiseInnovation

Ein Platz an der Sonne

2. September 2025 - von Folke Heyer

Was haben eine sowjetische Raumkapsel, eine japanische Standheizung und ein amerikanischer Brennstoffzellen-Lastwagen mit einem polnischen Plattenspieler gemeinsam? Die Antwort auf diese nur scheinbar schwierige Frage lautet: In allen können Elektromotoren des Rheinmetall-Werkes in Hartha stecken.

Rheinmetall Power Systems

Gegründet 1922, gehört das Werk in Hartha seit 1992 zur heutigen Division „Power Systems“ der Rheinmetall AG.

Geschäftsfelder

Das Werk in Hartha entwickelt und produziert elektrische Pumpen und Motoren in verschiedenen Leistungsbereichen und für unterschiedliche Aufgaben in der Fahrzeugtechnik sowie darüber hinaus. Daneben stehen neue Technologien aus den Bereichen Mobilität, Digitalisierung, Home Automation oder Energie im Fokus.


Mitarbeiter

360

51 Entwickler, 8 Ausbildungsstellen, 6 dual Studierende im Bachelor-Fach „Digital Engineering“


Vom früheren Volkseigenen Betrieb zum international gefragten Automobilzulieferer

240

Mio. EUR hat Rheinmetall seit der Übernahme des Werkes im sächsischen Hartha in die Modernisierung des Standorts investiert.

Seit über 100 Jahren werden in der gerade einmal 7.000 Einwohner zählenden sächsischen Kleinstadt Hartha Elektromotoren hergestellt. Über das vergangene Jahrhundert hat sich hier in den Bereichen Entwicklung und Fertigung eine umfassende Erfahrung für allen Arten und Größen von Elektromotoren aufgebaut, die in unterschiedlichsten Produkten und Industrien zum Einsatz kommen. Neben seinen Technologien für Verbrennungsmotoren ist das Werk deshalb auch in Sachen Elektromobilität absolut auf der Höhe der Zeit. Aber nicht nur dort!

Ein Beispiel deutscher Geschichte

Gleichzeitig ist die Historie des Traditionsstandortes im Dreieck zwischen Chemnitz, Dresden und Leipzig ein Spiegel der deutschen Geschichte. Gegründet im Jahr 1922, in einer wirtschaftlich turbulenten Zeit, hatte schon der Zweite Weltkrieg das Produktportfolio des Werkes beeinflusst und die Überführung in einen volkseigenen Betrieb in der früheren DDR tat ein Übriges. Hartha wurde schnell zu einem der wichtigsten und größten Elektromotorenhersteller jenseits der Elbe. Mit bis zu 3.200 Mitarbeitern an neun Produktionsstätten versorgte ELMO – mit damaligem vollem Namen der VEB Elektromotorenwerk Hartha Sachsen – zudem auch den früheren Ostblock mit Elektromotoren. Aus dieser Zeit stammt auch eine besondere wehrtechnische Facette des Standortes, der seinerzeit unter größter Geheimhaltung auch Aufträge für die Nationale Volksarme ausführte und sogar für die sowjetische Raumfahrt Elektromotoren zum Justieren von Kameras in Raumkapseln und Satelliten herstellte.

Breites Produktspektrum

So ist die Liste der Innovationen und Komponenten „made in Hartha“ nahezu abendfüllend. Um nur einige wenige zu nennen, erstreckt sie sich seit Mitte der 1990er Jahre von Vakuumpumpen und Motoren für elektrische Kraftstoffpumpen über Kunststoffsaugrohre, elektrische Drosselklappensteuerungen, Antriebe für Lkw-Abgasrückführsysteme sowie Sekundärluftpumpen bis zu den aktuellen Wasserumwälz- und Kühlmittelpumpen. Hinzu kommen Produkte für die Elektromobilität und neue Antriebssysteme, wie ein Wasserstoffrezirkulationsgebläse für Brennstoffzellen sowie eine überaus leistungsstarke elektrische Kühlmittelpumpe mit 2.000 Watt.

Wie ein Phönix aus der Asche

Seit der Übernahme durch den Rheinmetall-Konzern Mitte 1992 hat sich der buchstäblich am Boden liegende Standort nach der Wende kontinuierlich positiv entwickelt. Die ­Rheinmetall-Tochter Pierburg investierte nachhaltig in die Sanierung renovierungsbedürftiger Gebäude und stellte den Maschinenpark neu auf. „Wir sind stolz auf das Wachstum und die nahtlose Einbindung in unsere Unternehmensgruppe, die sich unter den wechselnden Führungsmannschaften entwickelt haben“, sagt Mario Schäfer, der das sächsische Werk seit 2017 leitet. Für den Produktionsspezialisten ist dabei besonders auch die Integration seines Standortes in die Entwicklungsaktivitäten des Konzerns von Bedeutung. „Wir haben in Hartha mit unserer geschulten Mannschaft vor Ort und in Zusammenarbeit mit unserer Zentralentwicklung in einem nicht unerheblichen Anteil Produkte auf die Beine gestellt, die heute einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Standortes und der gesamten Unternehmensgruppe leisten und auch in Zukunft leisten werden. Zu diesem Zweck haben wir allein in diesem Bereich in Hartha ein 51 Köpfe zählendes Team. Sie machen mehr als ein Achtel der gesamten Belegschaft aus. Das veranschaulicht zusätzlich zu unserem Know-how in der Fertigung einen weiteren Schwerpunkt dieses Standortes.“

Von kleinen Anfängen wuchs in Hartha nicht nur der Umsatz, sondern auch die Gebäudestruktur, denn neue Produkte benötigten bald auch neue Produktionshallen. Dies teilweise sogar mit einer aufwändigen elektromagnetischen Koppelung des Hallenbodens, durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter permanent geerdet werden, um die empfindlichen Leiterplatten und elektrischen Schaltkreise nicht durch überspringende Funken zu beschädigen.

Wasserumwälzpumpe wird Erfolgsprodukt

Unter anderem entwickelten die Harthaner gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Zentrale in Neuss die „WUP“, eine elektrisch kommutierte Wasserumwälzpumpe, die keine verschleißanfälligen Bürsten benötigt. Diese äußerlich unscheinbare, aber in weiten Bereichen einsetzbare Komponente mauserte sich schnell zum Millionseller. Mittlerweile läuft bereits die vierte weiterentwickelte Generation des kleinen Tausendsassas in der weitgehend automatisierten sächsischen Fertigung vom Band und hat die Gesamtstückzahl von 100 Millionen bereits überschritten. Außerdem wurde Hartha schon 2004 zum zentralen Fertigungsstandort für eine elektrisch angetriebene Kühlmittelpumpe – zur damaligen Zeit eine Weltneuheit im Automobilsektor. Sie ermöglicht eine bedarfsgerechte Steuerung des Kühlmittelstroms im Motor und ist heute nicht zuletzt angesichts immer schärfer werdender Abgasvorschriften ein international gefragtes Produkt. Darüber hinaus findet sie auch in neuen Antriebsformen Verwendung.

Ein weiterer positiver Effekt der Erfolgsgeschichte des Werkes zeigt sich auch im Anstieg der Beschäftigtenzahl. Heute zählt das Werk 360 Mitarbeitende, wobei aktuelle und künftige Produkte hier womöglich noch Luft nach oben ermöglichen könnten.

Bedeutender Zulieferer

Der Standort ist heute nicht nur ein überaus wichtiger Zulieferer für die Automobilindustrie. Produkte aus der sächsischen Kleinstadt finden sich außer in Antriebssträngen beispielsweise auch in Standheizungen sowie in Elektronik- oder Sitzkühlungen. Zusätzlich zu diesem traditionellen Portfolio treibt das Werk immer wieder eine umfassende Transformation seines Produktspektrums voran. Die Harthaner haben dabei auch neue Technologien aus den Bereichen Mobilität, Digitalisierung, Home Automation oder Energie im Fokus.

Aber der sprichwörtliche sächsische Erfindergeist und die permanente Zukunftsorientiertheit der Mannschaft gehen noch weiter. So katapultieren seit kurzem innovative Kleinstkondensatoren als jüngstes Produkt aus Hartha das Werk in eine vollkommen neue Ära und verhelfen ihm zu einem Riesenvorsprung vor seinen weltweiten Wettbewerbern. Dazu wurden am Standort mehrere Millionen Euro in eine neue Produktionshalle nebst entsprechenden Fertigungsanlagen investiert. Letztere übrigens die Einzigen ihrer Art außerhalb der USA.

Vom Land Sachsen gefördert

Diese international herausragende Sonderstellung registrierte auch der Freistaat Sachsen und beschloss, die Herstellung der neuen zukunftsweisenden Produkte mit sieben Millionen Euro zu bezuschussen. Die winzigen technischen Wunderwerke bestehen aus tausenden mikroskopisch kleinen Nano-Schichten und sind am Ende gerade einmal so groß wie eine Streichholzschachtel. „Die Einsatzgebiete für unsere Kondensatoren, die hauptsächlich in Wechselrichtern verwendet werden, sind nicht zuletzt aufgrund ihrer geringen Größe absolut vielfältig“, weiß Mario Schäfer, „denn überall, wo Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt werden muss, können unsere extrem platzsparenden Komponenten genutzt werden. Außerdem sind wir mit unserem vorhandenen Maschinenpark in der Lage, auch größere Hochvolt-Kondensatoren ganz nach Kundenwunsch zu produzieren.“

Die Verwendungsmöglichkeiten für diese im Gesamtspektrum des Werkes neuen Produkte erstrecken sich denn auch von Solar- und Windkraftanlagen über die Automobiltechnik bis zur Luft- und (wieder) der Raumfahrt. Hinzu kommen zahlreiche weitere Bereiche der Industrie. Das vermittelt nachhaltige Zuversicht für die zukünftige Entwicklung. „Wir verfügen in Hartha über umfangreiche Kompensationsmöglichkeiten und ein innovatives Produktspektrum“, so der Werkleiter, „die uns in die Lage versetzen, selbst angesichts der aktuell nicht einfachen Zeit in der weltweiten Automobilindustrie unsere gute Marktposition zu behaupten und auszubauen.“ Kein Wunder also, dass das Rheinmetall-Werk im sächsischen Hartha seinen Standort seit Mitte der dreißiger Jahre an der heutigen Sonnenstraße hat. „Nomen“ ist eben nicht nur sprichwörtlich „Omen“.

Notification Icon

Keine Artikel mehr verpassen

Klicken Sie hier, um Push-Benachrichtigungen zu empfangen. Durch Ihre Einwilligung erhalten Sie regelmäßige Informationen zu neuen Beiträgen auf der Dimensions-Webseite. Dieser Benachrichtigungsservice kann jederzeit in den Browser-Einstellungen bzw. Einstellungen Ihres Mobilgeräts abbestellt werden. Ihre Einwilligung erstreckt sich ausdrücklich auch auf eine Datenübermittlung in Drittländer. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzinformation unter Ziffer 5.

Artikel teilen